Europa

Wahlen in Portugal – "Austerität der Linken"

Am Sonntag finden in Portugal Parlamentswahlen statt. Umfragen sehen die Sozialisten der Minderheitsregierung von Ministerpräsident António Costa als klaren Wahlsieger. Anders als in Spanien konnte sich in Portugal ein Linksbündnis zur Regierungsbildung stabilisieren.
Wahlen in Portugal – "Austerität der Linken"Quelle: AFP

von Em Ell

Portugal wählt am Sonntag ein neues Parlament. Insbesondere im Nachbarland Spanien wird das Wahlergebnis mit großem Interesse verfolgt und breit kommentiert werden. Während in Portugal die Minderheitsregierung ihre vierjährige Amtsperiode erfolgreich zu Ende bringen konnte, steht in Spanien mit den vorgezogenen Neuwahlen am 10. November bereits der vierte nationale Urnengang seit 2015 an.

So gesehen erteilt Portugal seinem großen iberischen Bruder eine Lektion in politischer Stabilität. Die Umfragewerte für Ministerpräsident António Costa von der Sozialistischen Partei (PS) sind günstig. Costa und seine sozialdemokratische PS könnten sich der absoluten Mehrheit nähern, nachdem sie zwar vier Jahre allein die Regierung stellen konnten, dabei jedoch auf die parlamentarische Unterstützung des "Blockes der Linken" (BE, im gewissen Sinne eine Formation wie die linke "Podemos" in Spanien) und der Kommunisten (PCP) angewiesen waren.

Wie es aussieht, wird also die Linke in Portugal gewinnen, nach vier Jahren eines Umsteuerns der Austeritätspolitik, ohne dabei direkt auf Konfrontationskurs zu den Vorgaben aus Brüssel zu gehen.

Die "Austerität der Linken", wie sie es in Lissabon nennen, konnte die Staatsverschuldung und das Defizit senken und die öffentlichen Ausgaben leicht steigern. Der Mindestlohn wurde spürbar erhöht, ebenso wie der Haushalt des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Mehrwehrtsteuer auf wichtige Konsumgüter wurde gesenkt und der öffentliche Nahverkehr gefördert. Die Familieneinkommen sind in den zurückliegenden Jahren gestiegen. So weit zumindest haben Costa und seine Partner gute Karten bei den Wahlen am Sonntag.

Die "Austerität der Linken" bedeutet einen Fortschritt gegenüber den Jahren, in denen Portugal unter der Aufsicht der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission stand und deren Abgesandte alle drei Monate in Lissabon auftauchten, um die Konten des Landes zu überprüfen.

Vier "gute Jahre", so heißt es. Sie waren gestützt auf ausländische Investionen in einem Land mit niedrigen Preisen und Löhnen und eine Steuerpolitik der Vergünstigungen für Konzerne und wohlhabende Ausländer, die ihren Wohnsitz nach Portugal verlegen. Die Kehrseite der Medaille: der Boom der Tourismusindustrie und der für sie typisch prekären Arbeitsverhältnisse kombiniert mit einer Immobilienblase und der Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung.

Eine "Regierung der Linken", doch nicht allzu sehr – schließlich bewegte sie sich innerhalb der in der EU fest verankerten und von Brüssel vorgegebenen neoliberalen Leitplanken.

Vielmehr eine Regierung der sozialdemokratischen Mitte (PS), getragen von einem Bündnis mit den Linken (BE und PCP), die nach den Jahren der Krise, in denen die Rechten mit dem offen erklärten Anspruch regierten, "Portugal zu verarmen" und dabei sogar noch "über die Maßnahmen der Troika hinauszugehen", für die Mehrheit der Portugiesen tatsächlich alternativlos ist – auch wenn die spürbare Stabilisierung bei den Löhnen und Familieneinkommen sowie den öffentlichen Ausgaben mit einer umfassenden Liberalisierung des Arbeitsrechts und des Immobilien- und Wohnungsmarktes erkauft wurde. So sind neu geschaffene Jobs zumeist prekär und Wohnungen für den normalen Portugiesen zunehmend unerschwinglich.

Die Regierung Costa hat bereits eingeräumt, dass der portugiesische Sozialstaat der "Wohnungssituation weniger Aufmerksamkeit" gewidmet hat als anderen Angelegenheiten, und angekündigt, "alle Mängel im Wohnungsbereich bis 2024 zu beheben".

Wenn es am Sonntag zu einer Überraschung kommen sollte, dann möglicherweise zu der, dass die Sozialisten doch wieder auf die Unterstützung ihrer bisherigen Partner vom Linksblock und den Kommunisten angewiesen sein könnten, die bisherige Konstallation also fortgesetzt würde. Keiner der beiden linken Partner hat gegenwärtig signalisiert, diesmal Teil einer zukünftigen Regierung Costa werden zu wollen.

Selbst wenn gerade in Spanien der Wahlausgang im Nachbarland aufmerksam verfolgt werden wird, so lässt sich bei aller iberischen Verwandtschaft nicht vom einen auf das andere Land schließen.

Auch in Spanien regieren seit Juni 2018 die (sozialdemokratischen) Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez ohne eine eigene parlamentarische Mehrheit. Sie konnten bei den – ebenfalls bereits – vorgezogenen Neuwahlen im April ihr Ergebnis deutlich verbessern und die Wahlen mit großem Abstand vor den anderen politischen Formationen und speziell vor der sich radikalisierenden politischen Rechten gewinnen. Dennoch führten die monatelangen zähen Verhandlungen zur Regierungsbildung zu keiner Einigung mit der politischen Linken von Podemos, sodass es im November zu einer Neuauflage der Parlamentswahlen kommt.

Gesellschaft und politische Landschaft in Spanien sind ungleich heterogener und konfliktträchtiger, ebenso die dortige politische Kultur. Zwar wurden beide iberischen Nachbarn jahrzehntelang von autoritären (Portugal) bis faschistischen Diktaturen (Spanien) regiert. Doch anders als in Portugal gab es in Spanien beim nahezu zeitgleichen Übergang zur Demokratie in den 1970er Jahren keinen wirklichen Bruch mit der Diktatur, deren Geist noch heute in maßgeblichen Teilen der Gesellschaft und der politischen Klasse präsent ist.

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