Deutschland

Millionen Verbraucher bereits überschuldet – Tendenz steigend

Millionen Menschen sind hierzulande verschuldet. Bereits im vergangenen Jahr mussten verschuldete Haushalte rund 45 Prozent vom Einkommen für Wohnkosten aufbringen. Angesichts der zuletzt extrem gestiegenen Preise rechnet die Schuldnerberatung mit steigenden Zahlen.
Millionen Verbraucher bereits überschuldet – Tendenz steigendQuelle: www.globallookpress.com © Noah Wedel / imago-images/ Global Look Press

In Deutschland sind bereits drei bis sieben Millionen Menschen überschuldet. Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte, stand dem Haushalt einer überschuldeten Person, die Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchte, im Jahr 2021 durchschnittlich ein Nettoeinkommen von 1.368 Euro pro Monat zur Verfügung. Von dieser Summe machten die Kosten für die Wohnung einschließlich Energie- und Nebenkosten 38 Prozent des Haushaltseinkommens aus.

Von dem eigenen Einkommen der Schuldner von durchschnittlich 1.146 Euro machten die Wohnkosten in Höhe von durchschnittlich 520 Euro sogar 45 Prozent aus. Damit waren die Wohnkosten überschuldeter Personen überdurchschnittlich hoch, wie die Statistiker anlässlich der Aktionswoche Schuldnerberatung vom 30. Mai bis zum 3. Juni 2022 weiter mitteilten.

Von den bis zu sieben Millionen verschuldeten Menschen lassen sich nach Angaben von Moers in einer anspannten finanziellen Lage nur 500.000 bis 600.000 beraten. Schuldnerberatungen fordern nun einen gesetzlichen Anspruch auf kostenlose Schuldner- und Insolvenzberatung.

"Die Hürden sind oft zu hoch: In manchen Bundesländern ist der Zugang zu den Beratungsstellen über das Einkommen begrenzt", sagte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB), Ines Moers, der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. "Wir fordern einen rechtlichen Anspruch auf Schuldnerberatung."

Während die monatlichen Haushaltsausgaben somit bereits im Jahr 2021 viele Menschen überforderten, ist die Teuerungsrate seither sprunghaft auf neue Rekordwerte gestiegen. Da die Preise, unter anderem für unverzichtbare Güter, hochschnellen, während Löhne und Sozialleistungen hinterherhinken, dürften noch mehr Konsumenten von der Verschuldung bedroht sein, wenn sie keine Ansparungen anzapfen können.

Diese düstere Aussicht betonte auch Moers. Während der Corona-Krise habe man steigende Beratungszahlen in den Schuldnerberatungsstellen gesehen, die zwischenzeitlich zurück gegangen seien. "Wir rechnen aber tendenziell mit steigenden Zahlen auch angesichts der zuletzt extrem gestiegenen Preise." Insbesondere die immens gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise sind für viele Menschen zur Belastung geworden.

Der Staat müsse für eine bessere Finanzierung der Schuldnerberatung sorgen, forderte Moers. "Auch die Gläubiger sollten sich an den Kosten der Beratung beteiligen, schließlich ist das Angebot auch in ihrem Interesse. Europaweit gibt es zahlreiche Beispiele, wie eine Gläubigerfinanzierung umgesetzt werden kann."

Als einen Faktor für die Überschuldung von Verbrauchern führen die Statistiker seit 2015 auch zu niedrige Einkommen auf, welcher seither anteilig an den Ursachen stetig gestiegen ist. Demnach war im Jahr 2015 die Ursache "längerfristiges Niedrigeinkommen" für gut drei Prozent der Überschuldung ursächlich, bis zum Jahr 2021 stieg diese Zahl auf zehn Prozent. Dabei ist Deutschland gemäß verschiedener Erhebungen Niedriglohnland. Schon vor der Corona-Pandemie verdienten mehr als 60 Prozent der rentenversicherten Arbeitnehmer und Selbstständigen weniger als das sozialversicherungspflichtige Durchschnittsjahresgehalt.

Im Jahr 2020 lag der Anteil an den Arbeitnehmern, die trotz 40-Stunden-Woche nur ein Einkommen im "unteren Entgeltbereich" beziehen – also Geringverdiener sind – und damit Gefahr laufen, sich verschulden zu müssen, bei einem Fünftel aller Vollzeitbeschäftigten. Politologen, Ökonomen und Sozialverbände verweisen seit langem darauf, dass die Arbeitsbedingungen an vielen Stellen – darunter Einkommen, aber auch Punkte wie Befristungen – verbessert werden müssen, um Armut und den damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Folgen vorzubeugen.

Laut Statistischem Bundesamt trage der Faktor "unwirtschaftliche Haushaltsführung" mit über 14 Prozent im vergangenen Jahr stärker zur Verschuldungsrate bei. Eine Definition ist der Tabelle nicht zu entnehmen.

Arbeitslosigkeit sieht das Amt als Hauptauslöser von Überschuldung. Diese machte im letzten Jahr knapp 20 Prozent aus. Dass auch staatliche Subventionen Entlassungswellen in Krisenzeiten und trotz hoher Unternehmensprofite nur bedingt, wenn überhaupt verhindern, hat sich in der Pandemie anhand mehrerer Beispiele gezeigt. Dabei ist das Armutsrisiko für die Deutschen schon vor der Pandemie angestiegen.

Wie die Organisation Oxfam am Dienstag in der Vorstellung ihres Berichts zur Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos erklärte, konnten die Reichsten der Welt seit Beginn der Corona-Pandemie noch deutlich reicher werden. Das Vermögen von Milliardären sei um 42 Prozent gewachsen. Gleichzeitig sei weltweit mehr als eine Viertelmilliarde Menschen gefährdet, in diesem Jahr in extreme Armut abzurutschen. Laut Oxfam haben die Corona-Pandemie und steigende Preise für Energie und Lebensmittel Armut und soziale Ungleichheit zuletzt noch befeuert. Die Organisation rief dazu auf, dass sehr hohe Vermögen und Krisenprofiteure wie Pharmaunternehmen entsprechend besteuert werden sollten. Auch in Deutschland klafft die Schere  zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, wie Studien längst gezeigt haben.

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