Deutschland

Gewachsene Ungleichheit: DIW-Studie zeigt bei Einkommen eine sich öffnende Schere

Laut einer aktuellen Studie des DIW sind verfügbare Haushaltseinkommen seit den 1990er-Jahren gestiegen, allerdings sehr ungleich. Auch die Armutsrisikoquote ist gestiegen, während Vermögen hierzulande vergleichsweise gering besteuert werden.
Gewachsene Ungleichheit: DIW-Studie zeigt bei Einkommen eine sich öffnende SchereQuelle: www.globallookpress.com

Zwar sind die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland von 1991 bis 2016 im Durchschnitt um 18 Prozent gestiegen. Das verfügbare Einkommen privater Haushalte ist das Einkommen, welches sie für ihren Konsum verwenden oder sparen können. Je nach Einkommensposition fällt dieser Zuwachs aber sehr unterschiedlich aus, wie eine in dieser Woche vorgestellte Studie des DIW zeigt.

Zunächst die guten Neuigkeiten aus den Erhebungen des DIW, welche vor allem die subjektive Einschätzung betreffen. Die Studie erhebt auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Haushaltseinkommen und erkennt im Jahr 2017 im Vergleich zu 2007 und 1997 einen Höchststand. Demnach ist auch der Anteil derjenigen, die sich "große Sorgen" um die eigene wirtschaftliche Entwicklung machen, auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau von 15 Prozent, während dies im Jahr 2006 noch 27,7 Prozent der Bevölkerung ausmachte. Hinsichtlich ihrer Einschätzung der eigenen Nettoerwerbseinkommen gab eine knappe Mehrheit von 55 Prozent der befragten Erwerbstätigen an, dass sie ihren Verdienst als zu niedrig ansehen.

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"Insbesondere Erwerbstätige in den unteren 60 Prozent der Haushalte erwarten wohl eine höhere Beteiligung an den Einkommenszuwächsen", so die Ökonomen.

Denn im Ergebnis ist die Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen seit der Finanzmarktkrise signifikant gestiegen. Menschen mit geringen Einkommen verdienen inzwischen real weniger als in den 1990er-Jahren.

Über den gesamten Zeitraum von 1991 bis 2016 zeigt sich seit der Jahrtausendwende eine sich öffnende Schere. Dabei sind die Einkommen im oberen Bereich der Verteilung am stärksten gewachsen."

Während das Realeinkommen der höchsten Einkommensgruppe um 35 Prozent anstieg, haben beinahe alle anderen Einkommensgruppen weniger profitiert. Die Einkommen der ärmsten zehn Prozent fielen um ganze acht Prozent. Gleichzeitig geht die Steuerbelastung zulasten der niedrigeren Einkommensgruppen – diese stieg um um 5,5 Prozent an, während die reichste Einkommensgruppe um 2,3 Prozent der Steuerabgaben entlastet wurde, was der Allgemeinheit in keinster Weise zugutekommt.

Die Entlastung der höheren Einkommen hat keine positiven Effekte für die Wirtschaft", so Marcel Fratzscher, Präsident des DIW. "Dieses zusätzliche Einkommen geht nicht wieder in den Konsum, sondern wird gespart oder in Immobilien investiert."

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Deutschland verfehlt wiederholt UNO-Ziele

Deutschland verfehlt damit die Ziele der UNO zur Reduktion von Einkommensungleichheit. Eine der UN-Vorgaben zur Messung des gesellschaftlichen Fortschritts alternativ zum Bruttoinlandsprodukt besagt, dass der Einkommenszuwachs der ärmsten 40 Prozent einer Bevölkerung höher sein soll als das durchschnittliche Einkommensplus der Gesamtbevölkerung. Denn allein aus der Reduktion des Grades an Ungleichheit kann nicht auf eine Verbesserung der Wohlfahrt einer Gesellschaft geschlossen werden.

Im Zeitraum von 2010 bis 2016 wurde dieses Ziel in Deutschland wiederholt verfehlt, denn ab dem Jahr 2011 blieb der Einkommenszuwachs der 40 Prozent mit den geringsten Einkommen hinter dem durchschnittlichen Einkommensanstieg der Bevölkerung zurück; im Jahr 2014 war er gleich hoch.

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Aktuell sind der Studie zufolge hierzulande 13,5 Millionen Menschen in Deutschland von Armut bedroht. Erwerbstätigkeit allein ist nicht mehr ausreichend, um vor Einkommensarmut zu schützen. Wenn in einem Haushalt nur eine Person einer Beschäftigung nachgeht, so hat sich seit 1991 das Armutsrisiko für diesen Haushaltstyp verdoppelt.

Insbesondere in städtischen Regionen hat die Zahl der Bezieher niedriger Einkommen stark zugenommen. Um dem entgegenzusteuern, bedürfe es unter anderem höherer Lohnabschlüsse oder eines Zurückdrängens von Minijobs. Daneben fehle es zunehmend an bezahlbarem Wohnraum.

Es gibt in Deutschland immer mehr Personen mit Niedrigeinkommen, aber gleichzeitig fehlt es zunehmend an bezahlbarem Wohnraum. Die Politik ist gefordert, dieser Diskrepanz durch zum Beispiel mehr Sozialbauten zu begegnen", so Markus M. Grabk, einer der Autoren der Studie.

In dieser Woche hat die Bundesregierung beschlossen, Haushalten mit geringem Einkommen mit mehr Wohngeld zu helfen. Die DIW-Studie beschreibt jedoch auch eine Problematik, welche damit nicht behoben wird: Während Vermögende derzeit 39 Prozent mehr an Mieteinnahmen verdienen im Vergleich zu 2010, hat das Armutsrisiko in städtischen Regionen infolge der drastisch gestiegenen Mieten ebenfalls zugenommen.

Vor dem Hintergrund der umstrittenen Aussagen des Juso-Chefs Kevin Kühnert zur Kollektivierung von Privateigentum sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher:

Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte. Ich teile nicht die Kritik Kühnerts, zu sagen, wir brauchen eine sozialistische Marktwirtschaft. Aber es gibt viel Missbrauch in der Sozialen Marktwirtschaft, wenn man sich die Diskussionen um Mietpreise und Wohnungsmarkt anschaut."

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