Gesellschaft

Die Alte Neue Welt - Erinnerungen zum Todestag von Andrew Thorndike

Mit dem Dokumentarfilm "Die Alte Neue Welt" beleuchteten Andrew Thorndike, sein Todestag jährt sich am 14. Dezember zum 39. Mal, und dessen Frau Annelie 1977 die Menschheitsgeschichte und analysierten sie schonungslos auf materialistisch-dialektischer Grundlage.

von Hans Dreja und Jorge Friesen

Es ist schon erstaunlich, dass wir in der Lage sind, so komplexe technische Geräte wie beispielsweise Smartphones zu entwickeln und herzustellen. Und selbst die reine Anwendung dieser Alltagsgegenstände erfordert ein gewisses logisches Verständnis vom Anwender.

Der Mensch hat im Laufe der Zeit viele physikalische und naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten erkannt und für sich nutzbar gemacht. Umso erstaunlicher ist es aber, dass wir offensichtlich nicht in der Lage sind, einfache ökonomische Gesetzmäßigkeiten im gesellschaftlichen Zusammenleben zu erkennen und für das Allgemeinwohl anzuwenden oder nutzen zu wollen.

Eine materialistische Betrachtung "unserer" (westlichen) Welt im Verhältnis zum Rest der Welt fehlt praktisch vollständig, und auch das Wirken der Wirtschafts- und Finanzkräfte wird in der Regel verzerrt dargestellt. Denken wir an solche Thesen, wonach die Ärmsten auch reicher werden, solange man nur die Reichsten reicher werden lässt. Oder die menschenverachtende Theorie (und auch christlich-abendländischer Glaube), dass jeder seines eigenen Glückes Schmied sei. Wie soll denn ein Kind, das in den Slums von Detroit oder Soweto aufwächst, sein Glück finden, geschweige denn selber "schmieden"? Diese christliche Ermunterung weiter gedacht würde bedeuten, dass ein afrikanisches Kind, welches im Alter von fünf Jahren an verschmutztem Trinkwasser stirbt, sein Glück eben schlecht geschmiedet hat! Und was ist mit dem afroamerikanischen Kind in den Slums von Detroit? Hat es überhaupt jemals eine reale Chance auf geistige Entwicklung und körperliche Unversehrtheit? Oder ist eine Portion Glück und eher noch Skrupellosigkeit erforderlich, um sich überhaupt eine gewisse wirtschaftliche und materielle Sicherheit zu erkämpfen?

Nach Angaben der UNESCO (Stand 2018) zählen wir noch immer mehr als 750 Mio. Analphabeten weltweit, wovon ein Großteil in den Entwicklungsländern lebt. Knapp 800 Mio. Menschen auf der Welt leiden an Hunger und Unterernährung, während wir längst über die technischen und logistischen Möglichkeiten verfügen, diese existentiellen Missstände zu beheben. Andrew Thorndike stellt in seinem Dokumentarfilm hierzu die berechtigte Frage: „Warum befinden sich unsere Möglichkeiten und unsere Wirklichkeiten in so krassem Widerspruch?“

Antworten auf diese Frage kann nur eine realistische, also eine nicht-idealistische, eine materialisitsch-dialektische Weltanschauung liefern. Und gerade weil sich die westliche Welt stets auf die Einhaltung der Menschenrechte beruft, um unterdrückte oder sich emanzipierende Staaten zu diskreditieren oder zu destabilisieren, drückt sich der angeblich so aufgeklärte, mündige und eigenverantwortliche Bürger im "christlichen Abendland" um ehrliche Antworten herum. Eine materialistische Betrachtung der Welt könnte ihn zu ehrlichen Antworten führen.

Allein der große materielle Wohlstand der kleinen "weißhäutigen" christlichen Welt im Vergleich zum großen Rest hat menschengemachte Ursachen und ist eben nicht gottgegeben. Diese Ursachen und Wirkungen lassen sich dank des dialektischen und historischen Materialismus wissenschaftlich beschreiben. Deshalb wollen wir hier als kleinen Einstieg an Andrew Thorndike erinnern, dessen Todestag sich am 14. Dezember zum 39. Mal jährt. Mit seinem Dokumentarfilm "Die Alte Neue Welt" (1977) wird die Geschichte unseres Planeten anschaulich und realistisch - also auf materialistische Weise - betrachtet. Sehr eindrücklich wird gezeigt, wie der "weiße Christ" den weitaus größeren anderen Teil unseres Planeten ausbeutet. Besonders die Kolonien wurden seit Beginn des Kapitalismus durch die sich stürmisch entwickelnden Produktivkräfte und den damit verbundenen Rohstoffbedarf rücksichtslos ausgeplündert. Die einheimische Bevölkerung wurde dem untergeordnet, die Menschen wurden zu billigen und rechtlosen Arbeitskräften abgewertet. Und das funktioniert, auch wenn es nicht so scheint, bis heute auf dieselbe Weise, auch wenn die Kolonien - zumindest auf dem Papier - inzwischen unabhängige Staaten sind.

Trotzdem hat sich, vom materialistischen Standpunkt aus betrachtet, praktisch nichts geändert. Der westliche Wohlstand und Ressourcen-Raubbau wird immer noch von Millionen verschiedenfarbiger Menschen sichergestellt. Um nicht zu sterben, müssen sie ihre Arbeitskraft billig an die (oft genug weißen) Eigentümer der Produktionsmittel verkaufen und erhalten dafür nur das Notwendigste zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft. Denn genau so lässt sich das Profitmaximum errechnen. Inzwischen sind die Entwicklungsländer nicht nur bloße Rohstofflieferanten, sondern verarbeiten aufgrund ihrer billigen Arbeitskräfte ihre Rohstoffe z. T. auch schon selbst, bis hin zu Halbfabrikaten oder verkaufsfertigen Produkten für die westliche Welt. Dennoch hebt auch diese Entwicklung keineswegs das Lebensniveau in diesen Ländern. Wir erkennen, dass trotz zunehmender materieller Produktion und Produktivität das Lebensniveau nur in dem Maße ansteigt, wie es die eigentlichen Besitzer der Produktionsmittel erlauben.

Ein interessanter Nebeneffekt der Verlagerung der materiellen Produktion in die Nähe der Rohstofflager ist eine weniger belastete Umwelt in der westlichen Welt. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass der abendländische Christ auch hier nicht das Privateigentum an den Produktionsmitteln als wahre Ursachen dafür (an-)erkennt. Deshalb bleiben die Aktionen der Umwelt-, Natur- und Tierschützer oder der sogenannte "gerechte Handel" (fair trade) mit den Entwicklungsländern erstaunlich selbstgerecht und oberflächlich. Solche Lösungsansätze bringen bestenfalls kurzfristige, lokale Linderungen des Elends, weil die globale Wirkungsmacht der kapitalistischen Besitzverhältnisse nicht (an-)erkannt und schon gar nicht bekämpft wird.

Verallgemeinernd lässt sich feststellen, dass doch wohl zweifelsfrei die materielle Produktion die Basis jeder menschlichen Gesellschaft und somit auch unserer sogenannten Zivilisation ist. Kurz gesagt ist nur die ausreichende Verfügbarkeit an Waren und Gütern ein Garant für eine relative wirtschaftliche Stabilität in der westlichen Welt mit ihren Sozialsystemen, ihrem Gesundheitswesen und ihren großzügigen individuellen Freiheiten (im materiellen Sinne).

Das kleingeistige und egoistische Verhalten eines Individuums zur Sicherung seines erworbenen materiellen Wohlstandes verdeckt jedoch manchem den Blick auf die reale Welt. Obwohl ständig von Globalisierung gesprochen wird, ist die beschriebene globale Wirkung des Kapitalismus für die meisten weißen Christen offensichtlich nicht durchschaubar. Damit bleibt dann die materielle und auch geistige Verelendung (keineswegs nur) der unteren Klassen und Schichten, insbesondere in den Entwicklungsländern, unsichtbar.

Dieses globale Ausbeutungsschema bewirkte in den Entwicklungsländern über die letzten drei Jahrhunderte derartig deformierte Volkswirtschaften, in denen nur jene Landwirtschafts- oder Industriezweige entwickelt wurden, die für den Westen nützlich waren und dort den erhofften Profit abwarfen. Wenn Länder wie Kuba oder Venezuela ihre wahre Unabhängigkeit anstrebten, folgten harte Wirtschaftssanktionen des Westens (natürlich hinter dem fadenscheinigen Mäntelchen unserer westlich-humanitären "Werte", ohne zuzugeben, dass die Werte der Aktien an den Börsen gemeint sind). "Notfalls" bis hin zum unverhohlenen militärischen Eingreifen. Es soll um jeden Preis verhindert werden, dass selbständige Volkswirtschaften entstehen, in denen die materielle Produktion und die Verteilung ihrer Ergebnisse vom Volk selbst bestimmt und von ihm auch verbraucht werden kann. In einer gerechten Weltwirtschaft würde internationale Arbeitsteilung bedeuten, dass die verschiedenen Völker ihre eigenen Waren produzieren und entsprechend ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen untereinander austauschen. Eine solche internationale Arbeitsteilung und Weltwirtschaft würde unweigerlich harte Abstriche für unseren westlichen Lebensstandard bedeuten, also auch leere Regale, wie das angeblich "im Osten" überall war.

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Die materialistische Betrachtung der Menschheitsgeschichte, wie von Andrew Thorndike und seiner Frau Annelie in diesem Dokumentarfilm bildhaft umgesetzt, sollte jedem Zuschauer die Augen öffnen können. Darüber hinaus erschließt sich aus der materialistisch-dialektischen Betrachtung der Welt ein nicht ganz neues, aber tieferes Verständnis einer Definition von Menschlichkeit im Gegensatz zu den vorgeblichen westlich-humanitären Werten. Durch die menschliche Tätigkeit formt sich eine Persönlichkeit. Das macht die Vielfalt menschlicher Individuen aus, die sich neben der Entwicklung der produktiven Kraft des Menschen selbst auch in der Entwicklung von Produktionsmitteln und am Ende auch in Kunst und Kultur äußert. Diese Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung werden den meisten Menschen in der Welt vorenthalten, auch und gerade in der freiheitlich-westlichen Welt. Marx sprach im materialistischen Sinn von der Weltgeschichte, die nichts anderes ist, als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit.

Abschließend sei angemerkt, dass "Die Alte Neue Welt" wahrscheinlich leider niemals auf DVD oder in anderen digitalen Formaten verfügbar sein wird. Für interessierte Zeitgenossen gibt es aber einen Ausweg. Das gleichnamige Buch von Andrew Thorndike und seiner Frau Annelie, das auf diesem Dokumentarfilm beruht, ist über Antiquariate oder über die umfangreiche Sammlung zur Rettung von DDR-Literatur durch den Schauspieler Peter Sodann aus seinem Archivbestand eventuell noch leicht zu erwerben.

Auch wenn das Lesen von Büchern stark an Popularität verloren hat, ist die Lektüre von Klassikern zum historischen und dialektischen Materialismus (selbst am PC-Bildschirm möglich!) sehr empfehlenswert, um sich kritisch mit der heutigen menschlichen Gesellschaft auseinanderzusetzen und um selbständig und systematisch die nationalen und internationalen Geschehnisse zu analysieren, Ursachen zu erkennen und eigene Zielsetzungen abzuleiten.

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