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Neuer Lockdown ab nächster Woche: Diese Corona-Maßnahmen plant die Bundesregierung

Laut einer der dpa vorliegenden Beschlussvorlage plant die Bundesregierung einen neuen Lockdown. Am Mittag trifft sich die Bundeskanzlerin mit den Länderchefs, um die Pläne abzustimmen. Aus den Reihen der FDP und der Linken kommt scharfe Kritik an den geplanten Maßnahmen.
Neuer Lockdown ab nächster Woche: Diese Corona-Maßnahmen plant die BundesregierungQuelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde via www.imago-images.de

Die Bundesregierung will mit drastischen Kontaktbeschränkungen den steigenden Zahlen positiver Coronavirus-Tests begegnen. Bundesweit sollen Freizeiteinrichtungen und Gastronomie geschlossen, Unterhaltungsveranstaltungen verboten und Kontakte in der Öffentlichkeit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnungen eingeschränkt werden. Das geht laut der Nachrichtenagentur dpa aus einem Entwurf der Beschlussvorlage des Bundes für die Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch hervor. 

Die Maßnahmen sollen laut der Beschlussvorlage ab dem 4. November deutschlandweit in Kraft treten und bis Ende des Monats gelten. Am Nachmittag meldete die dpa jedoch, dass der Lockdown laut den Beratungen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten bereits am Montag, dem 2. November, beginnen soll. Nach Ablauf von zwei Wochen sollen die Kanzlerin und die Länderchefs die erreichten Ziele beurteilen und notwendige Anpassungen vornehmen.

"Familien und Freunde sollen sich auch unter Corona-Bedingungen in der Weihnachtszeit treffen können. Dazu bedarf es jetzt erneut, wie schon im Frühjahr, einer gemeinsamen Anstrengung", heißt es in dem Papier.

Viele geplante Maßnahmen gleichen den Einschränkungen, die es bereits im Frühjahr gegeben hat. Offen war, ob und wie weitgehend die Länder die Maßnahmen mittragen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat eine Zustimmung seiner Regierung zu einem derartigen Beschluss bereits ausgeschlossen. Andere Länder hatten dagegen schon vor dem virtuellen Treffen Verschärfungen angekündigt.

Die geplanten Maßnahmen im Einzelnen

  • Öffentlichkeit, Feiern: Nur noch Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstandes sollen sich gemeinsam in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen sollen von den Ordnungsbehörden sanktioniert werden. Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen seien angesichts der ernsten Lage inakzeptabel.
  • Schulen und Kindergärten: Diese Einrichtungen sollen offenbleiben. Die Länder sollten aber weitere Schutzmaßnahmen einführen.
  • Einzelhandel: Einzelhandelsgeschäfte sollen unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet bleiben. Es müsse aber sichergestellt werden, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadratmeter aufhalte.
  • Kultur: Theater, Opern oder Konzerthäuser sollen schließen. Dies gilt auch für Messen, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmeeinrichtungen. Auch Bordelle und andere Prostitutionsstätten sollen geschlossen werden.
  • Sport: Freizeit- und Amateursportbetriebe sollen auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen geschlossen werden, ebenso Schwimm- und Spaßbäder sowie Fitnessstudios. Über Spiele der oberen Fußballligen wird in dem Papier nichts Konkretes gesagt.
  • Gastronomie und Hotels: Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen sollen geschlossen werden. Ausgenommen werden sollen die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Touristische Übernachtungsangebote im Inland sollen untersagt werden. Angebote sollten nur noch für notwendige Zwecke gemacht werden. Die Bürger werden aufgefordert, generell auf private Reisen und auf Verwandtenbesuche zu verzichten.
  • Körperpflege: Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios sollen schließen, medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien aber möglich sein. Friseursalons bleiben – anders als im Frühjahr – aber unter den bestehenden Hygienevorgaben geöffnet.
  • Wirtschaft: Industrie, Handwerk und Mittelstand solle sicheres Arbeiten umfassend ermöglicht werden, heißt es im Entwurf. Die Arbeitgeber müssten ihre Mitarbeiter vor Infektionen schützen. Wo immer umsetzbar soll Heimarbeit ermöglicht werden.
  • Risikogruppen: Für Kranke, Pflegebedürftige, Senioren und Behinderte solle es zügig und prioritär Corona-Schnelltests geben. Der besondere Schutz in diesem Bereich dürfe aber nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation führen, so die Vorlage.
  • Kontrollen: Zur Einhaltung der Maßnahmen sollen flächendeckend die Kontrollen verstärkt werden. Zudem sollen Bund und Länder die Bürger verstärkt über die Corona-Maßnahmen informieren "und durch möglichst einheitliche Maßnahmen die Übersichtlichkeit erhöhen", heißt es in dem Papier.

"Käme Todesstoß gleich": Warnungen aus Politik und Wirtschaft – Börse mit hohen Verlusten

Vor den wirtschaftlichen Folgen eines neuen Lockdowns warnt der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft Mario Ohoven. Gegenüber der dpa sagte Ohoven:

Der überwiegende Teil des Mittelstands verkraftet keinen weiteren Lockdown. Für Zehntausende Unternehmen käme dies einem Todesstoß gleich.

Schon der erste Lockdown im Frühjahr mit Geschäftsschließungen habe branchenübergreifend dramatische Konsequenzen für die Betriebe und die deutsche Volkswirtschaft insgesamt gehabt, so Ohoven. "Wenn jetzt über den nächsten Lockdown spekuliert wird, egal ob 'light' oder hart, führt das nur zu noch mehr Verunsicherung und wachsendem Verlust an Vertrauen in die Politik."

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Ob eine punktuelle und geografisch eng gefasste Einschränkung des öffentlichen Lebens angemessen sei, müsse daher mit allergrößter Vorsicht entschieden werden. "Es besteht sonst die große Gefahr, dass die Folgen der Corona-Politik größeren Schaden anrichten als das Virus selbst", gibt Ohoven zu bedenken. 

Auch FDP-Fraktionsvize Christian Dürr warnt vor den massiven Folgen für die Wirtschaft:

Ein neuer Lockdown wird vielen Betrieben den Boden unter den Füßen wegziehen. Bund und Länder hatten monatelang Zeit, sich auf die zweite Welle vorzubereiten. Statt die Gastronomie und andere Branchen stillzulegen, hätte ich erwartet, dass die Kanzlerin einen Akut-Plan für mehr Personal in den Gesundheitsämtern und Konzepte für eine digitale Kontaktnachverfolgung vorlegt.

Dürr bezeichnet es als ein "Trauerspiel", dass die Bundesregierung sich selbst nicht in die Pflicht nehme, etwas zu tun, aber den Bürgern und Unternehmen immer wieder neue Einschränkungen zumute.

Sein Parteikollege Wolfgang Kubicki kritisierte ebenfalls die von der Bundesregierung angestrebten Einschränkungen. "Konzentrieren wir uns auf die Gruppen, die wirklich geschützt werden müssen", sagte der Bundestagsvizepräsident am Mittwoch im Deutschlandfunk. Man solle so viel "normales Leben" unter Beachtung von Hygieneschutzmaßnahmen zulassen wie möglich. "Ich warne dringend vor Alarmismus, der auch zu falschen Entscheidungen führen kann", so Kubicki. 

Er verwies auf Gerichtsentscheide, die Beherbergungsverbote in den Bundesländern gekippt hatten. Man könne Beherbergungsbetriebe nicht schließen, wenn es keine Evidenz gebe, dass dort das Infektionsgeschehen intensiviert werde. "Das Grundgesetz gilt auch während der Pandemie".

Der FDP-Politiker plädiert auf unterschiedliches Vorgehen je nach Bundesland. Statt des vom Bund angestrebten "nahezu kompletten Lockdowns" solle bei Infektionsherden angesetzt werden. Kubicki fragte, warum Mitarbeiter weiter ungetestet in Alten- und Pflegeheime dürften und dort keine FFP2-Masken verteilt würden. Außerdem sollten mehr Schulbusse sowie Busse und Bahnen im ÖPNV eingesetzt werden. Menschen in Restaurants und Hotels, die jetzt mit Hygienekonzepten ihre Existenz gesichert hätten, wieder mit einem "Komplett-Lockdown" zu belegen, sei unverhältnismäßig und habe sicher auch vor den Gerichten nicht Bestand.

Kritik kommt auch aus den Reihen der Linken. Deren Fraktionschef im Bundestag bezeichnete die bekannt gewordene Beschlussvorlage als "vielfach unverhältnismäßig und ineffektiv". Das sei ein Plan, wie man die Bürger verliere, schrieb Dietmar Bartsch am Mittwoch auf Twitter. "Man treibt die Menschen geradezu in den privaten Raum, wo die meisten Infektionen stattfinden. Das kann niemals bundeseinheitlich über das ganze Land verhängt werden." 

Bartsch forderte weiter, wer schließe, müsse helfen:

Wo ist der Hilfs- und Sozialplan der Regierung? Wo sind die Millionen Schnelltests für Heime und Krankenhäuser? Wo ist das Personal? Es wurde zu wenig vorsorglich getan!

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Unterdessen erneuerten die Grünen im Bundestag ihre Forderung, das Parlament in die bevorstehenden neuen Einschränkungen einzubeziehen. Die Abwägungen von drastischen Maßnahmen sowie zwischen Sicherheit und Einschränkungen der Freiheit "brauchen den öffentlichen Diskurs und brauchen auch die parlamentarische Verankerung", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann am Mittwoch. Der Bundestag tage in dieser und der kommenden Woche. "Deshalb, glaube ich, ist die Regierung und die sie tragende Koalition gut beraten, sich des Rückhalts des Parlamentes zu versichern." Gelegenheiten gebe es genug dazu.

Die Börse reagierte bereits auf die bekannt gewordenen Lockdown-Pläne: Der Dax rutschte in der ersten Stunde am Mittwoch um 3,25 Prozent auf 11.671,54 Punkte ab und damit erstmals seit Juni auch wieder unter die Marke von 12.000 Zählern. Vom Zwischenhoch von Anfang September bei 13.460 Punkten ist er bereits mehr als 13 Prozent entfernt. 

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(dpa/rt)

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