Partei kommt vor Journalismus? Chef des Deutschen Journalisten-Verbands in der Kritik
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Frank Überall, sieht sich innerhalb des Verbands mit massiver Kritik konfrontiert. Wie das Branchenportal kress.de berichtet, wirft Peter Welchering, bis vor einem Jahr stellvertretender Landesvorsitzender des DJV-Landesverbandes Baden-Württemberg, Überall vor, den Journalistenverband aus parteipolitischer Rücksichtnahme zu "zerlegen".
Welchering wandte sich Anfang Juni mit einem offenen Brief direkt an Überall. Darin wirft er dem CDU-Mitglied Überall vor, in der Debatte um das EU-Urheberrecht die Linie seiner Partei vertreten und Interessen der Journalisten geschadet zu haben:
Wir leben in politisch bewegten Zeiten, und in politisch bewegten Zeiten versuchen politische Parteien, Verbände gern als Vorfeld- und Einflussorganisationen zu instrumentalisieren. Das machen die Christdemokraten mit dem CDU-Mitglied Frank Überall in Sachen DJV-Bundesverband recht erfolgreich.
Das erfüllt viele Mitglieder mit Sorge. Denn der DJV-Bundesverband hat sich ja auch schon in der Vergangenheit immer mal wieder instrumentalisieren lassen, zum Beispiel von Facebook und Google. Das hat dem Journalismus geschadet, und das schadet dem Verband. Das wurde häufig von vielen aufrechten KollegINNen kritisiert, und ihr auf der Bundesebene habt diese Kritik regelmäßig abgebügelt.
Das habt ihr auch getan, als heftige Kritik geäußert wurde, weil der Bundesverband gnadenlos die CDU-Parteilinie in Sachen der europäischen Urheberrechtsreform verfolgt hat.
Welchering kritisierte auch Überalls Aussage, das PR Journalismus sei, und den Umgang des Verbands mit seinen Kritikern.
Der DJV hatte die EU-Urheberrechtsreform im März in einer Pressemitteilung verteidigt und gelobt. Viele Mitglieder waren mit dieser Positionierung nicht einverstanden, einige erklärten ihren Austritt. Welchering erklärt, viele Gespräche mit "verbitterten, zornigen, frustrierten" Journalisten geführt zu haben, die den DJV verlassen hätten.
Welcherings offene Kritik an dem Verbandschef führte zu einer offenen Kontroverse auf Twitter. Der Kritiker monierte den Stil der DJV-Kritik an ihm. Mal werde er als als Hacker bezeichnet, mal als Troll.
Mal kennzeichnet mich der @djvde als "Hacker", mal als "Troll". Diese Art, mit Kritik umzugehen, hat CDU-Parteibuchinhaber @ueberalltv wohl von seiner Bundespartei abgeschaut.Er und sein PR-Chef Zörner schaden derzeit dem Journalismus massiv https://t.co/2C77AdDtdl
— Peter Welchering (@welchering) June 11, 2019
Der DJV nannte den Vorwurf parteipolitischer Interessenkonflikte "konstruiert". Kritik werde diskutiert, Überall habe die Landesverbände zum Dialog aufgefordert.
Ja, es gab eine heftige verbandsinterne Kontroverse um die Urheberrechtsreform, auf die @ueberalltv auch reagiert hat. Parteipolitische Interessenkonflikte sind aber schlicht konstruiert. Ihre Vorwürfe sind absolut haltlos.
— Journalisten-Verband (@DJVde) June 11, 2019
Welchering berichtete in einem Tweet vom Mittwochmorgen von Hassanrufen und kündigte an, sein Telefon abzuschalten, weil es ihm "zu widerlich" werde.
Dass solche Artikel immer gleich Hass-Anrufe auslösen. https://t.co/2C77AdDtdlIch schalte mal für heute mein Smartphone ab, wird mir gerade zu widerlich.
— Peter Welchering (@welchering) June 12, 2019
Überall und der DJV-Sprecher Hendrik Zörner hatten sich in der Vergangenheit wiederholt kritisch zu RT Deutsch geäußert und dem Sender am Beispiel des "Falls Lisa" vorgeworfen, Geschichten zu erfinden. Beide mussten ihre Aussagen in der Folge zurückziehen.
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