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Jens Spahn: Vom Pharmalobbyisten zum CDU-Hoffnungsträger

Wie ist es um die Christdemokratie bestellt, wenn die Ernennung Jens Spahns zum designierten Gesundheitsminister als Zeichen einer "konservativen Erneuerung" innerhalb der CDU gilt? Die Tätigkeit als Pharmalobbyist scheint dazu zumindest nicht im Widerspruch zu stehen.
 Jens Spahn: Vom Pharmalobbyisten zum CDU-HoffnungsträgerQuelle: www.globallookpress.com

Schon seit Jahren gilt Spahn als Anwärter auf den Posten des Gesundheitsministers, und nun ist ihm der Streich gelungen, auch wenn er seine Ernennung der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel überließ. Nicht umsonst werteten Beobachter deren Entscheidung daher weniger als geschickten Schachzug denn als Zeichen der Schwäche Merkels.

Im Vorfeld seiner Ernennung profilierte sich der designierte Bundesgesundheitsminister immer wieder als "Merkel-Kritiker". So sprach er etwa auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise von "einer Art Staatsversagen". Doch auch auf anderen Gebieten gab sich Spahn bereits als Kenner der Materie aus. So etwa im Jahr 2013, als er mit dem Satz "Solche Pillen sind schließlich keine Smarties" eine Rezeptpflicht für die sogenannte "Pille danach" forderte.

Als Leisetreter gilt der als "konservativer Hoffnungsträger" gehandelte Spahn ohnehin nicht. So soll der 37-Jährige bereits auf dem Gymnasium als Berufswunsch Bundeskanzler angeben habe.

Mit einem für einen ambitionierten Politiker nicht unwichtigen Gespür für Stimmungen wandte er sich darüber hinaus auch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, forderte ein Burka-Verbot oder ein Islam-Gesetz. Über Sinn und Unsinn der Spahnschen Forderungen lässt sich wohl genauso trefflich streiten wie über die eigentlichen Motive Spahns, derlei emotional aufgeladene Themen aufzugreifen, die zudem außerhalb seines eigentlichen Ressorts lagen.

So viel Freiraum dürfte ihm der neue Posten als Gesundheitsminister nicht mehr bieten. Nun wird er sich womöglich mit der SPD über die Finanzierung des Gesundheitssystems streiten und der Bevölkerung zähe Kompromisse präsentieren müssen, die sich nicht so gut verkaufen lassen.

Vielleicht zählt dies zum Kalkül Merkels, um ihren parteiinternen Kritiker an die Leine zu nehmen. Auch der Pflegenotstand wird auf dem Aufgabenzettel des designierten Ministers stehen. Der SPD-Fachpolitiker Karl Lauterbach ließ bereits durchblicken, dass es dabei vor allem auf Taten und weniger auf Worte ankommen werde:

Im Gesundheitsministerium zählt das Handwerk, die Gesetze müssen funktionieren. Darauf haben wir in der Vergangenheit immer sehr viel Wert gelegt. Darauf wird es auch für ihn ankommen.

Spahn kündigte bereits Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege an. Er wolle dafür sorgen, dass der Beruf attraktiver werde, sagte er:

Wir werden die Ausbildungskapazitäten erhöhen, die Bezahlung und die Tarifbindung in der Pflege verbessern.

Pflege sei das große Thema, "das jeden in Deutschland bewegt". Das sah auch bereits Angela Merkel so. Immerhin machte diese den Pflegenotstand als einen der Gründe für den enormen Wahlerfolg der AfD bei den vergangenen Bundestagswahlen aus.

Konservativ ist er, über die notwendige Expertise verfügt er ebenfalls, doch ob er bei seiner Arbeit stets vom gesundheitlichen Wohl der Bürger getrieben ist, steht auf einem anderen Blatt.

Zumindest ruht Spahns Kompetenz im Gesundheitssektor auch auf einem anderen Fundament. So gründete der bisherige parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium 2006 mit dem befreundeten Lobbyisten Max Müller und dem Leiter seines Abgeordnetenbüros Markus Jasper eine "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR), der wiederum die Agentur "Politas" gehörte.

Laut dem Nachrichtenmagazin Focus beriet Politas schwerpunktmäßig Kunden aus dem Pharma- und Medizinsektor. Politas warb demnach mit guten Kontakten zum Bundestag:

Ganz gleich, ob es um eine Anhörung, ein Hintergrundgespräch oder um eine Plenardebatte geht: Wir sind für Sie dabei.

Obwohl im selben Zeitraum bereits einer der führenden CDU-Gesundheitspolitiker, konnte Spahn keinerlei Interessenkonflikt ausmachen. Seine unbefriedigende Verteidigung ließ etliche Fragen offen. So etwa über die Politas-Kunden. Spahn erklärte lediglich, dass Kunden aus unterschiedlichen Branchen in landes-, bundes- und europapolitischen Fragestellungen beraten worden seien. Auch über seine Beziehung zu seinem Lobby-Kompagnon Max Müller verlor er kein Wort.

Müller und Markus Jasper hatten neben Politas mindestens zu einer zweiten Lobbyagentur "Kontakt", der im Jahr 2002 gegründeten KPW. Nach Informationen von Lobbycontrol war Müller bis Anfang 2008 deren Geschäftsführer, bevor er Cheflobbyist für den Pharmagroßhändler Celesio wurde. Im Oktober 2008 folgte demnach Spahns Büroleiter Markus Jasper als Geschäftsführer.

Der Chef der Linkspartei Bernd Riexinger erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Spahn in seiner ehemaligen Funktion als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU "der Türöffner für die Pharmaindustrie" gewesen sei. Zumindest nach Ansicht Riexingers könnte die Pharmalobby womöglich bald über "einen dienstwilligen Fürsprecher im Kabinett" verfügen.

Bereits 2005 war Spahn an wichtigen gesundheitspolitischen Entscheidungen beteiligt, bei denen er marktradikale Tendenzen erkennen ließ, etwa wenn es um milliardenschwere Einschnitte im Gesundheitssektor ging. Im Jahr 2008 machte er sich dann zusammen mit dem FDP Europa-Politiker Jorgo Chatzimarkakis für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes stark.

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Lobbypedia.de informiert des Weiteren über eine mutmaßliche Nähe Spahns zum Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Demnach übernahmen Spahn und Johannes Singhammer (CSU) im November 2012 ein Positionspapier der CDU/CSU gegen die von den Grünen geforderte Bürgerversicherung wortwörtlich von der PKV. So etwa die PKV-Passage zum "schönen Namen 'Bürgerversicherung'", hinter der sich demnach allerdings das Gegenteil verberge:

(...) ausnahmslose Zwangsmitgliedschaft, mehr staatliche Bevormundung und Bürokratie, beschränkter Leistungskatalog für alle, weniger Selbstbestimmung, weniger Wettbewerb, keine Nachhaltigkeit.

Die von der SPD gewünschte sogenannte Bürgerversicherung ist nach zähen Verhandlungen kein Teil des erarbeiteten Koalitionsvertrag, den sowohl CDU/CSU als auch die Genossen der SPD als Erfolg verbuchen. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach will jedoch weiter für das Projekt kämpfen.

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