Europa

Und wieder ist der Russe schuld: Corona-Panik laut internem EU-Bericht von Moskau geschürt

Um die Zahl der Corona-Toten in Europa zu erhöhen, verbreitet Moskau gezielt Fake News. So lauten nun Schlagzeilen, nachdem ein interner EU-Bericht bekannt wurde. Darin wird dem Kreml bar jedes Belegs das gezielte Streuen von Falschmeldungen vorgeworfen.
Und wieder ist der Russe schuld: Corona-Panik laut internem EU-Bericht von Moskau geschürtQuelle: www.globallookpress.com © Stefan Ziese/http://imagebroker.com/

Die Bemühungen Russlands, mittels Fake News westliche Staaten zu destabilisieren und deren Wahlen zu beeinflussen, sind legendär – und zwar im wörtlichen Sinne. Es ist eine Legende, auf die sich Politik und Medien immer wieder berufen, ohne sie belegen zu können.

Monatelang beherrschte "Russiagate", also die angebliche Einmischung Russlands bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 zugunsten Donald Trumps, nicht nur in den Vereinigten Staaten die Schlagzeilen. Keine Schlagzeilen machte es hingegen, als Anfang dieser Woche das US-Justizministerium die Anklage wegen Wahleinmischung gegen eine russische Firma mit Verbindungen zur berühmt-berüchtigten "Petersburger Trollfabrik" fallenließ.

Gut, in Zeiten der Corona-Krise können solche Meldungen schon mal unter den Tisch fallen. Dabei bietet die Krise den Stoff, aus dem innerhalb der EU bereits die nächste Legende gestrickt wird:

Viele falsche Informationen zur Corona-Krise kommen nach Feststellung der EU-Kommission derzeit aus russischen Quellen. Die Fehlinformationen und Lügen würden unter anderem aus Russland oder von russischen Servern verbreitet sowie von Quellen, die mit dem Kreml zu tun hätten", meldete die dpa am Mittwoch.

"Seit dem Ausbruch haben wir die Beobachtung intensiviert", sagte Kommissionssprecher Peter Stano dazu. Er forderte die EU-Bürger auf, Informationen im Zweifelsfall lieber doppelt und dreifach zu prüfen: "Es geht um Menschenleben."

Am Vortag hatte die Financial Times erstmals über ein internes Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) berichtet, das auf den 16. März datiert ist. Laut dem EU-Bericht hätten Pro-Kreml-Medien eine "signifikante Desinformationskampagne" gestartet, um "Verwirrung, Panik und Angst" zu schüren im Rahmen einer umfassenden Strategie, "europäische Gesellschaften von innen heraus zu untergraben".

Das übergreifende Ziel der Desinformation des Kreml ist es, die Krise der öffentlichen Gesundheit in den westlichen Ländern zu verschärfen, insbesondere durch die Untergrabung des öffentlichen Vertrauens in die nationalen Gesundheitssysteme – und damit eine wirksame Reaktion auf den Ausbruch zu verhindern", zitiert die Financial Times aus dem Bericht.

Schlagzeilen wie "Russland plant, die Zahl der Coronavirus-Toten in Europa mit gefälschten Nachrichten zu erhöhen", waren daraufhin geboren. Konkrete Beispiele nennt die Financial Times allerdings nicht, nur vage heißt es, russische Medien wie RT würden "apokalyptische Geschichten" verbreiten, die darauf abzielten, "den Kapitalisten die Schuld dafür zu geben, dass sie versuchen, vom Virus zu profitieren".

Reuters blamiert sich mit Beispiel – und korrigiert sich klammheimlich

Konkreter wird ein Reuters-Artikel vom Mittwoch:

Er [der EAD-Bericht] zitiert von Russland erzeugte Fake News in Italien, dem am zweitstärksten betroffenen Land der Welt, dass das Gesundheitssystem nicht in der Lage sein würde, mit der Lage zurechtzukommen, und dass die Ärzte wählen müssten, wer lebt oder stirbt, weil es an Betten fehlt.

Halten wir also fest: Alle Welt schreibt über den Kollaps des italienischen Gesundheitssystems und darüber, dass Ärzte "wie im Krieg" selektive Maßnahmen ergreifen müssen, die über Leben und Tod entscheiden. Aber wenn russische Medien darüber berichten, sind es Falschmeldungen, die die Zahl der Toten in die Höhe treiben sollen.

Ironischerweise hatte Reuters am selben Tag von der fatalen Überlastung in Italien berichtet. Wohl damit dieser Widerspruch nicht zu deutlich wird, hat die Nachrichtenagentur die oben zitierte Passage aus der ursprünglichen Version klammheimlich durch die folgende, allgemein gehaltene Passage ersetzt:

Er [der EAD-Bericht] zitiert von Russland erzeugte Fake News in Italien – das unter dem zweithäufigsten tödlichen Ausbruch des Coronavirus in der Welt leidet – , in denen behauptet wurde, dass die EU mit ihren 27 Nationen nicht in der Lage sei, die Pandemie wirksam zu bekämpfen, trotz einer Reihe von kollektiven Maßnahmen, die die Regierungen in den letzten Tagen ergriffen haben.

Es ist unbestritten, dass derzeit viele Fake News im Zusammenhang mit der Corona-Krise die Runde machen – genannt sei nur, dass Donald Trump angeblich das Kriegsrecht über die USA verhängt hätte. Doch es gibt keinen Beleg dafür, dass der Kreml oder die von ihm finanzierten Medien Fake News streuen. Andernfalls würde der Europäische Auswärtige Dienst wohl kaum auf solch haarsträubende Konstrukte wie das Beispiel aus Italien zurückgreifen. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass auch in Russland viele Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie gestreut werden.

Moskau spricht von russlandfeindlicher Haltung

Moskau bezeichnet den EAD-Bericht als weiteres Zeichen für eine russlandfeindliche Haltung. Es gebe darin nicht ein konkretes Beispiel und einen Nachweis für diese haltlosen Behauptungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax, weswegen es "vom gesunden Menschenverstand her unmöglich" sei, das Dokument zu kommentieren. "Von der Idee her sollte die russophobe Besessenheit in dieser aktuellen Lage sinken. Aber offenkundig geht das nicht", sagte Peskow.

Kommissionssprecher Peter Stano wollte sich zum Inhalt des EAD-Berichts laut Sputnik nicht äußern:

Das Dokument, über das die 'Financial Times' berichtet hat, ist ein internes Arbeitsdokument, das für die Veröffentlichung nicht bestimmt ist. Deswegen darf man dessen Inhalt nicht kommentieren.

Bissig kommentierte dagegen RT- und Sputnik-Chefredakteurin Margarita Simonjan auf Twitter den substanzlosen Bericht der Financial Times:

Liebe Erdenbewohner, die ihr jetzt in Supermärkten um Klopapier kämpft! Ich glaube, ich weiß, wofür sie die letzte Druckauflage der FT-Zeitung benutzen können.

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