Deutschland

"Hat im Grundgesetz nichts zu suchen": Politische Debatte um Begriff "Rasse" nimmt Fahrt auf

Das Thema "Rassismus" hat derzeit wieder Hochkonjunktur. Der damit untrennbar verknüpfte Begriff "Rasse" ist auch in der Diskussion unter deutschen Politikern angekommen. Die Opposition fordert, den Begriff aus dem Grundgesetz zu streichen, gegen den Widerstand aus der Union.
"Hat im Grundgesetz nichts zu suchen": Politische Debatte um Begriff "Rasse" nimmt Fahrt aufQuelle: Reuters © Tobias Schwarz

Seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch massive Polizeigewalt und die sogenannte "Black Lives Matter"-Proteste rund um den Globus ist das Thema Rassismus wieder in aller Munde. Dieser Ideologie liegt der gleichermaßen umstrittene Begriff menschlicher Rassen zugrunde. Dieser gilt vielen bereits als rassistisch, da der Begriff der Rasse hier wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Dennoch findet sich der Begriff "Rasse" sehr wohl bis heute im Grundgesetz wieder, obwohl dieses gerade auch als Antwort auf die mörderische "Rassentheorie" der NSDAP aus der Taufe gehoben wurde. Konkret heißt es in Artikel 3:

Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Im Windschatten der Floyd-Proteste, aber auch nach heimischen Tragödien wie dem Terror von Hanau, nimmt die politische Debatte um eine Streichung des Begriffs "Rasse" in Deutschland wieder Fahrt auf. Wieder, denn die Linkspartei hatte sich bereits 2010 dafür eingesetzt, diesen Terminus endlich aus dem Grundgesetz zu streichen und durch "ethnische, soziale und territoriale Herkunft" zu ersetzen.

Nun fordern Politiker mehrerer Bundestagsfraktionen, den Text des Grundgesetzes entsprechend anzupassen. Frankreich machte es diesbezüglich vor. Dort wurde "Rasse" 2018 aus der Verfassung gestrichen. Es waren diesmal die Grünen, die in Deutschland die Debatte neuerlich ins Rollen brachten, nachdem sie sich ehedem an der Seite von Union, SPD und FDP noch gegen eine Streichung ausgesprochen hatten.

Es ist ein gutes Zeichen, daß die Initiative Rückhalt findet. Nun bleibt zu hoffen, daß der Schwung ausreicht, auch die Bundesregierung zu überzeugen", erklärte Grünen-Chef Robert Habeck diesmal Anfang Juni.

Zuvor hatten jüngst erst Habeck und die Grünen-Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtags Aminata Touré argumentiert, die Nutzung des Begriffs Rasse, "manifestiert eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, die dem Anspruch und Geist unseres Grundgesetzes, "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", widersprechen".

Längst zeigt sich nun selbst die Bundeskanzlerin Angela Merkel offen für eine Debatte, "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen. Auch CDU-Bundesjustizministerin Christine Lambrecht plädiert für eine entsprechende Änderung des Textes.

Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagte sie vor wenigen Tagen, die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten damals "Diskriminierungsgründe formuliert, unter denen Menschen während der Naziherrschaft zu leiden hatten". Die Nutzung des Begriffs sei zu jener Zeit auch richtig gewesen.

Aber wir sind heute in der Diskussion deutlich weiter. Deshalb sollten wir uns im Kampf gegen Rassismus dazu entschließen, den Begriff Rasse aus dem Grundgesetz zu entfernen, ohne dass es natürlich Abstriche beim Schutzstandard geben darf", erklärte Lambrecht.

Auch die Sozialdemokraten sprechen sich nun für eine Streichung des Rassebegriffs aus dem Grundgesetz aus.

Der veraltete Begriff 'Rasse' hat im Grundgesetz nichts zu suchen, er muss aus Artikel 3 gestrichen werden (...). Es gibt keine Rassen, diese Klarheit wünsche ich mir auch in unserer deutschen Verfassung", forderte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Vonseiten der FDP im Bundestag hieß es zuletzt, dass sich das Grundgesetz entschieden gegen Rassismus positioniere, dennoch sei nun eine Präzisierung der Formulierung von Artikel 3 vonnöten. Statt das Wort "Rasse" zu verwenden, sprechen sich die Freien Demokraten für die Nutzung der Formulierung "ethnische Herkunft" aus.

Der Co-Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch, begrüßte den Vorschlag und verwies darauf, dass man diesen Vorschlag bereits 2010 gemacht hatte.

Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU signalisierte zuletzt ebenfalls Gesprächsbereitschaft:

Ich versperre mich da nicht", so Seehofer.

Für ihn sei aber die praktische Eindämmung von Rassismus wichtiger.

Dies ist auch die Argumentationslinie etlicher seiner Parteikollegen, die sich nun gegen eine Streichung des Wortes "Rasse" aus dem Grundgesetz aussprechen. So erklärte etwa der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, eine Streichung sei "eher Symbolpolitik und bringt uns in der Sache keinen Schritt voran".

Der Unionsfraktions-Vize Thorsten Frei von der CDU erklärte der Zeitung, den Kampf gegen Rassismus werde "die sprachliche Überarbeitung" des Grundgesetzes "nicht voranbringen". Eine Aktualisierung sei nicht notwendig. Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier sprach sich dafür aus, eine Änderung des Grundgesetzes "sehr sorgfältig" zu prüfen. Laut Bouffier sei es wichtiger, "eine umfassende gesellschaftliche Debatte, wie wir dem Rassismus entschieden entgegentreten", zu führen. Sein Parteikollege Daniel Günther betonte als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, dass er sich lieber engagiere, statt sich um "solchen Theoriekram" zu kümmern.

Mehr zum Thema - "Schreckliche Tat", "rassistischer Terror": Reaktionen der Politik auf das Massaker in Hanau

Mit der Begründung, dass sie die Forderung einer Streichung für "eine eher hilflose Scheindebatte" halte, schloss sich die CDU-Vorsitzende des Innenausschusses Andrea Lindholz solchen Argumentationen an.

Laut Lindholz könne eine Streichung des Begriffs zudem die Rechtsprechung erschweren:

Ohne einen entsprechenden Rechtsbegriff, der auch völkerrechtlich verankert ist, könnte Rassismus juristisch noch schwieriger zu greifen sein", argumentierte Lindholz.

Die beiden Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, plädieren nun dafür, das Wort "Rasse" aus der Verfassung zu streichen und durch den Begriff "rassistisch" zu ersetzen. Der Brief und der entsprechende Gesetzentwurf liegen der dpa vor.

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden", lautete der konkrete Grünen-Vorschlag.

Angefügt werden solle laut den Grünen zudem noch der Satz:

Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Stephan Thomae, erkannte derweil fehlende Empathie bei einigen Unionspolitikern.

Ich finde die Argumentation, es handle sich um reine Symbolpolitik sehr entlarvend", so Thomae gegenüber der dpa.

Mehr zum Thema - Regierungssprecher: Merkel "entsetzt" über den Mord an George Floyd

Der Union scheine die Sensibilität für das Thema zu fehlen. Das Grundgesetz sei nicht nur ein Rechtstext, sondern auch ein "Dokument der Werte unserer Gesellschaft".

Der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Daniel Thym, hält "Symbolpolitik" nicht für grundsätzlich verkehrt. Zwar finde sich das Wort "Rasse" auch in anderen Dokumenten, die Bundestag und Bundesrat nicht ändern könnten – wie etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem spiele der Begriff in der Praxis deutscher Gerichte keine große Rolle, so der Jurist.

Solche Symbole können aber wichtig sein, um zu verdeutlichen, dass es keine Rassen gibt und man Menschen nicht wegen des Aussehens diskriminieren darf", ergänzte Thym.

Derweil warf der innenpolitische Sprecher der AfD, Gottfried Curio, den Grünen vor, sie wollten, "durch Begriffszensur der Wirklichkeit einen linken Deutungsrahmen" aufzwingen. Anstatt den Ausdruck "rassistisch" in den Grundgesetz-Artikel einzufügen, wäre es auch laut Curio denkbar "Rasse" durch "ethnische Herkunft" zu ersetzen.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.