Deutschland

Debatte um Organspenden – Alle Volljährigen bis auf Widerruf Organspender

Am Montag wurde der neue Gesetzentwurf von Jens Spahn vorgestellt, der darauf abzielt, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Nach den Plänen des Gesundheitsministers wird jeder, der nicht widerspricht, zum Organspender. Kritik kommt von Patientenschützern.
Debatte um Organspenden – Alle Volljährigen bis auf Widerruf Organspender Quelle: Reuters © Fabrizio Bensch

Im vergangenen Jahr war die Zahl der Organspenden zwar erstmals seit langem wieder deutlich auf 955 Spender gestiegen – allerdings warten rund 9.400 Patienten auf Spenderorgane. Diese große Lücke gelte es zu schließen, erläuterte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Die vorgeschlagene Neuregelung dafür sei unbürokratisch, ethisch vertretbar, effizient und sicher. 

Nach den Plänen einer Gruppe von Bundestagsabgeordneten würden alle volljährigen deutschen Staatsbürger zu Organspendern, bis sie dies widerrufen. Hierfür wurde am Montag der erste Gesetzentwurf vorgestellt. Die fraktionsübergreifende Gruppe schlägt eine "doppelte Widerspruchslösung" vor. Damit wäre automatisch jeder Spender, man könnte aber noch ablehnen. Ferner ist vor der Entnahme – als doppelte Schranke – bei Angehörigen nachzufragen. Von Patientenschützern und anderen Abgeordneten kam Kritik.

Die Widerspruchslösung kehrte die bisherige Entscheidungslösung um, nach der Organ-Entnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung zulässig sind. Künftig müsste man demnach ausdrücklich seinen Widerspruch erklären und dies in einem neuen zentralen Register speichern. Bei einer möglichen Transplantation würde ein Arzt dort abfragen, ob es eine Erklärung gibt. Ist das nicht der Fall und liegt sonst kein schriftlicher Widerspruch vor, soll der nächste Angehörige gefragt werden – aber nicht nach seiner eigenen Entscheidung, sondern ob er einen schriftlichen Widerspruch oder einen Willen des Verstorbenen kennt.

Geplant ist eine große Informationskampagne für eine neue Regelung, außerdem soll jeder Bürger ab 16 Jahren dreimal direkt mit Informationen angeschrieben werden. Entscheidungen zur Organspende sollen jederzeit geändert werden können.

Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein: 

Es wird niemand zu irgendetwas gezwungen.

Die Linken-Abgeordnete Petra Sitte sprach von einem "solidarischen Akt" gegenüber den Mitmenschen. 

Wenn Minderjährige als Spender infrage kommen, soll eine Entnahme nur zulässig sein, wenn ein Erziehungsberechtigter, also wohl meist die Eltern, zugestimmt hat. Bei Menschen, die die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht erkennen können – etwa wegen einer geistigen Behinderung – sollen Organspenden grundsätzlich unzulässig sein.

Der Gesetzentwurf soll in den Bundestag eingebracht werden, der dann ohne Fraktionszwang über eine Reform entscheiden soll. Es ist aber nicht der einzige Vorstoß. Eine ebenfalls fraktionsübergreifende Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock schlägt verbindliche regelmäßige Befragungen der Bürger vor, etwa bei der Beantragung von Ausweisdokumenten, und lehnt eine Widerspruchslösung strikt ab.

Deutsche Stiftung für Patientenschutz warnt vor Aufgabe der Freiwilligkeit

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor einer Aufgabe der Freiwilligkeit. Die Widerspruchslösung setze darauf, dass die meisten sich nicht mit der Frage beschäftigen, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. "Schweigen heißt aber nicht Zustimmung." Es sei ethisch besonders wertvoll, anderen Menschen ein Organ zu schenken. "Doch dieses Geschenk ist nicht mit der Brechstange zu erzwingen." Der Vorsitzende des Ethikrats, Peter Dabrock, sagte im Deutschlandfunk, der Vorstoß beschädige Vertrauen:

Damit wird für mich der Körper nach dem Hirntod zu einem Objekt der Sozialpflichtigkeit.

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hob hervor, dass sich die Menschen bei der doppelten Widerspruchslösung bewusst mit der Frage auseinandersetzen müssten, ob sie spenden wollen. Bei dem hochsensiblen Thema sei eine besonnene Diskussion nötig. Unabhängig von dieser Debatte gelten seit Montag neue Regeln, um die Bedingungen für Organspenden in Kliniken mit mehr Geld und Zeit für Transplantationsbeauftragte zu verbessern.

Spahn betonte, es sei keine Organ-Abgabepflicht, wenn man begründungslos widersprechen könne. Es gehe aber um eine Verpflichtung, sich mit der Frage zu beschäftigen. Spahn betonte, dass es in 20 von 28 EU-Staaten Widerspruchslösungen gebe.

(rt deutsch/dpa)

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