Europa

Trotz Streikwelle – Neuer EU-Kommissar Breton fordert von Macron Umsetzung neoliberaler Rentenreform

In einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 besteht der neue EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Thierry Breton darauf, die Reformen, die die EU-Exekutive für notwendig hält, in jedem Mitgliedsstaat durchzusetzen. Auch in Frankreich – trotz massiver Proteste.
Trotz Streikwelle – Neuer EU-Kommissar Breton fordert von Macron Umsetzung neoliberaler RentenreformQuelle: AFP © Zakaria ABDELKAFI

von Pierre Lévy, Paris

Am Montag hatte der Radiosender Europe 1 die schöne Idee, den neu ernannten EU-Kommissar für Binnenmarkt, Industriepolitik, digitale Technologien und einige andere Arbeitsbereiche einzuladen.

Thierry Breton sollte den Standpunkt Brüssels zu der von der französischen Regierung geplanten Rentenreform darlegen. Mit gemischten Gefühlen warteten wir auf das Urteil. Die Spannung war groß.

Von den ersten Worten des Kommissars an muss der Herr des Elysée – der Breton für das Amt in Brüssel vorgeschlagen hatte – jedoch einen tiefen Seufzer der Erleichterung getan haben: Von dem Mann, der noch vor wenigen Wochen der Chef des großen IT-Dienstleistungsunternehmens Atos war, nachdem er Bull, Thomson und dann France Télécom geleitet hatte, ganz zu schweigen von seinem Umweg über das französische Finanzministerium, kam für die Streikenden keine Unterstützung.

Im Gegenteil: "Ich denke an alle, die heute Morgen in Schwierigkeiten sind" (also in den Verkehrsmitteln festsitzen), sagte er. Mit diesem erhabenen Satz wollte Herr Breton sicher von Brüssel aus sein Mitgefühl für die Leiden seines eigenen Volkes zeigen. Er fügte hinzu: "Man hofft, dass man die Mittel finden wird, um diese Reform zu Ende zu bringen".

Das erste "man" bezieht sich eindeutig auf die Europäische Kommission, das zweite auf die französischen Behörden, von denen "man" erwartet, dass sie den bösen Streikenden nicht nachgeben.

Und Thierry Breton bekräftigte dies noch:

Die Europäische Kommission hält es für notwendig, dass alle Reformen, die notwendig sind, insbesondere diese, auf dem gesamten Kontinent durchgeführt werden.

Dem gerade erst bestellten Kommissar wird man nicht die Schuld für die feine Tautologie geben ("die Kommission hält alle Reformen, die notwendig sind, für notwendig"), denn das Wesentliche ist klar: In Brüssel wollen wir nichts von den "Strukturreformen" aufgeben. Und vor allem nicht den Druck auf die Hauptstädte, von denen erwartet wird, dass sie nicht nachgeben.

Bereits in seinem Büro – das wahrscheinlich noch nach frischer Farbe riecht – hat es nicht lange gedauert, bis sich der neue Kommissar mit allen EU-Maßnahmen vertraut gemacht hat, die den Mitgliedsstaaten, insbesondere denjenigen der Eurozone, bei der zu verfolgenden Wirtschaftspolitik Orientierung geben. So heißt es im Nationalen Reformprogramm (NRP), das die jährlichen Verpflichtungen von Paris (wie von jeder Hauptstadt) gegenüber der Europäischen Union zusammenfasst, und deren letzte Ausgabe im April 2019 in Brüssel vorgelegt wurde:

Der Zugang zur Beschäftigung und die Neubewertung der Arbeit sind eine Priorität, daher muss der Arbeitsmarkt reformiert, die Lohnnebenkosten gesenkt und die Arbeitslosen- und Rentenversicherungssysteme modernisiert werden.

Alles klar…

Im angelsächsischen Kauderwelsch nennt man das eine "Roadmap" – hier für Frankreich. Und die französischen Behörden sind betriebsbereit – zumindest will Herr Breton das glauben: Emmanuel Macron wird "von Brüssel aus als jemand gesehen, der begonnen hat, das Land gründlich zu reformieren" und genießt "viel Vertrauen" innerhalb der europäischen Exekutive.

Er wird es wahrscheinlich brauchen.

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