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Ran an die Wuchermieten – Berliner Senat erzielt Einigkeit beim Mietendeckel

Die Ausgestaltung des bundesweit ersten Mietendeckels in der Hauptstadt hat die rot-rot-grüne Koalition auch am Freitag noch einmal sechs Stunden beschäftigt. Nach wochenlanger Diskussion hat sich die Koalition am Freitagabend geeinigt.
Ran an die Wuchermieten – Berliner Senat erzielt Einigkeit beim MietendeckelQuelle: www.globallookpress.com

Fünf Jahre lang sollen die Mieten eingefroren werden, so viel steht in Berlin fest. Aber die Einzelheiten und der Weg dahin schien die rot-rot-grüne Koalition beinahe zu spalten.

Die Gespräche am Freitag dauerten an, nachdem es zuvor eine längere Unterbrechung gegeben habe, hieß es nach mehr als viereinhalb Stunden am Freitag aus dem Koalitionsausschuss. Nach knapp sechs Stunden Verhandlungen hieß es dann "Habemus Mietendeckel", wie Berlins Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek twitterte.

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Das Gesetz soll die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen deckeln, die vor 2014 gebaut wurden. Damit sollen die "galoppierenden Neuvertragsmieten" gestoppt werden, so die Linken-Abgeordnete Sandra Brunner.

Katrin Lompscher (Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, die viel Kritik für ihre Positionen eingesteckt hat, zeigte sich am Freitag erleichtert:

In den nächsten fünf Jahren muss kein Mieter mehr fürchten, wegen exorbitanter Mietsteigerungen oder hohen Modernisierungsumlagen das Dach über dem Kopf zu verlieren.

Das Gesetz soll Anfang 2020 rückwirkend zum 18. Juni 2019 in Kraft treten – an dem Tag hatte der Senat erste Eckpunkte dazu beschlossen. Geplant sind neben dem eigentlichen Mietenstopp diverse flankierende Maßnahmen. So wird ab 2022 die Möglichkeit eines Inflationsausgleiches von 1,3 Prozent geschaffen. Bei Wiedervermietung gelten die Vormiete oder Mietobergrenzen. Modernisierungsmaßnahmen dürfen mit einem Euro pro Quadratmeter umgelegt werden, für höhere Kosten sollten Vermieter Förderprogramme nutzen, dahingehend hatte die Bundesregierung beim Wohngipfel unter anderem steuerliche Förderung für einige Maßnahmen zur verbesserten Dämmung beispielsweise vorgebracht. Sogenannte "Wuchermieten" werden neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auf 120 Prozent der Obergrenzen abgesenkt.

Zunächst muss der Senat den Gesetzentwurf allerdings noch beschließen und das Abgeordnetenhaus darüber abstimmen. Der Beschluss könnte am kommenden Dienstag gefasst werden.

Bereits am Donnerstag hatte der Koalitionsausschuss sechsstündige Verhandlungen über den geplanten Mietendeckel geführt und dann auf Freitag vertagt.

Wir sind uns schon sehr weitgehend einig", sagte Regierungschef Michael Müller am späten Donnerstagabend dem RBB. "Wir wollen auf jeden Fall einen fünfjährigen Mietenstopp. Wir wollen gemeinsam auch an die Wuchermieten ran. (...) Überhöhte Mieten müssen auch abgesenkt werden können." 

Allerdings blieb zunächst unklar, wie dies rechtlich durchsetzbar wäre. Dass die Mieten fünf Jahre gedeckelt werden sollen, wurde bereits im Juni in einem Eckpunktepapier festgelegt. Von der ursprünglichen Forderung der Bausenatorin Lompscher, Mieten für Wohnungen zu senken, in denen mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete gezahlt wird, habe sich die gesamte Koalition verabschiedet, hieß es am Donnerstag.

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Die SPD hatte sich gegen den Vorschlag der Koalitionspartner gestellt, Mietobergrenzen und damit verbundene Mietabsenkungen zu ermöglichen, weil dies nach Ansicht der Sozialdemokraten rechtlich kaum umsetzbar wäre und vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern könnte. Ein Rechtsgutachten, das die Senatskanzlei in Auftrag gegeben hatte, bestätigte dies. Die Befürchtung der SPD war, dass das gesamte Gesetz am Ende gekippt und dann Nachzahlungen für Mieter fällig werden könnten. Der FDP-Politiker Sebastian Czaja gemahnte am Freitag, alles zu tun, "um die Sozialismusfantasien des Senats zu beenden".

Agenturen vermeldeten am Freitag, diese Überlegung sei dem Vernehmen nach vom Tisch. Am Freitag beschloss die Berliner Koalition aber auch, dass zum Verhältnis von Einkommenssituation und Mietbelastung bis zum Ende des parlamentarischen Verfahrens eine Untersuchung erstellt wird.

Wochenlang wurde der Mietendeckel in Berlin diskutiert. Eine zwischenzeitliche Abmilderung der Pläne, wonach moderate Anhebungen der Mietpreise möglich sind, die sich an der Inflationsrate orientieren, beflügelten Ende August umgehend die Immobilienaktien. Die Titel der Deutschen Wohnen, die besonders viele Wohnungen in der Hauptstadt hat, schnellten zeitweise um mehr als elf Prozent nach oben. Die Vonovia-Papiere gewannen bis zu 5,2 Prozent, die Aktien von Grand City Properties, LEG Immobilien, TAG Immobilien und Aroundtown legten bis zu fünf Prozent zu.

Auch für andere Großstädte in Deutschland könnte das Modell interessant sein, mit dem Berlin rechtliches Neuland betritt. Zu Demonstrationen gegen den "Mietenwahnsinn" gehen Zehntausende auf die Straßen, nicht nur in der Hauptstadt. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte im Frühjahr: "Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit." Fast jeder Siebte in Deutschland gab im Jahr 2017 mehr als 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für das Wohnen aus, das ergab eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Zwischen 2008 und 2010 stieg die Nettokaltmiete bei Erst- und Wiedervermietungen im Bundesschnitt nur um 2,2 Prozent. In den zwei Jahren vor 2018 wuchs sie dann um 10 Prozent auf 8,41 Euro pro Quadratmeter.

Unter den sieben größten Städten war der Anstieg in Berlin mit Steigerungen um 19,3 Prozent im Zweijahreszeitraum vor 2018 besonders heftig. Vermieter verlangten dort von Wohnungssuchenden doppelt so hohe Mieten wie zehn Jahre zuvor. Die Mieten für freie Wohnungen haben sich innerhalb von zehn Jahren laut Bundesbauministerium auf durchschnittlich 11,09 Euro je Quadratmeter nettokalt im Jahr 2018 verdoppelt. Auch Normalverdiener haben vielerorts kaum eine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das sorgt für aufgeheizte Diskussionen in der Stadt, eine Initiative hat sogar ein Volksbegehren für die Enteignung großer Wohnungskonzerne angestrengt – die die Mehrheit der Berliner Bürger unterstützt.

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