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Dutschke-Attentat: Diese Schüsse trafen die APO vor 50 Jahren ins Herz

Vor 50 Jahren wurde der linke Studentenführer Rudi Dutschke niedergeschossen, er starb Jahre später an den Folgen. Das Attentat befeuerte die Gewaltdebatte und hatte - wie kurz danach die Gründung der RAF - großen Anteil an der Spaltung der Studentenbewegung.
Dutschke-Attentat: Diese Schüsse trafen die APO vor 50 Jahren ins HerzQuelle: www.globallookpress.com

Ende der 1960er-Jahre schreiben sich zwei Todgeweihte: "Selbstmord ist feige - besonders, wenn man ein langes Leben vor sich hat. Mit Sicherheit werden Sie in nicht allzu langer Zeit ein freies und neues Leben beginnen können." Der das schreibt, ist Rudi Dutschke, linker Studentenführer, der 1968 auf offener Straße niedergeschossen wird und elf Jahre später den Folgen der Verletzungen erliegen soll. Und der Empfänger ist Josef Bachmann, der Attentäter, ein 23-jähriger Hilfsarbeiter, der im Gefängnis mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen.

Wohl auch wegen Bachmanns sozialem Status belehrt ihn Dutschke über "die Schweine der herrschenden Institutionen". Außerdem verspricht er, dass die Studentenbewegung sich künftig um die Belange der "abhängigen Massen unseres Volkes" kümmern wolle - schon damals hatte die Linke scheinbar ein Problem damit, aus ihrem Elfenbeinturm heraus die Benachteiligten zu erreichen. In einem Brief von 1969 antwortet Bachmann: "Ich möchte nochmals mein Bedauern über das aussprechen, was ich Ihnen angetan habe." Im Februar 1970 zieht sich Bachmann in seiner Zelle eine Plastiktüte über den Kopf und stirbt.

Ein Attentat als brutale Zäsur

Josef Bachmanns Schüsse auf Rudi Dutschke vom 11. April 1968 bedeuteten für die Studentenbewegung, die sich zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Höhepunkt befand, eine brutale und zerstörerische Zäsur. Denn gemeinsam mit dem kurz zuvor von Andreas Baader und Gudrun Ensslin verübten Brandanschlag auf ein Kaufhaus in Frankfurt am Main führte das Dutschke-Attentat zu einer massiven Befeuerung der Gewaltdebatte in der Außerparlamentarischen Opposition (APO): Zum einen, weil Rachereflexe eine "harte Reaktion" auf das Attentat vorschrieben. Zum anderen, weil sich die Szenemitglieder nun an der Frankfurter Gründungstat der "Rote Armee Fraktion" (RAF) messen lassen mussten. Die Folge: Spaltung und Minimierung bis zur Irrelevanz.

Das spaltende Gift der Militanz äußerte sich in den folgenden Jahren nicht nur in Form der kontraproduktiven Anschläge und Entführungen der RAF, sondern auch in Form von hasserfüllten Debatten zwischen jenen, die Gewalt als Mittel ablehnten, und jenen, die sie anwenden wollten und mit großer Arroganz auf die Gewaltfreien herabsahen.

Kein Terrorist

Der charismatische und scharfsinnige, aber auch oft komplex formulierende Dutschke hat zwar immer auf die öffentlichkeitswirksame Provokation als Mittel des politischen Kampfes gesetzt, auch um gegen die "gleichgeschaltete bürgerliche Presse" anzukommen. Terror aber hat er nie propagiert. Insofern ist die von konservativer Seite bis heute praktizierte Diffamierung Dutschkes als "Wegbereiter des RAF-Terrors" falsch. Eher könnte man seinen Attentäter als solchen bezeichnen.

Welche weiteren dubiosen Parteien in die Förderung der Gewalt Ende der 60er-Jahre verwickelt waren, ist bis heute nicht geklärt. Allerdings wurden der RAF ihre ersten Waffen mutmaßlich von V-Leuten des Verfassungsschutzes zugespielt. Nach dem Dutschke-Attentat gab es als Reaktion eine Anti-Springer-Demonstration, die in bis dahin beispielloser Randale endete. Die dabei verwendeten Molotowcocktails hatte ebenfalls ein mutmaßlicher Verbindungsmann des Geheimdienstes verteilt.

Die Schüsse lassen Dutschke nie wieder los

Rudi Dutschke wurde 1940 in Brandenburg als Sohn eines Postbeamten geboren und wollte zunächst Sportjournalist werden. Da ihm aber als Kriegsdienstverweigerer der Zugang zur Universität verwehrt wurde, ging er 1961 nach West-Berlin, wo er Soziologie studierte.

Bald nach Studienbeginn begann Dutschke mit seinem politischen Engagement, und innerhalb weniger Jahre stieg er zum führenden Kopf des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes auf. Der begabte Redner prägte zu Zeiten der Großen Koalition die APO und avancierte zum Idol der Studentenbewegung. 

Das Attentat zwang Dutschke zu einem langen Klinikaufenthalt in London, er musste wegen Verletzungen am Gehirn neu lernen, zu sprechen. 1972 kehrte der Aktivist nach Deutschland zurück und engagierte sich dann auch in der Umweltbewegung. An Heiligabend 1979 starb er unerwartet an den Spätfolgen des Attentats. Er hinterließ eine Frau und drei Kinder.

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