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Lückenpresse: Die Deutsche Presse-Agentur dpa und der Rüstungsexportbericht 2018

Die dpa ist die größte Nachrichtenagentur in der Bundesrepublik und versorgt praktisch alle deutschen Medien. Doch die Meldungen der dpa sind mit Vorsicht zu genießen. Das neueste Beispiel liefert die Berichterstattung zum Rüstungsexportbericht 2018.
Lückenpresse: Die Deutsche Presse-Agentur dpa und der Rüstungsexportbericht 2018Quelle: www.globallookpress.com

von Florian Warweg

In der Selbstdarstellung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) heißt es: 

Die dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH ist der unabhängige Dienstleister für multimediale Inhalte. Die Nachrichten­agentur versorgt als Marktführer in Deutschland tagesaktuelle Medien aus dem In- und Ausland.

Doch die Frage, wie unabhängig und professionell die dpa tatsächlich agiert, begleitet die Agentur seit den 1960er Jahren. Das neueste Beispiel, wie tendenziös und selektiv die dpa teilweise berichtet, bietet deren Tickermeldung zur Vorstellung des renommierten Rüstungsexportberichts 2018 durch die "Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung" (GKKE), ein Arbeitsverbund der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland. 

Bei der Vorstellung des Rüstungsexportberichtes am 17. Dezember auf der Bundespressekonferenz (BPK) verurteilte der Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe, der Prälat Dr. Karl Jüsten, insbesondere die Rüstungsexporte "an die sogenannte Jemen-Kriegs-Koalition unter Führung von Saudi-Arabien" und ging hart mit der Bundesregierung ins Gericht: 

Mit ihren Exporten trägt die Bundesregierung zur humanitären Katastrophe bei. Mehr noch: Sie fördert auch den Bruch des Völkerrechts. Während selbst Teile des US-Kongresses die Kriegskoalition in Frage stellen, verstößt die Bundesregierung mit ihrer Exportpolitik gegen die völkerrechtlich verbindlichen Regeln des Arms Trade Treaty, gegen den gemeinsamen Standpunkt der EU zur Ausfuhr von Militärgütern und Militärtechnologie sowie gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Nicht zuletzt missachtet die Bundesregierung ihre eigenen Grundsätzen sowie die Leitlinien zur Krisenprävention und Friedensförderung.

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Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland werfen der Bundesregierung öffentlich die Förderung eines Bruchs des Völkerrechts vor. Keine Kleinigkeit sollte man meinen. Ausländische Nachrichtenagenturen wie AFP sowie die Presseagenturen der katholischen und evangelischen Kirche brachten dieses Zitat auch an prominenter Stelle in ihren Meldungen. Doch nicht so der Marktführer für Pressemeldungen in Deutschland. 

Bei der dpa wird das Zitat des Vorsitzenden der GKKE, honi soit qui mal y pense, nur sehr selektiv wiedergegeben. Alles was der Konsument der dpa-Meldung zu den Aussagen von Jüsten erfährt ist: 

Die Bundesregierung trage mit ihren Rüstungsexporten zur "humanitären Katastrophe" im Jemen bei, sagte der Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Die Bilanz der Koalition in der Rüstungsexportpolitik sei "ernüchternd". 

Wieso zitiert die dpa ausgerechnet "ernüchternd" statt "Bruch des Völkerrechts" und "Verstoß gegen völkerrechtlich verbindliche Regeln und gemeinsamen Standpunkt der EU" oder "Missachtung der Leitlinien zur Krisenprävention und Friedensförderung". 

Die dpa hatte ebenso wie RT, ZDF und die Deutsche Welle einen Redakteur in der Bundespressekonferenz, auf welcher der GKKE-Rüstungsexportbericht vorgestellt wurde.

Doch nur die dpa entschied sich dazu, das Zitat zu ignorieren: Beim ZDF wird das Zitat sogar extra hervorgehoben und auch bei der DW heißt es: 

Damit habe die Bundesregierung zur humanitären Katastrophe im Jemen beigetragen, kritisierte Prälat Karl Jüsten, der katholische Vorsitzende der GKKE. "Mehr noch: Sie fördert den Bruch des Völkerrechts."

Jetzt könnte man argumentieren, alles nicht so tragisch, andere Medien haben den zentralen Vorwurf der GKKE, dass die Bundesregierung durch ihre Exportpraxis den Völkerrechtsbruch im Jemen fördert, ja aufgegriffen. Das stimmt. Allerdings nur Medien, die bei der Vorstellung des Berichts in der BPK präsent waren beziehungsweise, wie etwa Springers Welt, die einfach 1:1 die AFP-Meldung dazu übernommen haben. Das ist aber die Minderheit. Denn AFP führt in Deutschland, ähnlich wie Reuters, eher ein Nischendasein.

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Denn praktisch alle deutschen Rundfunkanstalten und Tageszeitungen greifen im Regelfall auf die Dienste der dpa zurück. Damit ist der Einfluss der dpa auf deutschsprachige Medien und die Möglichkeit zum Agenda-Setting enorm. Ein eklatantes Beispiel aus jüngerer Zeit ist die von der dpa im Juli 2018 verbreitete Falschmeldung "OPCW findet Spuren von Chlorgas im syrischen Duma". Fast alle deutschen Medien übernahmen diese Meldung 1:1 von der dpa:

Doch wie schon im Fall des OPCW-Berichts zur Skripal-Affäre handelte es sich bei diesen Schlagzeilen um Fake News, verbreitet durch die dpa. Denn von einem Chlorgas-Nachweis war und ist in dem OPCW-Bericht nirgends die Rede. 

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Eine groß angelegte Studie der Otto-Brenner-Stiftung vom März 2010 beschäftige sich erstmals eingehend mit der Arbeitsweise der dpa am Beispiel der Finanzmarktpolitik. Die Studie kommt zu einem vernichtendem Gesamturteil:

Im wesentlichen sind es stets die Darstellungen der Regierung, die als Nachrichten angeboten werden. Im weiteren Verlauf der Meldung wird dann in der Regel die Opposition zitiert und gelegentlich am Ende eine außerparlamentarische Stimme. 

In Summa: Die Informationsleistung von dpa in Sachen Finanzmarktpolitik ist hoch defizitär, die Orientierung, die dpa in diesem Zusammenhang gibt, ist Desorientierung, der finanzmarktpolitische dpa-Journalismus ist Trivialjournalismus.

Der Chefredakteur der dpa wies die damalige Kritik empört in allen Einzelpunkten zurück. Doch die 2010 aufgezeigten staatsnahen Tendenzen in der dpa-Berichterstattung und die oft sehr selektive Auswahl an O-Tönen setzen sich 2018 fort. Auch hier ist das Vorgehen der dpa zum Rüstungsexportbericht exemplarisch. RT hatte im Anschluss an die Berichterstattung zum Waffenexportbericht 2018 die dpa angefragt, aus welchen redaktionellen Beweggründen entschieden wurde, den Vorwurf der "Förderung des Völkerrechtsbruchs" durch die Bundesregierung nicht in die dpa-Meldung aufzunehmen.

Die dpa erklärte daraufhin gegenüber RT:

Die dpa hat am 17. Dezember ausführlich über die Kritik der Kirchen an der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung berichtet und dabei Prälat Jüsten, Prälat Dutzmann, die Grünen-Politikerin Keul und Regierungssprecher Seibert zitiert. Auf den Vorwurf der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, dass die Genehmigung des Exports von Patrouillenbooten möglicherweise zum Bruch des Völkerrechts beiträgt, gehen wir bereits im ersten Absatz ein: "Es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass diese Boote an der völkerrechtswidrigen Seeblockade gegen den Jemen beteiligt seien." Jüsten zitierten wir zusätzlich mit dem ebenfalls sehr schwerwiegenden Vorwurf, die Bundesregierung trage zur humanitären Katastrophe im Jemen bei.

Wieder wird jeder Ansatz von Kritik an der dpa-Berichterstattung per se zurückgewiesen. Doch gerade in der Begründung wird die selektive Auswahl an Zitaten deutlich. Wieso wird zur Frage von Rüstungsexporten von vier Oppositionsparteien im Bundestag nur die Vertreterin der Gründen angefragt? Was Kritik an Rüstungsexporten der deutschen Bundesregierung angeht, hat sich beispielsweise die Linkspartei weitaus stärker profiliert als die staatstragenden Grünen. 

Es bleibt festzuhalten, die Einschätzung der Otto-Brenner-Stiftung zur Arbeit der dpa im Bereich der Finanzmarktpolitik lässt sich 1:1 auf die Berichterstattung zur Rüstungspolitik der Bundesregierung übertragen: 

Deutungshoheit [...] hat die Regierung, ihrer Interpretationslinie passt dpa sich an wie der Autofahrer im Nebel dem weißen Mittelstreifen.

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