Deutschland

Deutschlands erste "Schwarze Kinderbibliothek" eröffnet in Bremen

Müssen die Helden in Kinderbüchern eigentlich immer weiß sein? Natürlich nicht, schreibt das Literaturmagazin Bremen, als es Deutschlands erste "Schwarze Kinderbibliothek" vorstellt, die am Wochenende in Bremen ihre Pforten öffnete. Im Deutschland des Jahres 2023 hat man die Antwort fast geahnt.

"Schwarze Bibliotheken" gibt es in Deutschland bereits mehrere. In Berlin wurde 2014 die Bibliothek des Vereins Each One Teach One eröffnet. In Köln gibt es seit Februar 2022 die Theodor-Wonja-Michael-Bibliothek, benannt nach dem afrodeutschen Schauspieler, Journalisten und BND-Mitarbeiter kamerunischer Abstammung. Und im letzten März gründete der Hamburger Verein "Arca – Afrikanisches Bildungszentrum" in Erinnerung an die afrodeutsche Liedermacherin und Friedensaktivistin Fasia Jansen die "Fasiathek".

Bremens "Schwarze Bibliothek", die am Samstag feierlich eröffnet wurde, soll hingegen die erste ihrer Art speziell für Kinder sein. Ihren Ausgangspunkt nahm sie als das Projekt "Schwarze Kinderbibliothek – Gemeinsam lesen wir", das die Initiative "Zukunft ist bunt" ins Leben rief. Vor allem für schwarze und afrodeutsche Kinder soll die Bücherei ein geschützter Raum sein.

Helden mit der falschen Hautfarbe

Für Sheeko Ismail und Maimuna Sallah, die Initiatoren des Projekts, ist es ein Problem, dass die Charaktere in der deutschen Kinderliteratur überwiegend eine weiße Hauptfarbe haben. Demgegenüber würde schwarz zu sein in Büchern oft als etwas Schlechtes dargestellt. Rassismus beginne bereits in der Bildung, sagen sie, und in "allen anderen gesellschaftlichen Bereichen". Die Kinderbildung sehen sie offenbar dennoch als den geeigneten Ausgangspunkt, das Problem zu beheben.

Ob Dornröschen, Pippi Langstrumpf oder Peter Pan: "Für schwarze Protagonisten bleibt da zwischen den Buchdeckeln oftmals nur wenig Platz", weiß auch das Magazin buten un binnen von Radio Bremen. Diesen "Missstand" würde die "Schwarze Bibliothek" beheben. Im Gegensatz zu "weiß" schreibe man "schwarz" in diesem Kontext groß, weil es sich nicht um die Beschreibung einer Hautfarbe handle, die als diskriminierende Fremdbezeichnung aufgefasst wird, sondern um eine politische Selbstbezeichnung, die sich auf "eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position" bezieht.

Doch ist es nicht ganz natürlich, dass die Helden deutscher, schwedischer oder britischer Autoren weißer Hautfarbe sind? Der demographische Wandel der mittel- und nordeuropäischen Länder durch die zunehmende Einwanderung aus Ländern Afrikas und Asiens ist eine Entwicklung, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte – und offenbar noch nicht abgeschlossen ist.

56.000 Euro Fördergeld im Jahr 2023

Zur offiziellen Eröffnung der "Schwarzen Bibliothek" kam auch Bremens Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD). In seinem Grußwort sagte er, die Bücherei sei "frei von jeder Gefahr, Andeutung von Alltagsrassismus, wo sich die Kinder tatsächlich damit auseinandersetzen können, was in unserer Gesellschaft deutlich unterrepräsentiert ist oder tatsächlich ganz fehlt, nämlich die Lebensrealität von schwarzen Menschen".

Streng genommen gibt es die "Schwarze Kinderbibliothek" bereits seit Mai 2022, damals aber ohne eigene Räumlichkeiten. So kam die Bücherei zwischenzeitlich in den Räumen des Seniorenbüros des Vereins "Ambulante Versorgungsbrücken" unter. Finanziert wurden die ersten Bücher durch den Verein "Bremer Leselust", bestellt in Kooperation mit der Buchhandlung Leseland.

Da die Bibliothek ausdrücklich in schwarzen Händen sein sollte, entschied man sich auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten ausdrücklich gegen eine Angliederung an die Stadtbibliothek. Die Förderung der Stadtbibliothek übernimmt das Bremer Kulturressorts. Rund 56.500 Euro sind für das Jahr 2023 vorgesehen. Zum Bestand der Bibliothek gehören aktuell 100 Bücher, vor allem Importe aus den USA, doch auch ein paar deutsche Ausgaben. An drei Tagen in der Woche soll die Bibliothek für Besucher geöffnet sein. 

Co-Gründerin war von George-Floyd-Protesten motiviert

Sheeko Ismail und Maimuna Sallah, die die Bibliothek leiten, waren bereits vorher in der Kulturarbeit tätig. Co-Gründerin Sallah studiert zudem Transnationale Literaturwissenschaft an der Universität Bremen. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Gambier. 2020 verfasste Sallah die Petition "Rassismuskritische Lehre in Bremer Bildungsinstitutionen", mit der sie sich an die damalige Bremer Senatorin für Kinder und Bildung Dr. Claudia Bogedan (SPD) wandte.

Im Petitionstext schrieb Sallah, Rassismus sei in Deutschland ein "institutionelles und systematisches Problem" und forderte größere Bemühungen in der Bildung. Bislang konnte sie rund 124.000 Unterschriften sammeln. Das Ziel der 150.000 Unterschriften wurde bislang verfehlt.

Über die Motivation für ihre Petition sagte Sallah gegenüber der Tageszeitung, angesichts der George-Floyd-Proteste in den USA habe sie den Drang verspürt, etwas zu tun, und das Gefühl gehabt, dass "die Leute jetzt sehr empfänglich für das Thema Rassismus" seien.

Sheeko Ismail hieß früher Ahmed und kam 2015 aus Somalia nach Deutschland. Neben seinem Engagement für die "Schwarze Bibliothek" ist er im Vorstand des Bremer Rats für Integration aktiv, einem ehrenamtlichen Gremium, das 2004 durch die Bremer Deputation für Soziales eingerichtet wurde. Das Geld für den Rat kommt von der Bremer Senatskanzlei.

2018 gründete Ismail die Initiative "Zukunft ist bunt". Seit 2019 organisiert er die jährliche Veranstaltungsreihe "Black Story Month". Ein Jahr später machte er eine Ausbildung beim Theater Bremen, brach sie aber ab – seinen Angaben nach aufgrund eines Vorfalls von Rassismus.

Schwarze Kinder sollen durch schwarze Helden ihre Identität entdecken

"Kinder sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft, sie verdienen Schutz und die Möglichkeit, ihre eigene Identität zu entdecken und sich dabei zu finden", sagte Ismail anlässlich der Gründung im Mai 2022. Doch was ist die Identität afrodeutscher Kinder? Den ausgestellten Büchern nach zu urteilen, geht es darum, dunkelfarbige Kinder als Minderheit in Europa und Nordamerika zu "empowern" (ermächtigen) und gegenüber Rassismus zu stärken.

Mit Geschichten aus dem Alltag oder der Geschichte ihrer Vorfahren in Afrika sollen die Kinder verstehen, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht schlechter, oder sogar besser, als ihre weißen Mitmenschen sind. Auch das Thema Haare, die sich bei kraushaarigen Schwarzafrikanern stark von den eher glatten Haaren der Europäer unterscheiden, wird behandelt.

Als dritte, und am meisten politische Kategorie, fallen Bücher ins Auge, die Kindern Rassismus und Anti-Rassismus erklären, natürlich nach der Definition der aus den USA importierten "kritischen Rassentheorie" (Englisch: critical race theory). Dieser Theorie zufolge ist Rassismus nicht bezogen auf konkrete Vorurteile, sondern ist ein vielmehr "weißen" Gesellschaften immanenter Modus, der der gängigen Lesart nach nicht korrigiert, sondern höchstens gemildert werden kann.

Deutsches Helfernetzwerk ermöglichte Bibliothek

Dass die "Schwarze Bibliothek" zuerst in den Räumen des Vereins "Ambulante Versorgungslücken" unterkam, ist vermutlich Ismails Kontakten zu verdanken. Die mittlerweile verstorbene Elsbeth Rütten, die Begründerin des Vereins, war Ismails erste Anlaufstelle in Deutschland. Als er während der Einwanderungswelle 2015 nach Deutschland kam, schickte Ismail Frau Rütten eine Freundschaftsanfrage über Facebook und fragte sie, ob sie seine Familie sein wollte. Nach anfänglichem Zögern stimmte Frau Rütten zu. Später machte sie Ismail zu ihrem Patensohn.

Mithilfe von Frau Rüttens und deren Netzwerk erhielt Ismail eine Wohnung, eine Arbeit und machte seinen Schulabschluss. Nach systematischem Rassismus, den Ismail den Deutschen vorwirft, klingt das nicht. Vermutlich war es die Patenschaft von Frau Rütten, die den nicht binären Ismail vor der Abschiebung nach Somalia bewahrte.

Die diskriminierenden Erfahrungen, die Menschen auch wegen ihrer Hautfarbe machen, stehen außer Frage. Doch gehört es sich, angesichts der großen Unterstützung, die zum Beispiel die "Schwarze Bibliothek" erhielt, von systematischem Rassismus zu sprechen und dies Kindern als Weltbild zu vermitteln?

Die Geschichte von der Schildkröte und dem Hasen

2017 las Ismail auf Bremens "reisenden Vorlese-Sofas" in seiner Muttersprache Somalisch die Fabel von der Schildkröte (in der deutschen Version ein Igel) und dem Hasen vor, Ismails Lieblingsgeschichte als Kind. Der Hase ist sich im Wettrennen mit der Schildkröte seines Sieges sicher und legt sich daher kurz vor der Ziellinie im Gras schlafen.

Durch die Nachlässigkeit des Hasen erreicht die langsamere, aber unaufhörlich laufende Schildkröte als Erste das Ziel. Womöglich erkennt sich Ismail auch heute noch in der Fabel in der Schildkröte wieder, die den behäbigen deutschen Hasen am Ende überholt. An der von den Leitern geäußerte Absicht, die "Schwarze Kinderbibliothek" zu einem langfristigen Projekt zu machen, besteht kein Zweifel.

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