Deutschland

Berlin: Keine Mieterhöhungen mehr in den nächsten fünf Jahren?

Lange Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen und horrende Mieten: Die Berliner sind sauer. Ein Verzicht auf Mieterhöhungen in den nächsten fünf Jahren soll aus Sicht der Senatsverwaltung helfen. Doch ein Eigentümerverband ruft zu Mieterhöhungen vor der Senatssitzung auf.
Berlin: Keine Mieterhöhungen mehr in den nächsten fünf Jahren?Quelle: Reuters © Fabrizio Bensch

In einer Woche ist es so weit. Dann wird der rot-rot-grüne Senat in Berlin zu einer Sitzung zusammenkommen, und ganz viele Mieter und Eigentümer werden genau hinsehen, was beschlossen wird. Es geht um ein Eckpunktepapier: keine Mieterhöhungen für fünf Jahre. Ausgenommen wären lediglich Neubauwohnungen, die noch nicht vermietet wurden, sowie Sozialwohnungen, für die eigene Regelungen gelten. Zwischen 1,5 bis 1,6 Millionen Wohnungen wären laut Mieterverein von der "Mietendeckel"-Regelung in der Hauptstadt betroffen. Doch gehen vor der Entscheidung möglicherweise die Mieten noch einmal nach oben?

Der Berliner Landesverband des Eigentümerverbandes Haus & Grund ruft auf seiner Internetseite genau dazu auf – nämlich die Mieten bis zum 17. Juni zu erhöhen. Das ist der Tag vor der Senatssitzung. Die Eckpunkte könnten dann Grundlage für einen Gesetzentwurf werden. Der Verband sieht nun die "womöglich letzte Chance, die Miete zu erhöhen". Ein Countdown zählt auf der Webseite die Sekunden, Minuten, Stunden und Tage runter.

Der Appell sei ein "verheerendes Signal", sagte Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Mieterinnen und Mieter werden so zum Faustpfand der Immobilienlobby degradiert. Wer Mieterhöhungen gezielt einsetzt, um die Politik auf Kosten von Mieterinnen und Mietern unter Druck zu setzen, entlarvt sich selbst."

"Unverantwortlich" nannte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips, die Aufforderung. "Die Reaktion des Vermieterverbandes zeigt, wie notwendig Regelungen zur Mietenbegrenzung und zur Deckelung der Mieten sind." Rips forderte den Senat auf, zu prüfen, ob der Mietendeckel rückwirkend zu einem bestimmten Stichtag, zum Beispiel 1. Juni 2019, in Kraft gesetzt werden könne. Mietern, die in den nächsten Tagen eine Mieterhöhung erhalten sollten, riet er, diese durch den Berliner Mieterverein prüfen zu lassen. "Die ortsübliche Vergleichsmiete ist die absolute Obergrenze. Mehr darf der Vermieter in einem laufenden Mietverhältnis nicht fordern."

Der Anstieg der Nettokaltmieten verlangsamte sich in der Hauptstadt zuletzt im Schnitt. Stiegen sie zwischen 2015 und 2017 noch um jährlich 4,6 Prozent, legten sie zwischen 2017 und 2019 um 2,5 Prozent zu, wie unlängst aus dem neuen Mietspiegel hervorging. Haus & Grund verteidigte seinen Aufruf. Es gebe bereits vermehrt Anrufe mit der Frage, wo Mieterhöhungsformulare erworben werden könnten. Das Verhältnis zwischen den kleineren Vermietern und Mietern sieht der Verband nicht in Gefahr. "Wenn jetzt eine Mieterhöhung in einem laufenden Mietvertrag ausgesprochen wird, dann kann damit maximal die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht werden", hieß es vom Verband.

Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, nannte die Aktion "reißerisch". Hinweise darauf, dass weitere Verbände oder Eigentümer Ähnliches vorhaben, habe der Mieterverein nicht. Von den mitregierenden Grünen hieß es, es sei durchaus zu befürchten, dass einige Vermieter dem Aufruf folgen werden. Die Sprecherin für Wohnen in der Fraktion, Katrin Schmidberger, betonte zugleich, dass Vermieter, die auf Mieterhöhungen wirklich angewiesen seien, diese nach der Veröffentlichung des Mietspiegels längst ausgesprochen hätten.

In Berlin ist die Wohnungsdebatte schon lange aufgeheizt. Noch in dieser Woche (14. Juni) will eine Bürgerinitiative für ein bundesweit einmaliges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne Unterschriften bei der Senatsverwaltung abgeben. Ein Vorhaben, das die Immobilienbranche zum Kochen brachte. Die FDP als Oppositionspartei spricht sich im Gegensatz zu einem "Mietendeckel" für eine "mietensenkende Neubau-Offensive" aus. Der Vorstand des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, Maren Kern, sagte: "Der Aufruf von Haus & Grund zeigt, wie groß die Verunsicherung angesichts der Mietenpolitik in Berlin mittlerweile ist. Mit dem Mietendeckel wird eine ganze Branche undifferenziert an den Pranger gestellt."

Die Reaktion des Eigentümerverbands Haus & Grund sei erwartbar, sagte Claus Michelsen, Wohnungsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Das ist jetzt ein bisschen die populistische Antwort." Die Kritik sei aber nachvollziehbar. Mit dem Instrument des "Mietendeckels" sollten auch Bestandsmieten gesenkt werden. Das träfe vor allem private Kleinvermieter, in deren Hand ein großer Teil aller Berliner Wohnungen läge.

Als das Eckpunktepapier zum "Mietendeckel" in der vergangenen Woche bekannt wurde, rutschten Aktienkurse großer Immobilienunternehmen ab. Auch am Dienstag kamen die Papiere von Deutsche Wohnen und Ado Properties nicht auf die Beine. Analystin Valerie Guezi von der französischen Investmentbank Exane BNP Paribas geht zwar in einer am Dienstag vorgelegten Studie eher nicht davon aus, dass das geplante Einfrieren der Mieten für fünf Jahre in Berlin umgesetzt wird. Doch angesichts des politischen Drucks sei eine wie auch immer geartete Mietpreisregulierung bereits 2020 wahrscheinlich, schreibt die Expertin in einer Branchenstudie.

Mehr zum Thema"Freier Wohnungsmarkt führt zu Wohnungsnot": Berliner Mieter-Aktivist im Gespräch

(rt deutsch/dpa)

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.