Deutschland

"Gravierender als Weltfinanzkrise": Besorgniserregende Aussichten bei Entwicklung von Überschuldung

Überschuldung im Alter ist auch eine Folge von Beschäftigung im Niedriglohnsektor sowie unsicheren Arbeitsverhältnissen und ist in Deutschland stark ausgeprägt. Zwar sei die Zahl der überschuldeten Privatpersonen in diesem Jahr insgesamt leicht gesunken, das wird sich laut Creditreform jedoch ändern.
"Gravierender als Weltfinanzkrise": Besorgniserregende Aussichten bei Entwicklung von ÜberschuldungQuelle: www.globallookpress.com © Max Kovalenko / Imago Images/ Global Look Press

Die Zahl der Senioren, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, steigt hierzulande dramatisch an. Viele suchen mittlerweile auch Hilfe bei den Tafeln in Deutschland. Seit 2013 habe sich die Zahl der überschuldeten Verbraucher im Alter ab 70 Jahren mehr als vervierfacht – auf mittlerweile rund 470.000 Betroffene. Das berichtete am Dienstag die Wirtschaftsauskunft Creditreform in ihrem "Schuldneratlas 2020". Die Gesamtzahl aller überschuldeten Personen erhöhte sich demnach im gleichen Zeitraum "nur" um rund vier Prozent. Insgesamt ging die Zahl überschuldeter Personen in Deutschland in diesem Jahr leicht zurück und verringerte sich um 69.000 auf 6,85 Millionen. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sank leicht auf 9,87 Prozent und lag damit erstmals seit vier Jahren unter der Zehn-Prozent-Marke.

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Armut im Alter besonders schlimm – Bald jeder fünfte Rentner bedroht

Kürzlich hatte erst der Sozialverband VDK bestätigt, dass Altersarmut bereits ein Massenphänomen in Deutschland ist. Auch die Tafeln berichten über eine wachsende Not bei den älteren Mitbürgern. Die Anzahl der Senioren, die bei den Tafeln Lebensmittel abholten, sei "innerhalb nur eines Jahres alarmierend gestiegen", erklärte der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl. Bereits in 15 Jahren könne jede fünfte Rentnerin oder jeder fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein.

Die Gründe für die wachsende Altersarmut sind nach Einschätzung der Experten vielfältig. Einerseits machen sich hier nach früheren Angaben von Creditreform die Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte bemerkbar, die fast durchweg auf eine Kürzung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente abgezielt hätten. Außerdem wirkten sich die wachsende Zahl unsteter Erwerbsbiografien und das Anwachsen des Niedriglohnsektors aus. Auch der vielerorts dramatische Anstieg der Mieten spiele eine Rolle.

Während es bei jüngeren Verbrauchern weitaus häufiger Überschuldungsfälle gibt als bei Senioren, ist die Armut im Alter für die Betroffenen besonders schwerwiegend, wie auch die Experten von Creditreform betonten. Jüngere Menschen würden demnach Armut als vorübergehende Lebensphase sehen können und über eine Perspektive verfügen, sich aus ihrer schwierigen Situation herauszuarbeiten – das ist bei älteren Menschen in der Regel nicht mehr der Fall. Mit dem Eintritt in den Ruhestand sinke die Chance älterer Menschen drastisch, ihre ökonomische Lage zu verbessern. Verschärft werde das Problem dadurch, dass die Betroffenen oft ihnen zustehende Sozialleistungen nicht in Anspruch nähmen. Dieser Faktor wird auch bei anderen Bevölkerungsgruppen manchmal erwähnt, nicht selten, weil die Regelungen viel zu undurchsichtig und die Antragstellung zu komplex sind.

Warnung vor besorgniserregender Entwicklung

Der leichte Positivtrend bei den Gesamtzahlen spiegele die relativ robuste Verfassung des Arbeitsmarktes bis zum Frühjahr 2020 wider, habe sich aber durch die Corona-Pandemie spätestens ab April gewendet, so die Experten. Für die nächsten Jahre rechnet Creditreform wegen der Pandemie mit einer deutlichen Verschlechterung der Situation.

"Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend", so der Creditreform-Experte Patrik-Ludwig Hantzsch.

Insbesondere bei Geringverdienern bewirke die Corona-Pandemie gravierende Einkommenseinbußen, die oft auch prekär beschäftigt sind und von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten wie Kurzarbeit kaum profitieren. Obwohl große Unternehmen angesichts der pandemiebedingten Maßnahmen bereits enorm von steuerfinanzierten Hilfen profitierten, bleibt Lohndumping sogar als offene Forderung ein probates Mittel in der für Millionen Menschen gravierenden Krise.

Kurzarbeit und wachsende Arbeitslosenzahlen führten im Augenblick dazu, dass viele Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung hätten. Rund 700.000 Menschen hätten zwischenzeitlich den Arbeitsplatz verloren, Millionen seien in Kurzarbeit und viele Freiberufler kämpften um ihre Existenz. Angesichts des ansteigenden Infektionsgeschehens sei eine Wende nicht absehbar, so dass die Überschuldungsfälle insgesamt ansteigen werden. "Für viele Verbraucher in Deutschland geht die Überschuldungsampel in den nächsten Monaten auf Rot", warnten die Creditreform-Experten.

Laut Hantzsch werden die Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Verbraucher "gravierender sein als die der Weltfinanzkrise 2008 und 2009".

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