Europa

Britische Brexit-Seite: "Nicht zwei Weltkriege gewonnen, um von Deutschen herumgeschubst zu werden"

Je näher der 31. Oktober rückt und damit ein "ungeordneter Brexit", desto schriller werden die Töne. Ein weiteres Beispiel liefert die britische Brexit-Webseite "Leave.eu", die Bundeskanzlerin Merkel ruppig daran erinnert, wer die beiden Weltkriege gewonnen hat.
Britische Brexit-Seite: "Nicht zwei Weltkriege gewonnen, um von Deutschen herumgeschubst zu werden"© Screenshot Twitter

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"Krautbashing" lautet der gängige Ausdruck auf der Insel, wenn sich die Briten über Deutsche lustig machen. Meistens können die Deutschen sogar mitlachen, wie zum Beispiel bei der legendären Folge "The Germans" der englischen Kultserie "Fawlty Towers" aus den 1970er Jahren mit dem Monty Python-Idol John Cleese in der Hauptrolle. Stichwort: "Don't mention the War."

Über das Verhältnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum britischen Humor ist nichts bekannt, doch die 65-jährige dürfte über einen martialischen Twitter-Post der Brexit-Plattform "Leave.Eu" vom Dienstag "not amused" gewesen sein. In dem mittlerweile wieder gelöschten Post schreibt "Leave.eu":

Wir haben nicht zwei Weltkriege gewonnen, um von einem "Kraut" herumgeschubst zu werden.

Dazu sieht man ein Bild von Merkel, in dem sie den rechten Arm erhoben hat. Eine klare Anspielung an den Hitler-Gruß.

"Backstop" und keine Ende

Das britische Schimpfwort "Kraut" leitet sich von Sauerkraut ab, das auf der Insel als das deutsche Nationalgericht angesehen wird. Weitere "Kraftausdrücke" für Deutsche sind "Fritz" und "Hun" (engl. für Hunne). Auslöser für den grenzwertigen Twitter-Post war jüngst ein Telefonat zwischen Merkel und dem britischen Premier Boris Johnson am Dienstag. In dem Telefonat soll Merkel Boris Johnson davor gewarnt haben, dass ein Brexit-Deal "überaus unwahrscheinlich" sei, wenn Johnson nicht einem Verbleib Nordirlands in der EU-Zollunion zustimme. Das ist die mittlerweile berühmt-berüchtigte "Backstop-Problematik". Eine solche Warnung unterstreiche nur die "wahren Farben unserer vermeintlichen europäischen Verbündeten" schrieb "Leave.eu".

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Beim Brexit ist mit dem sogenannten "Backstop" ein Sicherheitsnetz gemeint, und zwar wenigstens für die ganze irische Insel. Denn nach dem Brexit wird Irland weiterhin in der EU bleiben, Nordirland aber nicht, wenn es dann nicht mehr zur EU, sondern nur noch zu Großbritannien gehört. Durch den Brexit entsteht auf der irischen Insel also eine Außengrenze der Europäischen Union. Normalerweise kontrollieren Grenzbeamte an solchen Grenzen Waren und Personen, und es gibt Schlagbäume und Grenzzäune. Doch genau das soll zumindest an dieser historisch sensiblen Grenze nicht geschehen, damit alte Konflikte zwischen Nordirland und Irland nicht neu aufflammen.

Die britische Regierung folgert aus dem Telefonat, dass eine Einigung "im Grunde jetzt und auf lange Zeit unmöglich" geworden sei. Johnson habe Merkel "vernünftige Vorschläge" unterbreitet, um den umstrittenen "Backstop" für Nordirland zu ersetzen, ließ Downing Street verlauten. Der Tweet von "Leave.eu" sorgte jedoch umgehend für heftige Kritik. Der oppositionelle Labour-Politiker David Lammy entschuldigte sich per Twitter bei den "Germans":

Sehr geehrtes Deutschland und die EU, bitte akzeptieren Sie unsere Entschuldigung und lassen Sie sich nicht täuschen zu glauben, Leave EU's fremdenfeindliche Galle wäre repräsentativ für Großbritannien. Eine klare Mehrheit der Briten lehnt den Brexit nun in all seinen Formen ab. Eine riesige, junge und lebendige Pro-EU-Bewegung in Großbritannien steht Ihnen zur Seite.

Auch "Leave.eu" reagierte nach der zunehmenden Kritik auf seine Weise und löschte den Post. In einem neuen Post am Mittwoch schrieb die Plattform dann:

Das @LeaveEUOfficial-Team ist gestern zu weit gegangen, aber das eigentlich Empörende ist der deutsche Vorschlag, Nordirland vom Vereinigten Königreich zu trennen. Als Ergebnis werden wir den Beitrag löschen und uns entsprechend entschuldigen.

Hat sich London schon mit einem "No-Deal-Brexit" abgefunden?

Bundeskanzlerin Merkel reagierte weder auf den Tweet noch auf die Berichterstattung rund um ihr Telefonat mit dem britischen Premierminister. Stattdessen äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und kritisierte die britische Seite: "Johnson sitzt in der Falle der Brexit-Hardliner und hat darum wohl in der Sache keine Spielräume mehr", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages gegenüber der Welt am Mittwoch. "Es sieht so aus, dass er das Telefonat mit der Kanzlerin missbraucht, um ihr die Schuld zuzuschieben", so der CDU-Politiker weiter.

Der Brexit ist für den 31. Oktober geplant. Beide Seiten streben, laut offiziellen Erklärungen, nach einer Einigung vor dem EU-Gipfel Ende nächster Woche. Gelingt in diesen Verhandlungen nicht rechtzeitig ein Durchbruch, dürfte die Debatte über einen weiteren Aufschub des Brexits wieder auf der Tagesordnung landen. Das britische Parlament hatte gegen Johnsons Willen ein Gesetz verabschiedet, das die Regierung in diesem Fall am 19. Oktober zu einem Antrag auf Verlängerung der Brexit-Frist zwingt. Johnson betont trotzdem, dass er sein Land ohne weitere Verzögerungen zum 31. Oktober aus der EU herausführen wird – auch ohne Austrittsvertrag. Doch wie das gehen soll, ist völlig unklar.

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In der Nacht zum Dienstag war dem britischen Nachrichtenmagazin Spectator von Regierungskreisen ein ungewöhnliches Memo zugespielt worden. Darin heißt es, der Regierung werde nichts anders übrig bleiben, als einen Wahlkampf mit dem Versprechen auf einen No-Deal-Brexit zu führen, sollte Brüssel nicht einlenken. Eine Verschiebung des Austritts werde nicht zu weiteren Verhandlungen genutzt. Gleichzeitig wird darin angedeutet, einzelne EU-Länder könnten mit Nachteilen rechnen, wenn sie sich für eine Verlängerung der Brexit-Frist aussprechen. Um den Brexit noch einmal zu verschieben, ist die Zustimmung aller 27 verbleibenden EU-Staaten notwendig.

Mit einem Vertrag würde zunächst bis Ende 2020 eine Übergangsphase gelten, in der sich praktisch nichts ändert. Ohne Abkommen jedoch entfielen sowohl diese "Schonfrist" als auch damit alle Vereinbarungen zur irischen Grenze, zum Schutz der Rechte von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich und zu weiteren finanziellen Leistungen Londons an die Europäische Union.

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