Gesellschaft

Computerspiele: Kriegspropaganda in High Definition

Vergessen Sie Hollywood. Weltweit wird mehr Geld mit Computerspielen verdient, als mit Filmen und Musik zusammen. Doch die unschuldigen Zeiten von Tetris & Co sind schon längst vorbei. Heute sollen auch mit Spielen die "gerechten Kriege" gewonnen werden.
Computerspiele: Kriegspropaganda in High Definition© Screenshot/YouTube

von Timo Kirez

Dass Hollywood und die CIA gerne zusammen kuscheln, ist schon länger bekannt. In einem aufsehenerregenden Buch mit dem Titel "National Security Cinema: The Shocking New Evidence of Government Control in Hollywood" ("Filme für die nationale Sicherheit: Schockierende neue Beweise über Regierungskontrolle in Hollywood"), belegten die beiden Autoren Matthew Alford und Tom Secker dezidiert, wie die Deals zwischen dem Geheimdienst und der Traumfabrik funktionieren. Weniger bekannt ist, dass auch die Computerspielindustrie in der medialen Propagandaschlacht kräftig mitmischt.

Dabei ist es höchste Zeit, den Fokus auch auf diese neue Traumfabrik aus Bits und Bytes zu legen. Schließlich wird mittlerweile weltweit mehr mit Spielen umgesetzt als mit Filmen und Musik zusammengenommen. Im Jahr 2017 setzte die Branche weltweit 121,7 Milliarden US-Dollar um, also rund 107,95 Milliarden Euro. Film- und Musikindustrie kamen zusammen auf rund 58,2 Milliarden US-Dollar, rund 51,63 Milliarden Euro. Und der Markt wächst weiter. Für 2019 wird geschätzt, dass die 150 Milliarden US-Dollar-Grenze geknackt wird.

Doch die Zeit der knuddeligen und harmlosen Super Marios und Donkey Kongs ist schon lange vorbei. Heute wird vor allem geballert, was das Zeug hält. Und nicht selten im Auftrag der "richtigen Seite". So postete eine Produzentin der venezolanischen Newsseite Telesur am Montag ein Video auf Twitter, das einen Clip aus dem Spiel "Call of Duty: Ghosts" aus dem Jahr 2013 zeigt. Im dem Spiel werden US-Spezialeinheiten auf eine "Mission" geschickt, um einen Stromausfall zu verursachen. Das Missionsziel: Einen Virus auf einen Computer im Wasserkraftwerks installieren. Also genau dort, wo am Freitag, dem 8. März 2019 eine Fehlfunktion zu einem tagelangen Stromausfall in Venezuela führte.

Der Entwickler des Spiels erklärte übrigens 2014, dass die Produktionsfirma Activision "externe Hilfe" zur Produktion des Spiels nutzte, darunter "Militärberater" und Planer des Pentagons. Es ist nicht das einzige Beispiel für Computerspiele, in denen die feuchten Träume aller Regime-Change-Fans in eine virtuelle Realität gegossen wurden. Im zweiten Beispiel geht es um Bolivien. Auch hier operieren wieder US-Spezialeinheiten.  In "Ghost Recon: Wildlands (2017)" unterstützt ein brutales mexikanisches Drogenkartell namens "Santa Blanca" eine "schlechte Regierung" in Bolivien. Die guten US-Amerikaner, die für die gute CIA arbeiten, müssen in diesem Spiel Bolivien infiltrieren und an der Seite der guten Rebellen kämpfen. Natürlich um die unschuldigen Dorfbewohner zu schützen und zu befreien. Die bolivianische Regierung drohte mit einer Klage gegen den Spielentwickler.

Doch schon im Jahr 2006 war Venezuela in einem anderen Spiel das Objekt der Begierde. In "Mercenaries 2: World in Flames" geht es darum, "einen machthungrigen Tyrannen zu verdrängen, der mit der Ölversorgung Venezuelas spielt und eine Invasion auslöst, die das Land in eine Kriegszone verwandelt". Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Das von den Pandemic Studios entwickelte Spiel (das auch Trainingshilfen für das US-Militär entwickelt hat) wurde nach seiner Veröffentlichung durch die Regierung von Hugo Chavez kritisiert, die in dem Spiel einen Versuch sah, die Unterstützung für eine Invasion zu gewinnen.

Die US-Army scheint jedenfalls total auf Computerspiele abzufahren. Das offizielle Spiel des Militärs nennt sich "America's Army". Es soll "jungen Amerikanern eine virtuelle webbasierte Umgebung bieten, in der sie eine Armeekarriere erkunden können", so der offizielle Tenor. "America's Army" wurde als Teil einer Post-9/11-Kampagne entwickelt und kostenlos angeboten, um neue Mitglieder für das Militär zu rekrutieren. Im Jahr 2009 kam heraus, dass es den US-amerikanischen Steuerzahler 33 Millionen US-Dollar, rund 29,26 Millionen Euro, über acht Jahre gekostet hat.

Auch die Russen bekamen ihre Dosis an animierter Propaganda verpasst. In dem Spiel "Company of Heroes 2" aus dem Jahr 2013, das im Zweiten Weltkrieg spielt, finden sich einige übertrieben böse dargestellte Russen, die aus Lust an der Freude töten. In einem Fall verbrennen die bösen Russen sogar Häuser von Zivilisten. Die US-amerikanischen Charaktere wurden, wenig überraschend, in einem viel positiveren Licht dargestellt. In Russland wurde das Spiel heftig kritisiert. 

Die Liste ließe sich noch weiter ausbauen. Die ehemalige Professorin für Kommunikation und Journalismus an der Suffolk University in Boston, Nina Huntemann, schrieb in einem Artikel aus dem Jahr 2010, dass Videospiele ein wichtiger Bestandteil der Bemühungen der US-Regierung seien, eine "Kultur der Zustimmung" für Kriege zu schaffen.

Das Volk muss zustimmen, dass unsere Regierung am Krieg teilnimmt. Um das zu erreichen, brauchen wir einen ganzen Prozess, um uns von Kindheit an beizubringen, dass Töten eine legitime Form der Konfliktlösung ist.

Diese "sanfte Propaganda", fügte sie hinzu, helfe, die Öffentlichkeit zu überzeugen, indem sie Geschichten mit universellem Reiz erzählt, "wo die Seiten von 'Gut' und 'Böse" unbestreitbar sind". Der Historiker Nick Turse erzählte dem Guardian im Jahr 2012, dass die US-Armee schon Ende der 1990er Jahre Dutzende von Millionen US-Dollar in das Institute of Creative Technologies an der University of Southern California investierte, "um speziell Partnerschaften mit der Spieleindustrie und Hollywood aufzubauen". Der ehemalige CIA-Direktor William Colby arbeitete nach seiner Karriere beim Geheimdienst  für den Computerspielproduzenten Activision (genau, die mit dem Wasserkraftwerk in Venezuela) um "Spy Thriller-Videospiele" zu entwickeln.

Das Phänomen von Propaganda und Computerspielen veranlasste die Redaktion von PC Games schon 2016, eine Liste mit entsprechenden Spielen aufzustellen. Zusammen mit dem Hinweis: Nicht beeinflussen lassen!

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