Europa

Boris Johnson glaubt an Deal mit EU – und vergleicht Großbritannien mit Hulk

Johnson will das vor einem Jahr ausgehandelte Brexit-Abkommen mit der Europäischen Union in letzter Minute ändern. Es geht um die EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland. Doch die EU stellt sich quer. Der britische Premier greift zu einem skurrilen Vergleich.
Boris Johnson glaubt an Deal mit EU – und vergleicht Großbritannien mit HulkQuelle: Reuters © Yves Herman

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte gegenüber der Mail on Sunday gesagt: "Je wütender Hulk wird, desto stärker wird Hulk." Er fügte hinzu: "Hulk ist immer entkommen, egal wie eng gefesselt er war – und so ist das auch mit diesem Land." Mit Blick auf den Brexit-Termin sagte Johnson: "Wir werden am 31. Oktober rausgehen, und wir kriegen das hin."

Johnson will das vor einem Jahr ausgehandelte Brexit-Abkommen mit der EU ändern und die Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland streichen, den sogenannten Backstop. Gelingt keine Einigung, will Johnson einen EU-Austritt ohne Abkommen Ende Oktober riskieren, obwohl das britische Parlament keinen No-Deal-Brexit will und für den Notfall verlangt, eine weitere Verschiebung zu beantragen. Die EU will zwar keinen No-Deal-Brexit, lehnt aber gleichzeitig eine Änderung des Abkommens strikt ab.

Dennoch zeigt sich Johnson zuversichtlich. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir das schaffen können", meinte Johnson kurz vor seinem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montag in Luxemburg. Er setzte einen Zeitrahmen bis zum EU-Gipfel am 17. Oktober, zwei Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens zu Halloween. Die Europäische Union sieht jedoch weiterhin keine konkreten Lösungsansätze.

Johnson und Juncker sind für Montagmittag in Luxemburg zu einem Arbeitsessen verabredet – dem ersten direkten Treffen der beiden, seit Johnson im Juli Premierminister wurde. Johnson trifft auch den luxemburgischen Ministerpräsidenten Xavier Bettel und gibt anschließend eine Pressekonferenz.

Auch europäische Wirtschaftsverbände drängen auf einen geregelten Austritt. Der europäische Unternehmerverband BusinessEurope warnte für den Fall eines ungeregelten Brexits vor einem Desaster und forderte dringend, ein solches Szenario auszuschließen. Johnson schrieb in der britischen Zeitung Telegraph, er glaube an eine Einigung: "Wenn wir in den nächsten Tagen genug Fortschritte erzielen, werde ich zu diesem entscheidenden Gipfel am 17. Oktober gehen und eine Vereinbarung abschließen, die die Interessen der Wirtschaft und der Bürger auf beiden Seiten des Ärmelkanals und auf beiden Seiten der Grenze in Irland schützt." Eine Verschiebung des Brexits lehnte er jedoch erneut ab.

Diese Linie wollte Johnson auch gegenüber Juncker vertreten, wie es aus britischen Regierungskreisen hieß. An dem Gespräch in Luxemburg sollen auch der britische Minister für den Austritt aus der Europäischen Union Stephen Barclay und EU-Unterhändler Michel Barnier teilnehmen. Die EU-Seite gibt sich deutlich skeptischer als Johnson und wartet immer noch auf konkrete Vorschläge aus London. "Ich glaube, wir haben alle Interesse an einer Einigung", sagte die französische Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten Amélie de Montchalin am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. "Wenn Großbritannien Vorschläge hat und sie vorträgt, dann sind wir bereit, sie uns anzuhören." Der belgische Außenminister Didier Reynders äußerte sich ähnlich.

Österreichs Europaminister Alexander Schallenberger meinte: "Wenn Premierminister Johnson nicht mit etwas Neuem im Gepäck zum Gespräch und Besuch mit Juncker kommt, dann gibt es ehrlicherweise auf unserer Seite keinen Bedarf mehr, dann wird es einen Hard-Brexit geben. Die Briten müssen uns sagen, was sie brauchen, um das Parlament in London überzeugen zu können."

Ein Vorteil für Bürger und Wirtschaft bei einem geregelten Austritt wäre die im Vertrag vorgesehene Übergangsfrist bis Ende 2020, in der sich zunächst praktisch nichts ändert. In dieser Zeit wollen beide Seiten ihre künftigen Beziehungen aushandeln. Doch obwohl die damalige Premierministerin Theresa May den Deal schon voriges Jahr mit der EU schloss, ist er vom britischen Parlament noch immer nicht ratifiziert. Er fiel dreimal durch, unter anderem wegen des sogenannten Backstops für Irland.

Es geht um die Frage, wie trotz Brexits eine feste EU-Außengrenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden kann. Denn eine erneute Teilung der Insel widerspräche dem Karfreitags-Friedensabkommen von 1998 und könnte auf der Insel Unruhen auslösen. Die EU verlangt, dass ganz Großbritannien notfalls in der EU-Zollunion bleiben soll, bis eine bessere Lösung gefunden wird. Johnson will diese Klausel streichen, weil Großbritannien sonst keine eigene Handelspolitik machen könnte. Er will alternative Lösungen. Wie sie aussehen sollen, ist unbekannt.

Viel Zeit bleibt Johnson in Luxemburg nicht, denn schon am Dienstag beschäftigt sich das oberste britische Gericht mit einem weiteren heiklen Brexit-Aspekt: Der Supreme Court beginnt dann mit der Anhörung zu der Frage, ob die von Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments überhaupt rechtmäßig ist. Ein schottisches Gericht hatte die Schließung bis zum 14. Oktober für unrechtmäßig erklärt und Johnson vorgeworfen, die Abgeordneten kaltstellen zu wollen.

Angesichts der heftigen Brexit-Streitereien und auch -Tricksereien haben viele Briten einer Umfrage zufolge kein großes Vertrauen mehr in ihr Parlament. Rund 74 Prozent der Befragten glauben, dass dieses "nicht fit für das 21. Jahrhundert" ist. Etwa 80 Prozent halten der Umfrage des Marktforschungsinstituts ComRes zufolge Reformen für dringend notwendig.

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(rt deutsch/dpa)

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