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Bundeswehr-Studie 2017: Mehr Geld für die "kleinste Bundeswehr aller Zeiten"

Der Jahresbericht 2017 zur Bundeswehr beklagt schlechte Ausstattung und systematische Unterfinanzierung der deutschen Streitkräfte. "Die Linke" beklagt eine falsche Ausrichtung der Bundeswehr, für FDP und AfD liegt das Problem vor allem im "Kaputtsparen".
Bundeswehr-Studie 2017: Mehr Geld für die "kleinste Bundeswehr aller Zeiten"Quelle: AFP

Eine "dramatisch schlechte" Material- und Personallage bemängelte am Dienstag der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels (SPD), bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2017. In allen Bereichen der Bundeswehr hat der Wehrbeauftragte auf "große Lücken bei Personal und Material" verwiesen. Oberhalb der Mannschaftsebene seien 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt, stellt Bartels fest:

Weil so viel Personal fehlt, bleibt der Dienst, der zu tun ist, an den Soldatinnen und Soldaten hängen, die da sind. Das führt nicht selten zu Überlastung und Frustration.

Auch die Materiallage sei noch schlechter geworden. Am Jahresende waren sechs von sechs deutschen U-Booten außer Betrieb. "Zeitweise flog von mittlerweile 14 in Dienst gestellten Airbus A400M keine einzige", klagte der Wehrbeauftragte in der Bundespressekonferenz. Die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angestoßenen Trendwenden seien zu begrüßen. "Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser", sagte der SPD-Politiker, nachdem er seinen Bericht an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) überreicht hatte.

Mehr Geld für die "kleinste Bundeswehr aller Zeiten"

Es gehe heute nicht mehr nur noch um eine Hauptaufgabe der kollektiven Verteidigung, wie es vor 1990 der Fall gewesen sei. Die Aufgabengebiete der "kleinsten Bundeswehr aller Zeiten" seien gewachsen, erklärte Bartels und zählte auf:

Dreizehn mandatierte Auslandseinsätze von Mali bis Afghanistan. Gleichzeitig die Beteiligung an der kollektiven Verteidigung in Europa mit der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), der NATO Response Force (NRF), den ständigen NATO-Flottenverbänden, dem Air Policing im Baltikum und dem NATO-Bataillon in Litauen.

Die Probleme der Mangelwirtschaft, der überlangen Instandsetzungszeiten und der systematisch fehlenden Ersatzteile würden Heer, Luftwaffe und die Streitkräftebasis gleichermaßen betreffen. Ursache dafür seien "die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform 2011", bemerkt Bartels und fordert mehr Geld für die Verteidigung. Im Haushaltsplan würde bisher noch nichts "substanziell Zusätzliches" stehen, so der Wehrbeauftragte.

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Nach dem Fall der Mauer 25 Jahre sei lang "Friedensdividende" gezahlt und damit Bundeswehr und Verteidigungsetat verkleinert wurden, schreibt das Portal PROnline, unter anderem von rund 500.000 auf unter 190.000 Soldaten sowie von 28 auf 23 Milliarden Euro. Im Laufe dieser Wahlperiode solle der Wehretat wieder auf über 40 Milliarden Euro steigen. Einschneidende Bundeswehrreformen würden aber selten vollständig umgesetzt, bevor schon die nächsten beschlossen werden. So entstand ein Mechanismus, der umso mehr klemmte, je mehr Aufgaben die Bundeswehr übernehmen sollte. Auch die Industrie habe ihre Kapazitäten heruntergefahren, so dass die Lieferung eines kleinen, aber wichtigen Ersatzteils bis zu drei Jahre dauern kann.

Alexander Neu: Alles PR-Kampagne der Verteidigungministerin

Die geplante Aufstockung stößt bei der Partei "Die Linke" auf scharfe Kritik. "Wenn ein jährlicher Verteidigungsetat von gut 40 Milliarden Euro (nach NATO-Kriterien) nicht ausreicht, um die Bundeswehr einsatzfähig zu halten, dann hat entweder das Verteidigungsministerium bei der Planung und Kalkulation völlig versagt, oder – und das ist deutlich wahrscheinlicher – man braucht schlichtweg einen Vorwand, mit dem man die stetige Erhöhung des Militäretats und die allmähliche Anpassung an die NATO-Forderung von zwei Prozent des BIP vor der Bevölkerung rechtfertigen kann. Auf diese PR-Kampagne der Verteidigungsministerin fallen wir nicht herein", erklärt Alexander Neu, Linkspartei-Mitglied und Obmann im Verteidigungsausschuss, zu den aktuellen Diskussionen über Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr.

Matthias Höhn, sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, ergänzte in einer Pressemitteilung der Linksfraktion:

Dass es Ausrüstungsmängel gibt, mag unbestritten sein. Sie sind jedoch nicht die Folge von zu wenig Geld, sondern von der grundlegend falschen Ausrichtung der Bundeswehr. Wer die Übernahme von globaler Verantwortung mit ständig neuen Militäreinsätzen verwechselt und sich sowohl in der NATO als auch in der EU als militärische Führungsmacht profilieren will, der braucht sich nicht wundern, wenn er sich am Ende verzettelt. Der Leidtragende ist mal wieder der Steuerzahler, der diese Misere nun mit noch mehr Milliarden ausbaden soll.

FDP und AfD: "Mehr Steuergelder für Verteidigung"

Mehr Investitionen in den Personalaufbau der Bundeswehr aus dem Steuertopf fordert hingegen die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann:

Der Jahresbericht zeigt in erschreckender Weise, wie schlecht es um unsere Bundeswehr nach Jahren des Kaputtsparens bestellt ist. Neben den inakzeptablen Mängeln bei der Ausstattung wurden viel zu viele Expertenstellen im zivilen Bereich abgebaut, deren Fachwissen an allen Ecken und Enden fehlt. Anstatt das interne Wissen und den Personalaufbau der Bundeswehr zu stärken, werden weiterhin Steuergelder in externe Beratungsunternehmen gesteckt.

"Die Bundeswehr ist in weiten Teilen nicht einsatzbereit", sagte Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD. "Vor 30 Jahren hätte ein solcher Zustand eine Sondersitzung des Bundestages zur Folge gehabt. Heute hingegen scheint sich daran weder in der Bundesregierung noch in den Reihen der Regierungsparteien jemand ernsthaft zu stören." Lucassen forderte neben einem höheren Wehretat einen Rüstungsbericht, "der die erforderlichen Maßnahmen aufzeigt, um eine 80-prozentige Verfügbarkeit des Großgerätes gemessen am Soll sicherzustellen".

Einsatzbereitschaft im Osten  

Es ist gut bekannt: Von der Leyen hat mit ihrem Stab mehrere "Trendwenden" beschlossen, um bei Personal, Material und Finanzen Schritt für Schritt Verbesserungen zu erreichen. Allerdings rechnet das Ministerium damit, dieses Ziel erst 2030 zu erreichen. Auch der Wehrbeauftragte Bartels beklagt, dass Ankündigungen noch keine Umsetzung seien. Im Haushalt zeichne sich das versprochene Plus an Mitteln noch nicht ab. Im neuen Koalitionsvertrag ist nur die Rede von einer Milliarde Euro, verknüpft mit der Absicht, freiwerdende Spielräume "prioritär" für Bundeswehr und Entwicklung zu nutzen.

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Bezüglich der Vorbereitungen mehrerer tausend Soldaten auf eine erhöhte Einsatzbereitschaft für die NATO im Osten habe die Bundeswehrführung versprochen, bis Juni alle Lücken zu füllen und das Material - vom Panzer bis zum Zelt - aus anderen Truppenteilen abzuziehen oder zu kaufen. Der Wehrbeauftragte berichtet auch vom Wunsch vieler Soldaten nach "sichtbaren, spürbaren Verbesserungen" bei der Ausrüstung.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags legt einmal im Jahr bestehende Defizite in der Truppe offen und gilt somit als "Anwalt der Soldaten". Jedes Jahr erreichen ihn zahlreiche Beschwerden und Anliegen von Soldaten. Bartels zählte im vergangenen Jahr 2.528 schriftliche Eingänge. 2016 waren es 3.197. (rt deutsch/dpa/sputnik)

 

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