Deutschland

Sorge vor Drittem Weltkrieg: Intellektuelle und Künstler richten offenen Brief an Kanzler Scholz

In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßen 28 deutsche Intellektuelle und Künstler dessen bisheriges Agieren im Ukraine-Konflikt. Gleichzeitig warnen sie vor weiteren Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine und äußern ihre Sorge vor einem dritten Weltkrieg. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem die Feministin Alice Schwarzer und der Schriftsteller Martin Walser.
Sorge vor Drittem Weltkrieg: Intellektuelle und Künstler richten offenen Brief an Kanzler ScholzQuelle: www.globallookpress.com © Michael Kappeler

Durch die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung – der Bundestag hatte am Donnerstag mit großer Mehrheit die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gebilligt – sowie hinsichtlich finanzieller und logistischer Unterstützung der ukrainischen Regierung mehren sich die Sorgen der Bürger in Deutschland vor einem dritten Weltkrieg. 

Am Freitag veröffentlichten 28 deutsche Intellektuelle und Künstler nun einen offenen Brief, der sich direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz richtet. Die Erstveröffentlichung erfolgte auf der Seite des Magazins Emma, dessen Herausgeberin die Mitinitiatorin Alice Schwarzer ist. Es besteht die Möglichkeit, den Brief auf der Seite ebenfalls zu unterzeichnen. Hier der offene Brief in der Originalfassung:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

wir begrüßen, dass Sie bisher so genau die Risiken bedacht hatten: das Risiko der Ausbreitung des Krieges innerhalb der Ukraine; das Risiko einer Ausweitung auf ganz Europa; ja, das Risiko eines 3. Weltkrieges. Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.

Wir teilen das Urteil über die russische Aggression als Bruch der Grundnorm des Völkerrechts. Wir teilen auch die Überzeugung, dass es eine prinzipielle politisch-moralische Pflicht gibt, vor aggressiver Gewalt nicht ohne Gegenwehr zurückzuweichen. Doch alles, was sich daraus ableiten lässt, hat Grenzen in anderen Geboten der politischen Ethik.

Zwei solche Grenzlinien sind nach unserer Überzeugung jetzt erreicht: Erstens das kategorische Verbot, ein manifestes Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen allerdings könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen. Die zweite Grenzlinie ist das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis.

Wir warnen vor einem zweifachen Irrtum: Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern. Und zum andern, dass die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren 'Kosten' an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung falle. Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.

Die unter Druck stattfindende eskalierende Aufrüstung könnte der Beginn einer weltweiten Rüstungsspirale mit katastrophalen Konsequenzen sein, nicht zuletzt auch für die globale Gesundheit und den Klimawandel. Es gilt, bei allen Unterschieden, einen weltweiten Frieden anzustreben. Der europäische Ansatz der gemeinsamen Vielfalt ist hierfür ein Vorbild.

Wir sind, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, überzeugt, dass gerade der Regierungschef von Deutschland entscheidend zu einer Lösung beitragen kann, die auch vor dem Urteil der Geschichte Bestand hat. Nicht nur mit Blick auf unsere heutige (Wirtschafts)Macht, sondern auch in Anbetracht unserer historischen Verantwortung - und in der Hoffnung auf eine gemeinsame friedliche Zukunft.

Wir hoffen und zählen auf Sie! - Hochachtungsvoll

Unter den 28 Erstunterzeichnern finden sich unter anderem die Feministin Alice Schwarzer, der Schriftsteller Martin Walser und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar sowie der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Merkel, der Autor Alexander Kluge, der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, die Theologin und grüne Politikerin Antje Vollmer, der Sänger Reinhard Mey, die Kabarettisten Gerhard Polt und Dieter Nuhr, der Filmemacher Andreas Dresen, der Bildhauer Heinz Mack und die Schriftstellerin Juli Zeh. 

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