Deutschland

Ex-Diplomatin: "Deutschland verstößt mit Teilhabe an US-Atomwaffen gegen Völkerrecht"

Prof. Helga Hörz, die über viele Jahre lang in der Frauenrechtskommission der UN tätig war, sprach mit RT Deutsch über die aktuelle Außenpolitik und den Zustand der Frauenrechte. Deutschland leiste derzeit kaum einen Anteil zur Förderung von Friedensinitiativen.
Ex-Diplomatin: "Deutschland verstößt mit Teilhabe an US-Atomwaffen gegen Völkerrecht"Quelle: Reuters

von Hasan Posdnjakow

Die Ethik-Professorin Helga E. Hörz, geboren 1935 in Danzig, lehrte ab 1974 an der Berliner Humboldt-Universität. Ein Jahr später begann sie, in der UN-Kommission zum "Status der Frau" zu wirken. Dort wurde sie mehrmals zur Vizepräsidentin und Präsidentin gewählt. Sie war an der Leitung mehrerer UN-Weltkonferenzen zur Situation der Frauen beteiligt. Mit der Wiedervereinigung musste sie sowohl ihre Lehrtätigkeit an der Universität als auch in den UN-Gremien einstellen.

Sie waren jahrelang für die DDR im diplomatischen Dienst tätig. Wenn Sie die jetzige Außenpolitik mit der DDR-Außenpolitik vergleichen, was sind die größten Unterschiede?

Die DDR hat eine Politik des Friedenserhalts, der Kooperation mit anderen Staaten vertreten, ganz im Sinne der UNO-Charta. Die BRD, eingebunden in die NATO, verhält sich bei Friedensinitiativen oft mit Stimmenthaltung. Ich möchte das an Beispielen verdeutlichen. Während meiner Tätigkeit in der UN habe ich eine Deklaration über die stärkere Einbeziehung von Frauen in den Friedenskampf eingebracht. Eine Forderung, die schon auf der ersten UNO-Weltfrauenkonferenz 1975 in Mexiko-Stadt im Internationalen Jahr der Frau im Abschlussbericht erhoben wurde. Es gab viel Zustimmung, doch auch heftigen Widerstand dagegen. Von der BRD erhielt ich keine Unterstützung. Endlich befürworteten 1979 130 Staaten der UN die Ausarbeitung einer solchen Deklaration. Die USA und Israel stimmten dagegen, 23 Staaten enthielten sich der Stimme, darunter die BRD. 1982, getragen von 23 Co-Autoren, wurde diese wichtige Deklaration auf der 37. Tagung der UN-Vollversammlung verabschiedet. Das war ein großer Erfolg, aber die Umsetzung erfolgte schleppend oder gar nicht

Am 31.Oktober 2000 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325. Ihr Hauptanliegen ist es zu betonen, wie wichtig die Rolle der Frauen bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung ist. 2005 forderte der damalige Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, Aktionspläne der Mitgliedsstaaten für deren Umsetzung an. 2010 hatten 23 Staaten einen solchen Aktionsplan verabschiedet. Die BRD leistete das erst am 19.12.2012. Über die Erfüllung der in der Resolution enthaltenen Aufgaben und Zielstellungen ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt.

Am 7.7.2017 wurde von 122 Staaten ein Vertrag zum Verbot von Atomwaffen in der UNO verabschiedet. Dieser Vertrag ist völkerrechtlich verbindlich. Die BRD und andere NATO-Mitglieder stimmten dem Vertrag nicht zu, da die nukleare Abschreckung zur Strategie der NATO zählt. Damit verstößt auch die BRD mit der nuklearen Teilhabe in der NATO und der Verfügung über US-Atomwaffen gegen geltendes Völkerrecht.

Einige deutsche "Experten", darunter auch Universitätsprofessoren, fordern mittlerweile für die "Sicherung des Friedens" in Europa eine "deutsche Atombombe." Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Ich trete für ein völliges Verbot von Atomwaffen ein. Der Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki war ein Verbrechen gegenüber Menschen, das sich nie wiederholen darf! In meiner Haltung stütze ich mich auf die kompetenten Aussagen der Göttinger Achtzehn. Unter ihnen sind die Nobelpreisträger Otto Hahn, Max Born, Werner Heisenberg, die führend an der Atomforschung beteiligt waren. Sie lehnten es 1957 ab, bei der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen sich in irgendeiner Weise zu beteiligen. Sie waren bereit, an der friedlichen Verwendung der Atomenergie weiter zu arbeiten.

Der Bürgermeister von Nagasaki begrüßte 2017 die Initiative der Vereinten Nationen. Da immer noch 15.000 Nuklear-Waffen auf der Welt eine Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellen, richtete er einen Appell an die Nuklearstaaten und die Nationen unter dem Nuklearschirm mit der Aussage: "Die nukleare Bedrohung wird nicht enden, solange Nationen für sich in Anspruch nehmen, dass Nuklearwaffen für ihre nationale Sicherheit unentbehrlich sind. Bitte überdenken Sie Ihre Politik, Ihre Nationen durch Nuklearwaffen schützen zu wollen. Der Nichtverbreitungsvertrag (NPT) sollte für alle Mitgliedsstaaten verbindlich sein, um ihre Nuklearwaffenarsenale abzubauen. Kommen Sie bitte dieser Verpflichtung nach."

Wie schätzen Sie aus friedenspolitischer Sicht die aktuelle Russland-Politik des Westens, vor allem der BRD, ein?

Ich vermisse eine konstruktive Einbeziehung Russlands in internationale Problemlösungen. Konfrontationspolitik, Stationierung von NATO-Truppen an den Grenzen Russlands, Embargo, das vor allem ja das einfache Volk trifft, sind eine Fortführung des Kalten Krieges. Das dient weder der Friedenssicherung noch dem Friedenserhalt.

In der UN waren Sie in der Frauenrechtskommission tätig. Mittlerweile werden Auslandseinsätze der Bundeswehr, etwa in Afghanistan, auch damit begründet, dass sie der Stärkung von Frauenrechten in den betreffenden Ländern dienen würden. Wie bewerten Sie das?

Diese Kommission soll mit ihren Dokumenten Diskriminierungen und Benachteiligungen von Frauen entgegenwirken. Aber Zielstellungen in Dokumenten sind nur normative Verpflichtungen. Ihre Auslegung erfolgt in den Ländern unterschiedlich, in Abhängigkeit von den Interessen herrschender Kreise, die die Politik auf allen Gebieten bestimmen. Mut machen Protestaktionen gegen eine frauenfeindliche Politik. Manchmal haben sie Erfolg. UNO-Dokumente helfen ihnen, ihre berechtigten Forderungen zu untermauern. So ist eins der gravierenden Probleme für Mädchen und Frauen der Ausschluss aus Schulbesuchen. Bildung als Menschenrecht ist aber eine Grundforderung für eine humane Gesellschaft. Wird dieses Recht nicht durchgesetzt, wird das Menschenrecht der Frauen verletzt. Der weibliche Teil unter den Analphabeten in der Welt beträgt 60 Prozent. Auch in Afghanistan gibt es noch viele Frauen, die keine Schule besuchen konnten und können. Daran haben Auslandseinsätze, die ja nur der Sicherung friedlicher Verhältnisse dienen sollen, nichts ändern können. Die Taliban, die bisher nicht besiegt werden konnten, lehnen Bildung von Frauen ab. Sie halten an alten Menschenbildklischees fest. Eltern, die ihre Mädchen zur Schule schicken würden, haben Angst, dass die Mädchen überfallen werden und ihnen Gewalt widerfährt.

Wie sehen Sie als Frauenrechtlerin provokante Aktionen von Gruppen wie "Femen"?

Sie machen auf ihre spezifische Art auf existierende Probleme der gesellschaftlichen Stellung von Frauen in ihren Ländern aufmerksam. Damit werden aber keine Ursachen analysiert, noch Wege zur Überwindung von Diskriminierungen aufgezeigt. Neben der Durchsetzung von Gesetzen und entsprechenden gesellschaftlichen Programmen ist das Wissen von Frauen über ihr Menschenrecht notwendig. Auch hier ist Bildung von Frauen und Männern notwendig, um alte Rollenverständnisse zu überwinden und humane Entwicklungschancen für beide Geschlechter zu schaffen. Neue Normen, Werte und Traditionen sind zu entwickeln und auszugestalten.

Wie hat sich die Situation der Frauen im Osten Deutschlands nach 1990 entwickelt?

Vieles, was in der DDR bei der Gleichberechtigung erreicht wurde, wäre bedenkenswert für die Durchsetzung von Frauenrechten als Menschenrechten nach 1990 im wiedervereinigten Deutschland gewesen. Dazu gehören sowohl die gleichen Bildungschancen für alle, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit der Frau und ihrer Mutterschaft, gleicher Lohn für gleiche Arbeit u. a. Die berufliche Tätigkeit machte die Frau ökonomisch unabhängig vom Mann, erzeugte Selbstbewusstsein, weil der Selbstwert als Person erlebt wurde. So kann und wurde eine Frau zum ebenbürtigen Partner des Mannes. Kindererziehung ist dann gemeinsame Aufgabe und entwickelt die Gefühlswelt beider. Es ging in der DDR darum, Bedingungen für die Gleichberechtigung der Frauen zu schaffen. Das war das soziale Ziel des Staates, was Verfassung, Gesetze und Maßnahmen belegen. Im Umgang miteinander wurden gegenseitige Hilfe und Unterstützung immer mehr alltäglich. In dieser Form, die Leistungen der DDR aufzuarbeiten und die Chance zu Veränderungen in der BRD zu nutzen, ist leider nicht erfolgt. Eine Rückentwicklung ist zu konstatieren. Progressive Kräfte müssen sich für die Durchsetzung von Frauenrechten als  Menschenrechte stark machen, um politische Sprechblasen in Tatsachen zu verwandeln.  

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