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Hamburger Verwaltungsgericht: Polizeikontrollen ohne Verdachtspunkte sind rechtswidrig

Die Polizei darf Identitätskontrollen nicht mehr ohne konkrete Verdachtspunkte durchführen. Racial Profiling – Kontrollen basierend auf Hautfarbe und Migrationshintergrund – ist somit nicht zulässig. Eine Studie der Ruhr-Uni Bochum belegt die Verbreitung von Rassismus in der Polizei.
Hamburger Verwaltungsgericht: Polizeikontrollen ohne Verdachtspunkte sind rechtswidrigQuelle: Gettyimages.ru © Sean Gallup / Getty Images

Polizisten dürfen nicht ohne Verdacht Personen kontrollieren – auch dann nicht, wenn diese eine dunklere Hautfarbe haben. Dieses Urteil sprach am 11. November das Hamburger Verwaltungsgericht. Das sogenannte Racial Profiling – Polizeikontrollen aufgrund ethnischer Merkmale – ist somit nicht zulässig.

Geklagt hatte ein Bewohner des Hamburger Stadtteils St. Pauli mit togolesischem Migrationshintergrund. Er gab an, im Zeitraum von November 2016 bis April 2018 auf dem Weg von und zur Arbeit mehrfach von Polizisten kontrolliert worden zu sein. Die Polizisten hätten ihn zur Wache geführt und auf Drogenbesitz untersucht.

Für den Rechtsanwalt des Klägers, Carsten Gericke, stand fest, dass sein Mandant aufgrund seiner Hautfarbe von den Polizisten verhört wurde. Sein Vorwurf lautete: Racial Profiling.

Aus Sicht der Polizei fanden die Kontrollen im Rahmen der Gesetzgebungen statt. 2014 waren Teile St. Paulis zu "Gefahrengebieten" erklärt worden, in denen die Polizei mehr Rechte habe. 2015 wurde diese Praxis durch das Oberverwaltungsgericht gestoppt. Die Konsequenz: Im Jahr 2016 wurde St. Pauli zu einem "gefährlichen Ort" erklärt, mit nahezu deckungsgleichen Befugnissen der Polizei. Eine spezielle Taskforce der Hamburger Polizei fahndet in dem Stadtteil nach Drogendealern. In diesem Zusammenhang sei auch der Kläger kontrolliert worden.

In dem Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts heißt es wörtlich:

Nach Auffassung der Kammer ist die Vorschrift [des erweiterten Kontrollrechts der Polizei an einem 'gefährlichen Ort', Anm. d. Red.] jedoch verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie keine völlig anlasslose Kontrolle jeglicher an einem solchen Ort angetroffener Personen ermöglicht. Vielmehr müssen auch insoweit gewisse Anhaltspunkte für einen Bezug der kontrollierten Person zur entsprechenden Gefahr – hier also der Betäubungsmittelkriminalität – vorliegen. Dies konnte zur Überzeugung der Kammer nicht festgestellt werden, weshalb die Entscheidung zulasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten ausgefallen ist.

Zum Anklagepunkt des Racial Profiling gab das Verwaltungsgericht an, diese Frage nicht entscheiden zu müssen, da diese von der vorher genannten Rechtsprechung abgedeckt sei.

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Rassismus – weit verbreitet in der Polizei

Zum Thema der Verbreitung von Rassismus in der Polizei erschien am 11. November eine aktuelle Studie der Ruhr-Universität Bochum. Im Rahmen des Projektes um "Polizeiliche Gewaltanwendungen aus Sicht der Betroffenen" kamen die Forscher um Prof. Dr. Tobias Singelnstein zu dem Ergebnis, dass Menschen mit Migrationshintergrund und insbesondere solche mit dunklerer Hautfarbe (in der Studie als "People of Colour" (PoC) bezeichnet) signifikant häufiger Diskriminierungserfahrungen durch die Polizei machen als weiße Personen.

Bei den PoC ist in 28 Prozent der Fälle eine Personenkontrolle der Auslöser für einen Polizeikontakt, bei Menschen mit Migrationshintergrund 22 Prozent. Bei Menschen ohne Migrationshintergrund sind es nur 14 Prozent der Fälle, in denen die Personenkontrolle der Anlass für den Polizeikontakt ist.

Rassistisches Verhalten der Polizei sei kein Einzelfall, sondern ein "strukturelles Problem der polizeilichen Praxis". Das bedeute nicht, dass "die Polizei in Gänze unterschiedslos davon betroffen wäre". Aber es sei auch kein Zufall, dass sich in der Gesellschaft verbreitete Stereotype und Rassismus in der Polizei wiederfänden.

Auf tagesschau.de wirbt Astrid Jacobsen, Soziologin an der Polizeiakademie in Niedersachsen, für Verständnis der Polizeipraktiken:

Die Situationen sind ja oft nicht eindeutig. Polizisten haben das Problem, dass sie unter Zeitdruck schnell deuten müssen: Was passiert hier, was müssen wir machen und an wen wenden wir uns in dieser Situation?

Das Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts kann einen Präzedenzfall schaffen für viele andere Personen, die von verdachtslosen und/oder mutmaßlich ethnisch bedingten Polizeikontrollen betroffen sind. Gegen das Urteil kann die Stadt Hamburg innerhalb eines Monats in Berufung gehen.

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