Gesellschaft

Fertigpizza, Nudeln und Pastasoße: Deutsche können nicht mehr kochen

Noch stärker als Toilettenpapier wurden vor dem Corona-Lockdown Nudeln und Reis nachgefragt. Viel mehr könnten die Deutschen halt nicht mehr zubereiten, sagt Christoph Minhoff. Der Nahrungslobbyist hofft auf einen Lerneffekt in der Pandemie.
Fertigpizza, Nudeln und Pastasoße: Deutsche können nicht mehr kochenQuelle: AFP © Odd Andersen

Die Corona-Krise hat die Deutschen nach Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) als Kochmuffel entlarvt. "Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass die Kochkompetenz der Deutschen drastisch sinkt", sagte BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Das stelle viele Menschen nun, wo die Restaurants geschlossen haben, vor große Probleme. "Der Wegfall des Angebots von Schnellrestaurants, Pommesbuden und Italiener um die Ecke wirft die Leute nun dramatisch zurück auf ihre eigenen Kochkünste", sagte Minhoff. "Und die sind begrenzt."

Das Wissen, wie man sich aus mehreren Komponenten eine Mahlzeit zubereitet, werde in den Familien kaum noch vermittelt. Kochshows in Fernsehen und Internet könnten das nicht kompensieren. Gekocht werde fast nur noch am Wochenende, "und wenn gekocht wird, dann eher als Event und nicht als Teil einer gewöhnlichen Nahrungsaufnahme", so der Verbandschef.

In unserer arbeitsintensiven Gesellschaft hätten wir uns daran gewöhnt, zubereitetes Essen zu kaufen. Etwa in Fastfood-Läden, Kantinen oder beim Bäcker. Dieses Angebot gebe es nun plötzlich kaum noch. "Jetzt stehen die Leute im Supermarkt und denken sich, ja gut, wie mache ich denn jetzt einen Burger selbst?"

So erkläre sich auch der Run auf bestimmte Produkte im Supermarkt zu Beginn der Krise. "Eine Fertigpizza kann noch jeder in den Ofen schieben, und Nudeln kochen mit Pastasoße darüber überfordert die meisten auch nicht", sagte Minhoff. Schon eine Kartoffel zu kochen, sei aber eine Herausforderung. "Da müssen Sie wissen: Mit oder ohne Schale kochen? Wenn ja, wie viel Salz muss da ins Wasser rein? Wie lange muss ich die dann kochen?", sagte der BVE-Chef. "Da werden jetzt viele sagen: Na das ist doch ein Witz, das kann doch jeder! Nein, es kann eben nicht jeder."

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Dass die Deutschen Nachholbedarf beim Kochen haben, legt auch ein internationaler Vergleich aus dem vergangenen Sommer nahe. So gaben in einer Umfrage des Arzneiherstellers Stada nur 46 Prozent der Bundesbürger an, fast täglich frisch zu kochen – in Italien waren es 79 Prozent. Als noch größere Kochmuffel zeigten sich in Europa nur die Briten. In anderen Ländern habe selbst zubereitetes Essen einen deutlich höheren Stellenwert als in Deutschland, hieß es in der Umfrage unter 18.000 Menschen in Europa.

In der Corona-Krise waren in Deutschland gut lagerbare Lebensmittel gefragt. In der zweiten Märzwoche, also der Woche, bevor in den meisten Teilen Deutschlands die Schulen geschlossen wurden und erste Corona-Beschränkungen in Kraft traten, wurden in Deutschland laut BVE gut 170 Prozent mehr Teigwaren und etwa 179 Prozent mehr Reis verkauft als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Noch höher war die Nachfrage nach Mehl, die 200 Prozent über dem Vorjahreswert lag; Brotmischungen wurden mehr als 330 Prozent häufiger nachgefragt.

"Begehrt war alles, was lange haltbar und auch möglichst leicht zu kochen ist", sagte Minhoff. Bei Mehl oder auch Hefe habe der niedrige Stückpreis zur extremen Nachfrage beigetragen. Zum Vergleich: Die Nachfrage nach Toilettenpapier lag laut der BVE-Statistik "nur" gut 118 Prozent über dem Wert aus der zweiten Märzwoche 2019.

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Trotz dieses exorbitanten Ansturms habe die Branche die Versorgung aufrechterhalten, betonte Minhoff. Besondere Wertschätzung habe es dafür aber nicht gegeben. "Noch immer wird in der Öffentlichkeit unterschätzt, und das finde ich ein wenig traurig, was für eine unglaubliche logistische Leistung die Ernährungsindustrie generell und jetzt in der Corona-Krise speziell vollbringt", sagte Minhoff. "Unsere Unternehmen sorgen weiter für volle Regale in den Supermärkten."

Der Verbandschef hofft, dass die Corona-Krise seinen Mitarbeitern etwas mehr Anerkennung verschafft – und dass die Deutschen zu einem anderen Verhältnis zu ihrem Essen zurückfinden. "Sie können ein Lebensmittel nur wertschätzen, wenn Sie den Umgang damit auch mal selbst praktizieren", sagte Minhoff. "Wenn man erfährt, wie viel Arbeit dahintersteckt, ein schmackhaftes, ausgewogenes Essen herzustellen, bekommt man einen völlig neuen Zugang."

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