Deutschland

"Aggressiv, schwarze Stunde, hysterisch" – Medienreaktionen auf gestrige Demonstration in Berlin

Während am Mittwoch im Bundestag die Novelle des Infektionsschutzgesetzes beschlossen wurde, demonstrierten draußen Tausende dagegen. Dabei kam es auch zum Einsatz von Wasserwerfern gegen überwiegend friedliche Protestler. RT Deutsch gibt einen Überblick über die Medienreaktionen.
"Aggressiv, schwarze Stunde, hysterisch" – Medienreaktionen auf gestrige Demonstration in BerlinQuelle: Reuters © Christian Mang

Unter dem Protest Tausender Menschen im Regierungsviertel hatten am Mittwoch Bundestag und Bundesrat den Weg für die von der Koalition geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz freigemacht. Die Berliner Polizei setzte erstmals seit Jahren Wasserwerfer ein – allerdings ohne scharfen Strahl, sondern "nur" im Sprühmodus.

Am Rande der Proteste kam es vereinzelt zu Rangeleien zwischen Polizisten und Demonstranten. Nach Angaben der Polizei wurden insgesamt 365 Menschen vorübergehend festgenommen. Bei zwei Menschen wurde richterlich geprüft, ob sie in Untersuchungshaft kommen. Bis zum Abend meldeten sich nach Polizeiangaben zehn Beamte als verletzt.

Die Reaktionen der deutschen Medien zu den gestrigen Ereignissen in Berlin fallen überwiegend negativ aus. Zwar werden die verfassungsrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit dem neuen Infektionsschutzgesetz in der Berichterstattung zumeist eingeräumt, doch gleichzeitig wird den Protestlern vorgeworfen, sich zu radikalisieren und gänzlich andere Ziele mit ihren Protesten zu verfolgen.

So schreibt zum Beispiel die FAZ:

Die Debatte im Bundestag und das Geschehen vor dem Brandenburger Tor zeigten [...], dass der Vorwurf, das Parlament und die Verfassung seien 'ausgeschaltet' worden, begierig aufgegriffen wird, um eine Merkel-Monarchie zu kritisieren, wo keine ist. Den Kräften, die dahinterstehen, geht es nicht um Differenzierung, auch nicht um Corona, sondern darum, die demokratische Welt auf den Kopf zu stellen. [...]

Die Stuttgarter Nachrichten sprechen von einem "Tag der Scham":

Wenn vor dem Reichstagsgebäude Wasserwerfer der Polizei auffahren müssen, um mit weiträumigen Absperrungen eine störungsfreie Sitzung des Parlaments zu gewährleisten, wenn Demonstrationen verboten und aufgelöst werden, wenn in den Bundestag eingeschleuste Personen frei gewählte Abgeordnete bedrängen, dann ist das eine schwarze Stunde für das ganze Land. Wenn sich Demokratiefeinde im Verbund mit ideologisch verblendeten Dreckschleudern und maskenlosen Provokateuren aufgerufen fühlen, die Abgeordneten des Bundestags auf eine Stufe mit jenen nationalsozialistischen Kräften zu stellen, die 1933 den Beginn der braunen kriegstreibenden und massenmörderischen Diktatur den Weg frei stimmten, dann ist das ein Tag der Scham.

Taz-Redakteur Ingo Arzt sieht fundamentales Misstrauen gegen staatliches Handeln, Paranoia und Hysterie:

[...] Dahinter steht ein fundamentales Misstrauen gegen staatliches Handeln, eine politische Paranoia und Hysterisierung, die so schrill ist, dass den Beteiligten selbst nicht auffällt, wie menschenverachtend sie argumentieren. Sie demonstrieren für einen Staat, der die Schwächsten nicht schützen, sondern verrecken lassen soll. Für einen Staat, der menschliches Leben in lebenswertes und nicht lebenswertes unterteilen soll. [...]

Die junge Welt geht zwar davon aus, dass nicht "Neonazikader das Bild dieser Demonstrationen geprägt oder gar den Ton angegeben" hätten, attestiert den Demonstranten jedoch "in erster Linie einen entschlossenen Irrationalismus und in zweiter Linie ein erschreckend niedriges politisches Niveau":

Impfgegner, Hippies, Evangelikale, Gegner des 5G-Netzausbaus, Veganer, dazu die AfD-Klientel, 'Reichsbürger', Neonazis und Leute, die die Ideologie von Grundgesetz, 'Freiheit', 'Demokratie' und 'Rechtsstaat' so gründlich geschluckt haben, dass sie glauben, diese Schönheiten gegen Merkel und die 'DDR 2.0' verteidigen zu müssen: Das war in der Hauptsache das Spektrum, das am Mittwoch in Berlin demonstriert hat. Es ist ohne Zweifel mobilisierungsfähig; nicht ausgeschlossen ist, dass hier eine 'Pegida'-Bewegung neuen Typs Gestalt annimmt.

Die BILD-Zeitung konzentriert sich vor allem auf die vereinzelten Ausschreitungen und spricht von einer "Explosion der Wut":

Wasserwerfer am Brandenburger Tor! Rangeleien vor dem Reichstag! In Berlin explodierte die Corona-Wut! Während im Bundestag das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen wurde, drängten sich draußen Tausende, machten ihrem Ärger über die Corona-Maßnahmen Luft. Wütende, verängstigte Bürger mischten sich mit Corona-Leugnern, Verschwörungstheoretikern, Neonazis.

Die Frankfurter Rundschau attackiert vor allem die AfD, spricht jedoch im gleichen Atemzug von einem Demokratieverlust durch das neue Gesetz:

Die AfD spielt sich als Verteidigerin des Grundgesetzes auf, und ihr rechtes Umfeld faselt von 'Ermächtigungsgesetz' - kann es überhaupt noch vernünftige Kritik an einem Vorhaben geben, das solch verlogene Gegner hat? Ja, denn wer den extrem Rechten das Feld überließe, täte ihnen nur einen Gefallen. Gerade jetzt müssen Demokratinnen und Demokraten laut und deutlich sagen: Der deutsche Parlamentarismus hat ein Stück Demokratie aufgegeben. Mit der Zustimmung zum überarbeiteten Infektionsschutzgesetz hat er sich selbst gefährlich geschwächt. Corona-Verordnungen der Regierung unterliegen zwar jetzt strengeren Vorgaben. Aber eine echte Parlamentsbeteiligung wird es nicht geben. Wenn der Bundestag die Regierung ausbremsen wollte, müsste er im Zweifel die Feststellung der epidemischen Notlage ganz zurücknehmen, auch wenn das nicht angemessen wäre.

Auch international wurde die gestrige Demonstration registriert. So übernahm zum Beispiel CBS ebenfalls das Narrativ einer "Eskalation":

Die Demonstrationen von Gegnern der Coronavirus-Politik der Bundesregierung sind am Mittwoch eskaliert. Die Polizei hat die Proteste mit Wasserwerfern aufgelöst und mindestens 200 Festnahmen vorgenommen, teilte die Berliner Polizei mit.

Mehr zum ThemaJustizministerin Lambrecht: "Der Staat muss zeigen, wer in diesem Land das Gewaltmonopol hat"

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.