Europa

Abgang eines "Monsters": Der weiche Fall des Martin Selmayr

Der Generalsekretär der EU-Kommission gibt sein Amt auf. Offiziell, damit nicht zwei Deutsche die höchsten Posten in der Behörde bekleiden. Tatsächlich fällt Martin Selmayr seinen eigenen Intrigen im Brüsseler Postengeschacher der vergangenen Wochen zum Opfer.
Abgang eines "Monsters": Der weiche Fall des Martin SelmayrQuelle: AFP

Am Dienstag vergangener Woche wurde bekannt, dass Martin Selmayr, Generalsekretär der EU-Kommission, am Ende dieser Woche seinen Posten räumen wird. Damit wird der Deutsche der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen, die im November ihre Arbeit aufnehmen wird, nicht mehr in leitender Position angehören.

Selmayr gilt als mächtiger und rücksichtloser Strippenzieher in der Kommission. Unter dem gesundheitlich sichtlich angeschlagenen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker galt er als der eigentliche Kopf der Mammutbehörde mit 35.000 Mitarbeitern. Juncker konzentrierte sich aufs Repräsentieren, während Selmayr die eigentliche Arbeit erledigte.

Aufsehen erlangte Selmayrs Beförderung zum Generalsekretär im Februar 2018. Um seinen Vertrauten auf diesen Posten zu bringen, beförderte ihn Juncker innerhalb weniger Minuten zweimal – ein klarer Bruch der Statuten. Proteste des EU-Parlaments, das von einer "staatsstreichartigen Aktion" sprach und der EU-Ombudsfrau blieben folgenlos. Selmayr gilt als extrem macht- und selbstbewusst und schreckte als Generalsekretär auch nicht davor zurück, Kommissaren über den Mund zu fahren. Juncker soll ihn einmal "mein Monster" genannt haben.

Selmayr erklärte, er gebe seinen Posten ab, damit nicht zwei Deutsche an der Spitze der Kommission stünden. Dagegen berichtet die französische Zeitung Libération, dass Selmayrs Ränke während des EU-Postengeschachers ihm nun zum Verhängnis geworden seien. Demnach hätten die Staats- und Regierungschefs auf einer Ablösung Selmayrs bestanden. Bisher hatten sich die Staaten nicht in die inneren Angelegenheiten von EU-Organen eingemischt.

Selmayr, so Libération, soll die osteuropäischen Regierungschefs am 30. Juni dazu ermuntert haben, Frans Timmermans, den niederländischen Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft, abzulehnen und brachte selbst den kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenković als Kandidaten ins Spiel. Selmayr und Timmermans sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden; eine Wahl des Niederländers hätte die sichere Ablösung des Deutschen bedeutet.

Der scheidende Generalsekretär soll auch versucht haben, die Wahl von der Leyens durch das EU-Parlament zu verhindern. Die schwachen Auftritte der Deutschen vor den Parlamentsfraktionen sollen auf die fehlende Kompetenz des von Selmayr zusammengestellten Übergangsteams zurückgehen. Ihre knappe Wahl verdankte die frühere Verteidigungsministerin letztlich der Unterstützung aus Paris und Berlin.

Von der Leyen soll nach diesen Erfahrungen Selmayrs Kopf gefordert haben. Der Strippenzieher verlässt die Kommission nun durch die Hintertür. Doch er fällt weich. Bis zum Ende berät er den scheidenden Kommissionschef Juncker; im November wird der Deutsche EU-Repräsentant in Wien. Für die Dauer seiner Amtszeit wird dieser Posten aufgewertet und das Gehalt von 7.000 auf 17.000 Euro im Monat erhöht. Das teilte der deutsche EU-Abgeordnete Martin Sonneborn auf Twitter mit.

Selmayr wird sich damit wenigstens finanziell nicht verschlechtern. Die leitenden Mitarbeiter in der Kommission distanzieren sich unterdessen von ihrem scheidenden Chef und seiner eigenmächtigen Amtsführung. Dennoch laufen in der Behörde bereits Spekulationen um, der umtriebige frühere Bertelsmann-Lobbyist, der Enkel gleich zweier Wehrmachtsgenerale ist, könnte eines Tages in eine leitende Position in Brüssel zurückkehren.

An diesem Mittwoch überschlug sich die Kommission erst einmal vor Lob für ihren scheidenden Generalsekretär. Sprecherin Mina Andreeva erklärte, dass Juncker und die anderen Kommissare Selmayrs "herausragende Fähigkeiten und Leistungen" würdigten. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger sagte wörtlich:

Ich glaube, die fünf Jahre Jean-Claude-Juncker-Kommission wären ohne seine Mitwirkung in der Form nicht denkbar.

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