Deutschland

Tödliches "Made in Germany": Prozess gegen Heckler & Koch wegen illegaler Waffenexporte

Vor dem Landgericht Stuttgart hat der Prozess gegen Verantwortliche des Waffenherstellers Heckler & Koch begonnen. Ihnen werden illegale Exporte von G36-Sturmgewehren nach Mexiko vorgeworfen. Die Angeklagten streiten die Vorwürfe ab. Die Rechtslage ist kompliziert.
Tödliches "Made in Germany": Prozess gegen Heckler & Koch wegen illegaler WaffenexporteQuelle: Reuters © Ralph Orlowski

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat sechs ehemaligen Mitarbeitern der Rüstungsfirma Heckler & Koch mehr als ein Dutzend gewerbs- und bandenmäßiger Verstöße gegen das Waffenkontrollgesetz vorgeworfen.

Zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart sagte Oberstaatsanwalt Karlheinz Erkert, von 2006 bis 2009 hätten die Beschuldigten in 16 Fällen fast 4.500 Sturmgewehre sowie Maschinenpistolen, Munition und Zubehör im Wert von 4,1 Millionen Euro in mehrere Unruhe-Regionen Mexikos geliefert, wohin die Waffen gar nicht hätten exportiert werden dürfen. Die Angeklagten hätten den Export wissentlich organisiert und sich davon "nicht unerhebliche Einnahmequellen versprochen".

Angeklagte: "Waffen gingen an offizielle mexikanische Regierungsstellen"

Mehrere Rechtsanwälte und auch die Angeklagten selbst wiesen die Vorwürfe zurück. Die Ware sei von Deutschland aus in ein Lager der zuständigen mexikanischen Behörde geliefert worden, die sie geordert habe - damit sei die Ausfuhr abgeschlossen gewesen. Der Weiterverkauf der Waffen innerhalb des Landes sei durch die mexikanische Behörde erfolgt. Es stehe nirgendwo festgeschrieben, dass bestimmte mexikanische Regionen nicht beliefert werden dürften. Der Prozess soll am Donnerstag (17. Mai) fortgesetzt werden. Insgesamt sind bis Oktober zunächst 25 Verhandlungstage festgelegt.

Erst vor wenigen Tagen wurde zudem bekannt, dass die im März dieses Jahres im brasilianischen Rio de Janeiro ermordete Aktivistin Marielle Franco offenbar mit einer Maschinenpistole aus dem Hause Heckler & Koch erschossen wurde.

Unbekannte hatten das Feuer auf ihr Auto eröffnet und die Politikerin unter anderem im Kopf getroffen. Franco starb noch am Ort des Geschehens. Laut brasilianischen Medien handelt es sich bei der verwendeten Waffe um eine MP5, eine Maschinenpistole, die neben der G36 von Spezialeinheiten der brasilianischen Polizei benutzt wird. Der Waffenhersteller hatte im Jahr 2016 erklärt, nicht mehr an Brasilien zu liefern.

Die Waffen der Firma aus Oberndorf waren auch bei der Niederschlagung eines Aufstandes im Gefängnis von São Paulo beteiligt, über 100 Gefangene wurden dabei von der Polizei mit MP5-Gewehren erschossen. Jürgen Grässlin und Holger Rothbauer von der Informationsstelle Militarisierung (IMI), die ursprünglich Anzeige erstattet hatten, sowie Aktivisten der sogenannten Anti-Militarisierungsnetzwerke DFG-VK und "Global Net – Stop the arms trade" verwiesen zudem auf einen Vorfall im September 2014 im mexikanischen Bundesstaat Guerrero.

Was wusste das Unternehmen über den weiteren Verbleib der Waffen?

Damals griffen Polizeikräfte Studenten in Ayotzinapa an und verschleppten 43 von ihnen. Sie sind nach wie vor verschollen und mutmaßlich ermordet worden. Dabei sollen die Sicherheitskräfte "nachweislich G36-Schnellfeuergewehre aus deutscher Herstellung" eingesetzt haben, die gemäß der offiziellen Genehmigungen nie nach Guerrero hätten gelangen dürfen, heißt es aus den Reihen von IMI, die mittels ihrer gesammelten Unterlagen dazu beigetragen hatte, dass das Verfahren eingeleitet wurde.

Obwohl all dies bekannt ist, bereitet die juristische Aufarbeitung dennoch Probleme. Im Kern geht es um die sogenannte Endverbleibserklärung. Sie wird von jenem Staat ausgegeben, der die Waffen kauft und mit ihr wird bestätigt, dass diese Waffen dann nicht an Drittländer weiterverkauft werden.

Im Falle von Mexiko regelten diese Erklärungen jedoch der Anklage zufolge auch, dass die Waffen nicht in verschiedene Bundesstaaten des Landes geliefert werden dürfen, weil dort die Menschenrechte nicht gewahrt seien und sich Drogenbanden bekämpften. Inwieweit die Angeklagten Kenntnis davon hatten und wissentlich gehandelt haben, muss nun ebenso geklärt werden wie die Rolle, die das Unternehmen Heckler & Koch selbst gespielt hat.

Auch die deutschen Genehmigungsbehörden werden Thema der juristischen Aufarbeitung sein: Das Bundeswirtschaftsministerium, das Ausfuhrgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz erteilt oder verweigert, sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das die Einhaltung der Genehmigungen überwacht.

Ermittlungen gegen Beamte wurden bereits eingestellt

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Die Linke), der die Verhandlung als Waffenexperte für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfolgt, war enttäuscht, dass die Verantwortlichen aus den Genehmigungsbehörden nicht auf der Anklagebank sitzen.

Jetzt kann Heckler & Koch alles auf die Beamten schieben. Deren Taten sind verjährt, und am Ende kommen vielleicht alle ungestraft davon", sagte er.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hingegen wies darauf hin, dass man bereits vor Jahren geprüft habe, ob gegen die Beamten ein Anfangsverdacht bestehe. Das habe sich jedoch nicht bestätigt, so dass die Ermittlungen eingestellt worden seien.

Die Meldungsleger von IMI und weitere Aktivisten werden von allen Prozesstagen in mehreren Sprachen berichten. Sie hoffen, weltweit Aufmerksamkeit zu erlangen. "Wer illegal Tötungsmaschinen in ein Krisengebiet ausführt und damit die Ermordung Unschuldiger mitverantwortet, der wird gemäß Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz mit langjähriger Haft bestraft", so eine Pressemitteilung der Aktivisten.

Heckler & Koch mit Sitz in Oberndorf in Baden-Württemberg ist ein bedeutender Waffenlieferant: Unter anderem gehört das Sturmgewehr G36 zur Standardausrüstung der Bundeswehr. Auch die Streitkräfte aus zahlreichen NATO-Staaten beziehen Waffen aus dem Schwarzwald.

(rt deutsch/dpa)

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