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Süddeutsche versus Gellermann: Schlechtem SZ-Journalismus folgt juristisches Debakel

Eigentlich ging es in der Sache Hubert Wetzel (SZ) gegen Uli Gellermann nur um den Konjunktiv und Tendenzjournalismus gegen Russland. Bei der SZ beschloss man, in Sachen Feindbildpflege aber noch einen draufzusetzen – auf Kosten der Staatskasse.
Süddeutsche versus Gellermann: Schlechtem SZ-Journalismus folgt juristisches DebakelQuelle: www.globallookpress.com

von Flo Osrainik, München

Es begann mit einem im Was-Wäre-Wenn-Stil geschriebenen SZ-Artikel von Hubert Wetzel – Titel "Goldene Zeiten" – auf der dritten Seite einer SZ-Ausgabe vom Januar 2017 und endete am 21. November 2018 mit einem abrupten Schlusspunkt in der Auseinandersetzung zwischen der SZ (Südwestdeutsche Medienholding) und dem Journalisten Uli Gellermann in München vor Gericht.

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Das Vorspiel

In seinem Was-Wäre-Wenn-Artikel wälzt sich SZ-Mitarbeiter Wetzel schlicht auf Grundlage eines "Schmuddel-Dossiers" (in dem nichts bewiesen ist) eines "ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiters" (in dem nichts bewiesen ist) in einer Konjunktivorgie und Sexfantasien, um via Donald Trump Stimmung gegen Russland zu machen. Denn Russland, also Putin, könnte ja womöglich im Besitz eines Videos mit Sexorgien Trumps sein, als dieser vor Jahren in einem Nobelhotel in Moskau abstieg. Wetzel erwähnt zwar beiläufig, dass davon nichts beweisen sei, legt dann aber in besagtem Stil los, um ins "scheinbar Faktische" driften zu können, indem er den Konjunktiv zur Meinungsmache verwendet.

Denn Putin hätte Trump deswegen ja so gut wie in der Hand, dieser sei im Endeffekt also nur eine Marionette des Kremls ("Damit scheinen die Dokumente genau das zu bestätigen, was die US-Geheimdienste seit Monaten befürchten: Dass die russische Regierung versucht hat, die amerikanische Präsidentenwahl zu manipulieren, um den verhassten Westen zu schwächen").

Auf den SZ-Artikel von Wetzel verfasste der langjährige Journalist und Blogger Uli Gellermann, der bis zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben noch SZ-Abonnent war, einen Kommentar in seinem Blog Rationalgalerie mit dem Titel "Ein postfaktisches Arschloch in der Süddeutschen – Neue Hexenjagd: Donald Trump schlagen und Putin meinen".

Für Gellermann ist diese "Ekel-Methode" der SZ, "die sich für Journalismus ausgibt", in Wahrheit vielmehr "der Zuhälter für bestimmte politische Interessen". In seinem Kommentar analysiert Gellermann dann nicht nur den Text von Wetzel, er wendet auch dessen Stil an. Gellermann schreibt: "Wetzel ist eine echte Schmierblatt-Sau, auch wenn das nicht bewiesen ist, kann es gut sein, dass er auf seinen Artikel onaniert hat." Statt sauber zu recherchieren und zu berichten, würde Wetzel schlicht Meinungsmache betreiben.

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Trump, der zwar ein unangenehmer Oligarch sei, habe zwar noch nicht den "Clinton-Obama-Grad" an Kriegen und Toten wie in Libyen, der Ukraine und Syrien erreicht, dafür aber einen weitaus schlimmeren Fehler begangen, so Gellermann. Denn Trump kündigte in seinem Wahlkampf an, ein "entspanntes Verhältnis zu Russland anzustreben". "Schon der Versuch, vielleicht mal ganz normal mit Putin zu reden, reicht offensichtlich aus, um einen braven Immobilen-Hai zum Gesetzlosen zu stempeln. Das macht das normale Süddeutsche-Arschloch zu einem gefährlichen Hexenjäger, der aus dem Postfaktischen unbedingt in den Prä-Krieg mit Russland rein will", schreibt Gellermann.

Das Nachspiel

Für die SZ-Strategen war das zu viel. Auf Gellermanns Kommentar folgte eine Anzeige des Medienkonzerns gegen Uli Gellermann – wegen Beleidigung. In der SZ-Zentrale wurde also nicht auf Argumente, sondern auf die Justiz gesetzt. Gellermann selbst meinte, neben seiner "kritischen Text-Analyse" auch eine fiktive Geschichte erzählen zu können. "Was wäre, wenn man die Methode, die der SZ-Autor verwendet, bei ihm selbst anwenden würde?" Man also alles so erfände "wie jene Stories, die Wetzel aus unbewiesenem Geheimdienst-Material zusammengeschrieben hat". In der Folge sammelte Gellermann Spenden, um sich gegen die Klage des Medienkonzerns verteidigen zu können. Dabei kündigte Gellermann an, "falls nach Abzug der Kosten Geld übrig sein sollte", dieses an die Obdachlosenhilfe "Die Brücke e.V." zu spenden.

In der ersten Hauptverhandlung am 15. Juni 2018, SZ-Autor Wetzel war nicht anwesend, wurde Gellermann nach Angaben seines Anwalts dann wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt. Ausschlaggebend für das Strafmaß sei "der Umstand, dass die Webseite" Rationalgalerie über eine erhebliche Reichweite verfüge. Der 73-jährige Gellermann hätte die Bezeichnung "postfaktisches Arschloch" gewählt, "um seine Missachtung gegenüber dem Geschädigten Wetzel auszudrücken". Des Weiteren hätte er in seinem Artikel auch die Begriffe "Schmierblatt-Sau" und "Süddeutsche-Arschloch" verwendet. Der erforderliche Strafantrag "wurde in Vertretung des Autors, Herrn Wetzel, durch die Rechtsabteilung der Südwestdeutschen Medienholding" am 17. Januar 2017 form- und fristgerecht gestellt, wie es in der Urteilsverkündung hieß.

Gellermann selbst erklärte , dass es sich bei seinem Artikel um eine satirische Darstellung mit den stilistischen Mitteln des Ursprungsartikels handele und er den SZ-Artikel von Wetzel als unseriös empfinde, was er seinen Lesern so vermitteln wollte, weshalb klar sei, dass er Wetzel, den er gar nicht kenne, auch nicht beleidigen wollte. Also kam es am 21. November 2018 zu einem zweiten Verhandlungstermin in München, denn Gellermann ging es nicht um ein milderes Strafmaß, sondern um einen Freispruch.

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Zur zweiten Verhandlung kam dieses Mal dann auch Zeuge Wetzel – und zwar mit eigenem Rechtsbeistand. Doch bevor (der) Journalist Wetzel gehört wurde, wiederholte Gellermann, dass es ihm ferngelegen habe, Wetzel zu beleidigen, und er vielmehr dessen unsaubere Methode analysiert habe, um klarzumachen, dass Geheimdienste keine Informationen für Journalisten aufbereiten, sondern Interessen vertreten, um Gegner zu diffamieren und Propaganda zu betreiben. Ein Journalist müsse das wissen. Die Begriffe wären auf den Stil subsumiert und eben nicht auf die Person Wetzel bezogen. Dass er das alles auch noch am Beispiel Trump, den er nicht leiden könne, aufzeigt, sei ihm sogar peinlich, so Gellermann. "Ich bin gegen Krieg mit Russland", schließlich hätten wir noch viel mit Russland aufzuarbeiten. Wenn man darüber schreibt, müsse man Fakten verwenden. Der Konjunktiv habe im faktischen Journalismus nichts zu suchen, werde aber dementsprechend angewendet oder auch missbraucht.

Der Höhepunkt

Und dann kam der Betroffene, der SZ-Journalist Wetzel, der in den USA lebt, auch noch zu Wort. Er sei, nachdem er vor knapp zwei Jahren irgendwie auf den Blogeintrag von Gellermann gestoßen war, von der SZ-Ressortleitung verständigt worden, dass die Rechtsabteilung der SZ tätig werde. "Ich habe nichts in die Wege geleitet", so Wetzel zum Richter, der für den Bruchteil einer Sekunde in sich geht, bevor er erklärt: "Somit können wir jetzt aufhören, denn der Strafantrag muss vom Verletzten gestellt werden, das wurde er aber nicht", so der Richter. Und weiter:

Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätten wir das anders lesen können. Das hat mich jetzt auch überrascht.

Es hätte also nie ein Strafbefehl gegen Gellermann erhoben werden und auch zu keinem ersten Prozess kommen dürfen, das Urteil sei aufzuheben, so Gellermanns Anwalt. Auch der Staatsanwalt, der ohnehin noch nichts zu sagen hatte, stimmte dem zu, bevor der Richter verkündete, dass das erste Urteil aufzuheben sei und die Staatskasse die Kosten des Verfahrens trage, da selbst eine nachträgliche Genehmigung durch Wetzel nicht mehr infrage kommen würde.

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Neben Gellermann verließen also auch die Obdachlosen das Münchner Gericht als Sieger, was, in Anlehnung an den Wetzel-Stil, der SZ wohl weniger recht sein dürfte. Beim Prozess war, obwohl Gellermann die Münchner Medien anschrieb, übrigens nicht ein Vertreter der SZ anwesend, und in der SZ-Zentrale hielt man es dann auch für unnötig, auf eine kurze Presseanfrage, wie man denn zum Schmähgedicht von Böhmermann über das türkische Staatsoberhaupt Erdoğan stünde, zu antworten. Bleibt nur zu hoffen, dass der Medienkonzern nicht auch noch auf Hubert Wetzel losgeht, weil dieser ehrlich blieb. Aber der wohnt ja wenigstens in den USA, und beim Springer-Konzern wäre das jedenfalls von Vorteil.

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