Deutschland

Privatinitiative kauft verurteilte Schwarzfahrer aus Berliner Gefängnissen frei

Tausende Schwarzfahrer belasten die deutschen Steuerzahler jedes Jahr mit bis zu 4.500 Euro pro Gefängnisaufenthalt. Eine Initiative praktiziert mit Spendengeldern nun die billigere Variante – den Freikauf.
Privatinitiative kauft verurteilte Schwarzfahrer aus Berliner Gefängnissen freiQuelle: www.globallookpress.com © Max Kovalenko via www.imago-imag

Die Initiative "Freiheitsfonds" von Arne Semsrott (Gründer der Rechercheplattform "Frag den Staat") hat in einer spendenfinanzierten Aktion in den vergangenen Tagen 21 Inhaftierte, die ihre Geldstrafe für das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Fahrschein nicht zahlen konnten, aus dem Vollzug "freigekauft".

Auf der Seite von "Frag den Staat" erläutert Semsrott das realexistierende gesellschaftliche Phänomen und die damit verbundenen unverhältnismäßigen Kosten für die Steuerzahler.

In den Berliner Justizvollzugsanstalten verbüßen laut Justizverwaltung derzeit 395 Insassen eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. Darunter sei etwa ein Drittel Menschen, die wegen Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel ohne Fahrschein einsitzen.

Die Seite "Frag den Staat" klärt auf, dass das Fahren ohne Fahrschein mit Bus oder Bahn in Deutschland eine Straftat darstellt. Wer dabei erwischt wird und die 60 Euro "erhöhtes Beförderungsentgelt" nicht zahlen kann, wird von den regionalen zuständigen Verkehrsverbünden in den meisten Fällen angezeigt. Grundlage dafür sei der §265a des Strafgesetzbuchs, "Erschleichen von Leistungen" – "ein Relikt aus dem Jahr 1935." Verurteilt werden dadurch, nach entsprechenden Recherchen aus den zurückliegenden Monaten, vor allem Menschen, die wenig oder gar kein Geld haben.

"Mehrere tausend Menschen sitzen deshalb laut Schätzungen jedes Jahr im Gefängnis. Eine genaue Zahl wird statistisch nicht erfasst."

Aus einer Studie der Soziologin Nicole Bögelein in Mecklenburg-Vorpommern gehe demnach hervor, dass die meisten Verurteilten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrschein absäßen, arbeitslos seien. Jeder Dritte sei suchtkrank, und mehr als ein Achtel obdachlos.

Die gerichtlich festgelegte Strafe kann theoretisch abgearbeitet werden. Menschen ohne festen Wohnsitz oder mit Suchtkrankheiten können dies jedoch oft nicht und sitzen daher ihre Strafe in einer Haftanstalt ab, meistens etwa 30 Tage. Die Initiative informiert:

"Ein Hafttag kostet die Steuerzahler je nach Bundesland zwischen 98 und 188 Euro pro Tag. Jede vierte Person, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, sitzt wegen Fahrens ohne Fahrschein ein, Tendenz steigend."

Diese Zahlen und Fakten stammen aus dem internen Abschlussbericht der "Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten" zur "Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen". Die Untersuchung wurde 2016 von den Landesjustizministerien in Auftrag gegeben, 2019 intern vorgelegt und nun erstmalig über die Rechercheplattform "Frag den Staat" veröffentlicht.

Gespräche, im Rahmen der Recherche, mit Sozialarbeitern, Wissenschaftlern und Juristen hätten aufgezeigt, "dass die Lösung darin liegen könnte, die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs günstiger oder sogar kostenlos zu machen." Sozialtickets sollten diese Funktion eigentlich bereits leisten, jedoch liege in vielen Städten der Preis dafür über dem vorgesehen Hartz-IV-Satz von 40 Euro. In einem Drittel der deutschen Großstädte liegt der Preis für das Sozialticket sogar ziemlich weit darüber.

Die steigende Zahl der Verurteilungen könne daher ihren Grund darin finden, dass die Zahl der Menschen, die wenig oder gar kein Geld haben, in Deutschland immer mehr zunähmen. Dieser Aspekt werde jedoch vom juristischen Blickwinkel aus völlig verdrängt.

Den Kontakt zu den Gefängnisinsassen nimmt die Initiative entweder über Angehörige auf, oder über Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten, wie Sozialarbeiter und Seelsorger. Semsrott wies gegenüber dem rbb zudem noch auf eine weitere gesellschaftliche Realität hin:

"Wenn Leute nicht aus dem Gefängnis wollen, weil es drinnen wärmer ist als draußen, dann ist das auch ein Riesenproblem."

In einem anderen Interview teilte Semsrott die Gründe seiner Motivation für diese Spendenaktion mit:

"Es geht darum, politisch Druck zu machen, dass niemand mehr hinter Gittern landet. Das Fahren ohne Fahrschein muss endlich entkriminalisiert werden. Nicht nur weil das Ganze unwürdig ist, der Staat würde dadurch auch immense Kosten sparen."

Die Initiative hat nun nach eigenen Angaben in Berlin 21 Inhaftierte mit 28.420 Euro aus dem Gefängnis befreit, damit weitere 2.130 Hafttage aufgelöst und somit dem Staat, also den Steuerzahlern, beachtliche 319.000 Euro Kosten erspart. 

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