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Polizeigewerkschaft an Seehofer: Stopp der deutschen Polizeimission in Afghanistan

Afghanistan kommt nach 18 Jahren Krieg nicht zur Ruhe. Jetzt forderte die Polizeigewerkschaft den Stopp der deutschen Ausbildungsmission in Afghanistan. Die Organisation von Abschiebungen sei kein hinreichendes Argument für deren Fortsetzung.
Polizeigewerkschaft an Seehofer: Stopp der deutschen Polizeimission in AfghanistanQuelle: www.globallookpress.com

Am Mittwoch starben bei der Explosion einer Bombe am Straßenrand in der nordöstlichen afghanischen Provinz Kapisa sechs Zivilisten. Zwei weitere wurden verletzt, als ein Auto auf den Sprengsatz fuhr. Vorläufige Ergebnisse der afghanischen Präsidentenwahl werden erst in knapp drei Wochen erwartet. Am Dienstag überfielen mehr als 400 Taliban-Kämpfer eine Polizeizentrale im Norden Afghanistans und töteten elf Polizisten. 13 Polizisten wurden von den anrückenden Angreifern in ihre Gewalt gebracht.

Afghanische Zivilisten sind ohne Frage die Hauptleidtragenden des seit nunmehr 18 Jahren andauernden Krieges, doch auch in den Reihen der NATO-Staaten herrscht Unruhe angesichts der nach wie vor prekären Sicherheitslage vor Ort. Besonders kritisch wird der deutsche Einsatz im Land am Hindukusch von der Bundespolizei und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) betrachtet. Seit 30 Jahren entsendet die Bundespolizei (der frühere Bundesgrenzschutz) eigene Fachkräfte zu Auslandseinsätzen. Offiziell tragen die Beamten im Rahmen des bilateralen deutsch-afghanischen Polizeiprojekts GPPT (German Police Project Team) unter anderem in Kabul zur Ausbildung von Polizeikräften vor Ort bei.

Das deutsche Polizeiprojekt wurde 2002 in Kabul eingerichtet. Ziel ist es, eine professionelle, sich selbst tragende Polizei in Afghanistan aufzubauen. Diese soll der Bevölkerung dienen, sie schützen und sich den demokratischen Prinzipien und Menschenrechten verpflichtet fühlen," heißt es zur Afghanistan-Mission auf den Seiten des Bundesinnenministeriums.

Bereits im Jahr 2010 forderte hingegen etwa der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Frank Richter, die Politik dazu auf, einen konkreten Abzugsplan für Afghanistan zu entwickeln.

Deutsche Polizisten können nicht ewig in Afghanistan bleiben. Deshalb brauchen wir für die Polizei einen verbindlichen Abzugsplan, damit feststeht, wann der letzte Polizist aus Afghanistan abziehen wird", forderte Richter vor gut neun Jahren.

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Von derlei konkreten Abzugsplänen kann jedoch nach wie vor keine Rede sein. Zuletzt wurde auf der Konferenz der Innenminister in ihrer Sitzung vom 12. bis zum 14. Juni 2019 in Kiel erneut die Wichtigkeit der deutschen Unterstützung für die afghanische Polizei betont – auch mit Blick auf die Migrationslage.

Nach dem jüngsten Anschlag auf das Büro der deutschen Polizeimission in Kabul Anfang September nehmen die Forderungen der Polizeigewerkschaft wieder an Dringlichkeit zu. Am 2. September ereignete sich ein verheerender Autobombenanschlag auf das schwer gesicherte "Green Village"-Areal, in dem auch zahlreiche internationale Organisationen untergebracht sind, so wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Laut eines Sprechers des Bundesinnenministeriums hätten nach dem Terroranschlag elf Polizisten und der Projektleiter Platz in der deutschen Botschaft gefunden. Die andere Hälfte des 22-köpfigen Projektteams wurde mangels Unterkünften vorerst ausgeflogen.

Das deutsche Ausbildungsprogramm in Kabul sollte sofort ausgesetzt werden, da die Sicherheitslage aktuell so heikel ist, dass bei einer Fortsetzung die Sicherheit der Beamten auf dem Spiel steht", erklärte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow nun gegenüber dem Spiegel.

Zuvor hatte sich die geplante Rückkehr der Bundespolizisten nach Kabul aufgrund der Intervention der Bundespolizei verzögert. Das Innenministerium hingegen teilte mit, dass das entsprechende Personal schrittweise wieder erhöht werde, sobald die logistischen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Nach Angaben des Ministeriums habe sich die Entsendung von Bundespolizisten für einen turnusmäßigen Personalwechsel jedoch lediglich "aus organisatorischen Gründen" verzögert.

Unsere Kollegen sind beim letzten Anschlag nur haarscharf mit dem Leben davongekommen", argumentierte hingegen jüngst Oliver Malchow als Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft.

Es sei keinesfalls auszuschließen, dass jederzeit ähnliche Angriffe stattfinden könnten. Damit begibt sich die Polizeigewerkschaft auf direkten Konfrontationskurs mit Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dem CSU-Politiker nach zu urteilen, sei es demnach notwendig, die Ausbildungsmission in Afghanistan trotz des jüngsten Bombenanschlags fortzusetzen. Auf dem Weg "zu einem dauerhaften Frieden, zu Sicherheit und stabilen Verhältnissen" brauche die afghanische Regierung "weiterhin unsere Hilfe", zeigte sich Seehofer überzeugt. Die "erfolgreiche" Polizeimission müsse daher fortgesetzt werden, so Seehofer weiter.

Dabei spielt nach inoffiziellen Angaben aus seinem Ministerium auch eine Rolle, dass die Beamten der Mission in Kabul gebraucht werden, um die Ankunft der mittlerweile regelmäßigen Abschiebeflüge vor Ort abzuwickeln", heißt es dazu im Spiegel.

Dieser Argumentation mag sich der GdP-Chef jedoch nicht anschließen. Demzufolge warnte Malchow:

Die Politik wäre gut beraten, wenn sie der Sicherheit der deutschen Polizisten Vorrang vor dem Interesse einräumt, weiterhin Abschiebungen zu ermöglichen.

Seit 17 Jahren betreibt die Bundespolizei nunmehr die Ausbildung von Polizisten in Afghanistan. Nach Angaben von Seehofers Ministerium wurden in dieser Zeit mehr als 80.000 afghanische Polizeikräfte ausgebildet.

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