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Interner Konflikt: Bundestags-Gutachten entkräftet die These vom russisch-ukrainischen Krieg

Seit Jahren versucht Kiew die Weltöffentlichkeit von einem Krieg Russlands gegen die Ukraine zu überzeugen. Per Rada-Beschluss wird Russland als "Aggressor" bezeichnet. Ein Gutachten für den Bundestag lässt an dieser These jedoch starke Zweifel aufkommen.
Interner Konflikt: Bundestags-Gutachten entkräftet die These vom russisch-ukrainischen KriegQuelle: Sputnik © Walery Melnikow

von Wladislaw Sankin 

Vor nicht allzu langer Zeit – Anfang Dezember 2019 – war ein Autor in der Welt wieder einmal über die Deutschen "not amused". Nach neuerlicher Behauptung, Russland führe gegen einen europäischen Nachbarn weiterhin Krieg, stellte er beiläufig unter Deutschen einen Beschwichtigungsreflex fest, der sie daran hindere "dem Aggressor mit versteiftem Rückgrat entgegenzutreten". Es sei in den Köpfen der Menschen noch nicht angekommen, wie bedrohlich Russland sei.

Vor einem Jahr sah ein anderer Autor, damals in der FAZ, in dem Grenzzwischenfall an der Straße von Kertsch im November 2018 (Beitrag "Das schreckliche Wort "Krieg") ein sicheres Zeichen, dass "Russland gegen die Ukraine einen Krieg führt." Auch er beklagte sich über die "Vedruckstheit" der Deutschen, die mehrheitlich von einem angeblich von Russland geführten Krieg nichts wissen wollen.

Solche Beiträge erscheinen regelmäßig – was wiederum den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages eine Randbemerkung wert ist, als sie in einer der jüngsten Studien zum Ukraine-Konflikt feststellten, dass "in den deutschen Medien überwiegend von einer aktiven militärischen Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt berichtet wird". Gleichzeitig müsse aber eingeräumt werden, "dass eine Vielzahl der Indizien, die darauf hindeuteten, dass Russland den Konflikt stützen oder sogar steuern könnte (Satellitenaufnahmen, Augenzeugenberichte usw.), letztlich nicht beweiskräftig" seien.

Für die Wissenschaftlichen Dienste des Parlaments bildete dieser Sachstand offenbar genügenden Anlass, selbst tätig zu werden und das Gutachten "Intervention in Bürgerkriegsgebieten: Zur Rolle Russlands im Ost-Ukraine-Konflikt" zu erstellen. Um es vorwegzunehmen: Zur Kernfrage der militärischen Involvierung Russlands in den Konflikt konnten die Gutachter "kein eindeutiges Lagebild" feststellen. Auch der Bundesregierung lägen – und das trotz vielbeschworenem Zugang zu geheim gehaltenen nachrichtendienstlichen Daten – keine belastbaren Erkenntnisse vor.

Der Konflikt zwischen den ukrainischen Streitkräften und pro-russischen Separatisten im Donbass/Donezbecken sei territorial und weist klassische Züge eines nicht-internationalen (also internen) bewaffneten Konflikts auf, urteilen die Wissenschaftlichen Dienste.

Laut Gutachtern fällt die russische Unterstützung der Rebellen unter eine "Intervention unterhalb der Gewaltanwendungsschwelle" einer "hybriden Kriegsführung". Auch eine andere Studie wird zitiert:

Obwohl russische Aktionen dazu beigetragen haben, den ukrainischen Konflikt zu entfachen, und ihn seitdem angeheizt haben, sollte die Situation im Donbass nicht zu eng als Angelegenheit einer russischen Besatzung definiert werden", schreibt die NGO International Crisis Group.

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Solche Zitate bieten zwar noch trotzdem gewisse Interpretationsräume für Verfechter der Theorie eines von Russland geführten Krieges gegen die Ukraine, rücken sie durch dieses Material aber dennoch zunehmend in die Propaganda-Ecke – wo sie eigentlich seit langem hingehören. Denn es ist bekannt, wieviel Geld und Mühe vom Anbeginn des Ukraine-Konfliktes – unter dem Deckmantel der PR – in die Propaganda zur Durchsetzung eines antirussischen Medien-Narratives gesteckt wurden.

So existiert seit März 2014 das sogenannte Journalisten-Netzwerk Ukraine Crisis Media Center (UCMC), dessen Dienste auch deutsche Journalisten gern in Anspruch nehmen – um nur eine solcher US-finanzierten NGOs zu nennen. Durch die Auswahl der Experten und sorgfältiges Wording sollte unter anderem das Bild der Ukraine als Opfer einer "russischen Aggression" im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert werden.

Das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste geht auf die Frage der Genese des Ukraine-Konflikts nicht ein und ist tendenziell erkennbar russlandkritisch. So wird festgestellt, dass mit Blick auf die Ost-Ukraine die russische Einbürgerungspolitik zwar unterschiedlich beurteilt werde, wird tendenziell jedoch als "unverhältnismäßig" bewertet.

Dennoch: Den kausalen Zusammenhang einiger Ereignisse während des Konflikts stellten die Gutachter ansatzweise plausibel dar, so etwa, wenn Moskaus Hilfe an die Rebellengebiete als Folge der ukrainischen Politik bewertet wird:

Moskau leistet wirtschaftliche und humanitäre Hilfe und Unterstützung beim Aufbau der Staatlichkeit in den von pro-russischen Separatisten kontrollierten aber international nicht anerkannten 'Volksrepubliken' Lugansk und Donezk, die infolge einer ukrainischen Handelsblockade vollständig darauf angewiesen sind, Rohstoffe aus Russland zu beziehen und eigene Produkte dorthin zu liefern.

In der Debatte um die Einbürgerungsaktion wird das vereinfachte Passausstellungsverfahren für Donbass-Bewohner – ausnahmsweise einmal Putins Argumentation folgend – als humanitäre Maßnahme im "isolierten Kriegsgebiet der Ost-Ukraine" bezeichnet. Isoliert zu sein, – eben auch durch westliche Sanktionen – das entspricht weitgehend dem Lebensgefühl der Millionen Menschen, die in den international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk leben. Reportagen vor Ort, auch von RT Deutsch, bestätigen dies.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages stützen sich in ihrer Studie fast ausschließlich auf Materialen des deutschen Medien-Mainstreams und der regierungsnahen Denkfabriken. Wahrscheinlich deshalb bleibt die Genese des Konflikts, die für das Verständnis seines Charakters aus der rechtlichen Sicht unerheblich ist, in der Studie ausgeblendet.

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Dennoch ist ungeachtet dessen eine vergleichsweise ausgewogene Analyse gelungen. Es bleibt nur eine Mutmaßung, wie sie hätte ausfallen können, hätte man auch viel kritischere Sichtweisen für die Studie herangezogen. Derer gibt es zahlreiche, aber sie werden im deutschen Mainstream konsequent wenig oder gar nicht beachtet.

Dazu zählen beispielsweise die Artikel zum Ukraine-Konflikt des Berliner Rechtswissenschaftlers Herwig Roggemann. Er hatte sie bereits im Jahr 2015 in einer Taschenbuchausgabe zusammengefasst. Bis jetzt vertritt heute der 84-Jährige Jurist seine Thesen aktiv auf Tagungen und Konferenzen.

Die Revolte auf dem Kiewer Maidan bezeichnet er als Staatsstreich, der das Wesen des ukrainischen Staates bis auf seine Grundlagen erschütterte und daher staatsrechtliche Konsequenzen hatte. Dies konnte nicht ohne Folgen für einige Gebiete in der Ukraine selbst und den Nachbar Russland mit seinen historisch gewachsenen Interessen in der Region bleiben. Zu den antirussischen Sanktionen der westlichen Staaten, die auch sogenannte Separatisten in der Ostukraine treffen, schreibt er:

Auf dem Maidan wurde eine bürgerkriegsähnliche Konfliktsituation unter ausländischer Beteiligung ausgelöst. Damit verliert die einseitig gegen Russland als einen der späteren, unterstützenden Mitakteure gerichtete Sanktionspolitik ihre politische Legitimation und auch ihre Rechtfertigungsgrundlage.

Auch zu diesen Sanktionen verfassten die Wissenschaftlichen Dienste mehrere Arbeiten. Doch ihre äußerst fragwürdige völkerrechtliche Grundlage wurde darin nicht thematisiert. Sogar die Gegner der Sanktionen berufen sich darauf, dass sie ihr Ziel verfehlen, nämlich eine Änderung der Politik von Seiten Russlands. Dass dieses politische Mittel ohnehin außerhalb der UNO völkerrechtlich grundsätzlich nicht legitim ist, stellt auch für sie kein Thema dar.

Recht, zumal auch Völkerrecht, spielt in der Politik offenbar eine zweitrangige Rolle, auch wenn sich Politiker dabei ständig auf das Recht berufen. Es ist also ein politischer Reifungsprozess nötig, bis endlich auch der rechtliche Charakter der Sanktionen im deutschen Bundestag hinterfragt werden wird. Dass dieses jüngste Gutachten nun den Konflikt als ein Thema aufgriff, das inzwischen fast sechs Jahre alt ist, lässt erkennen, dass diese Gesamtproblematik aktuell in Deutschland noch immer einer umfassenden Anerkennung und Neubewertung harrt.

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