Gesellschaft

"Mr. President, Sie haben 15 Minuten" – Virtueller Atomkrieg auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Stellen Sie sich vor, Sie sind US-Präsident und müssen innerhalb von 15 Minuten über das Schicksal der Welt entscheiden. Die Abrüstungsinitiative Global Zero bot während der Münchner Sicherheitskonferenz eine Virtual-Reality-Simulation (VR) an, die genau diesen Wahnsinn durchspielt.
"Mr. President, Sie haben 15 Minuten" – Virtueller Atomkrieg auf der Münchner SicherheitskonferenzQuelle: Reuters

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Wer sich auf die Simulation einließ, schlüpfte dank einer Virtual-Reality-Brille für 15 Minuten in die Rolle des US-Präsidenten. Das Ziel der Aktivisten: Den Wahnsinn verdeutlichen, den ein Ernstfall darstellt. In der Simulation wird die Entscheidungsfindung des US-Präsidenten kurz vor einem Atomkrieg nachgespielt. Damit will Global Zero, wie die Initiative in einem Kommuniqué schreibt, eine glaubwürdige und hautnahe Erfahrung davon geben, wie es in einer sich schnell entwickelnden Krise unter der aktuellen US-Strategie und dem zugehörigen Protokoll zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte – und wie irrational die Entscheidungsfindung in der Wirklichkeit sein könnte.

Im Laufe der 15 Minuten, das reale Entscheidungsfenster in einem solchen Szenario laut Global Zero, haben die Teilnehmer in der Rolle des US-Präsidenten die Möglichkeit, mit Beratern zu interagieren, Fragen zu stellen und eine Strategie festzulegen. Durch das Eintauchen in die virtuelle Realität (Immersion) soll dem Spieler vor allem auch emotional verdeutlicht werden, was es bedeutet, nachts um drei Uhr geweckt zu werden und in kurzer Zeit über das Schicksal der Welt entscheiden zu müssen.

Und genau darum geht es den Entwicklern, zu denen auch das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg gehört. Dr. Bruce Blair, Mitbegründer von Global Zero, weist darauf hin, dass die derzeitige Politik und Haltung der USA ein unannehmbar hohes und unnötig hohes Risiko darstelle. Das betreffe vor allem die Gefahr, einen Atomkrieg auf der Grundlage von falschem Alarm, unvollständigen Informationen oder sogar Fehlinformationen zu beginnen.

Laut Blair erzeugen die Interkontinentalraketen (ICBMs) der USA einen enormen Druck, Atomraketen abzufeuern, bevor sie von einem vermeintlichen Angriff zerstört werden. Die US-Nuklearwaffen sind seit Jahren im Höchstalarmzustand, auch "Hair-Trigger-Alarm" genannt.

Der Plan, ältere ICBMs in gefährdeten Silos durch neue ICBMs in gefährdeten Silos zu ersetzen, wird laut Blair nichts dazu beitragen, den "Gebrauchs- oder Verlustdruck" zu mindern. Es müsse eine wirkliche Debatte darüber geführt werden, inwieweit die geplante zwei Billionen US-Dollar schwere Überholung des US-Atomwaffenarsenals die schlimmsten Aspekte der nuklearen Entscheidungsfindung einschließen oder verschlimmern würde. Blair schreibt dazu:

Ganz gleich, wie Sie über Atomwaffen denken, wir sind uns alle einig, dass 15 Minuten nicht ausreichen, um die folgenreichste Entscheidung zu treffen, die ein Mensch treffen kann. So wie es aussieht, ist der nukleare Entscheidungsprozess ein heißes Durcheinander: Er (der US-Präsident, Anmerkung der Redaktion) wird nicht gut informiert, nicht beraten und nicht einmal rational sein. Das Schicksal von Hunderten Millionen Menschen wird von einer einzigen Person entschieden werden, die unter überwältigendem Druck steht, in einem chaotischen Moment zu reagieren.

Der Aktivist plädiert dafür, angesichts des außerordentlich hohen Einsatzes jede vernünftige Option zu verfolgen, um die Entscheidungszeit zu verlängern. Laut Blair wäre der Verzicht auf "unsolide Strategien" der nuklearen Kriegsführung zugunsten einer Regelung von "No First Use", also ein kategorischer Ausschluss einer Erstschlagoption, ein guter Anfang. Zudem verlangt er, alle Atomraketen von der "Hair-Trigger-Alarmstufe" zu nehmen und ICBMs und alle Erstschlagwaffen auslaufen zu lassen.

Nach dem Debüt auf der Münchner Sicherheitskonferenz plant Global Zero, die VR-Krisensimulation das ganze Jahr über auf Konferenzen und internationalen Foren zu präsentieren. Die Organisation wurde im Jahr 2008 in Paris gegründet. Sie wird mittlerweile von mehr als 300 führenden Persönlichkeiten, darunter unter anderem auch Michail Gorbatschow, aus aller Welt geführt und von rund einer halben Million Bürgerinnen und Bürgern weltweit unterstützt.

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