Europa

Neues britisches Gesetz will "falsche" Gedanken bestrafen

Im Namen des Kampfes gegen den Terror und für mehr Sicherheit hat die britische Regierung im Schatten der Brexit-Verhandlungen ein neues Gesetz verabschiedet, das weitreichende Folgen für die Überwachung der Bevölkerung haben wird.
Neues britisches Gesetz will "falsche" Gedanken bestrafenQuelle: AFP © Markus Schreiber

Die britischen Parlamentarier sind womöglich mit den Verhandlungen und zahlreichen Abstimmungen zum Brexit so eingespannt, dass ihnen die Tragweite eines neuen Gesetzes der Regierung von Theresa May nicht vollkommen bewusst war. Wie sonst ließe sich erklären, dass das Parlament den Gesetzesentwurf für den "Counter-Terrorism and Border Security Act 2019" fast ohne Einwände durchwinkte und es Ende Februar 2019 zum Gesetz werden konnte. Lediglich von Seiten der Wissenschaft, Menschenrechtlern und Journalisten gab es Proteste dagegen, die aber nur zu geringen Änderungen geführt haben.

Innenminister Sajid Javid zeigte sich indessen zufrieden über den Verlauf bis zur Annahme des Gesetzes:

Terroristen und feindliche Staaten stellen eine anhaltende Bedrohung für unsere nationale Sicherheit dar. Die Gräueltaten von 2017 und Russlands Gebrauch von chemischen Waffen auf unserem Boden zeigen die Gefahren, denen wir gegenüberstehen.

In einem Meinungsartikel im britischen Guardian vom 11. Juni 2018 sagte Javid noch, dass "diese Veränderungen uns sicherer machen werden". Die Kritik, dass es eine "blinde Erweiterung der Macht" darstelle, wischte er mit einem "nichts ist weiter weg von der Wahrheit" vom Tisch. Doch bei genauerem Hinsehen scheinen die Kritiker nicht ganz unrecht zu haben.

Nach dem neuen Gesetz muss man nicht einmal mehr ein tatsächliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung sein oder tatsächlich eine terroristische Handlung geplant oder ausgeführt haben, um einer Straftat bezichtigt und bestraft zu werden. Es reicht jetzt schon aus, wenn eine Person "a) eine Meinung oder Überzeugung äußert, die unterstützend für eine verbotene Organisation ist, und b) eine Person, an die die Äußerung gerichtet ist, zur Unterstützung einer verbotenen Organisation ermutigt wird".

Bestraft wird auch die "Veröffentlichung" von Bildern, wie zum Beispiel Kleidung oder Symbole von verbotenen Organisationen, die den "glaubwürdigen Verdacht" erzeugen, dass die Person, die das Bild veröffentlicht hat, ein Mitglied oder Unterstützer einer solchen Organisation ist. Dabei spielt es keine Rolle, wie und wo das Bild entstanden ist. Sobald es irgendwo im Internet auftaucht, zum Beispiel ein Selfie bei einem Freund, der eine Flagge der PKK zuhause an der Wand hat, kann dies schon ausreichen, um verhaftet zu werden.

Abgesehen davon, dass damit im Namen des Antiterrorkampfes britische Bürger systematisch überwacht werden, kommt noch hinzu, dass die Behörden in Großbritannien zugegeben haben, dass 14 Organisationen, die auf der schwarzen Terrorliste stehen, eigentlich gar nicht die Kriterien dafür erfüllen. Wird man aber trotzdem mit einem Bild erwischt, das im Zusammenhang mit einer dieser 14 Organisationen steht, können dennoch die Handschellen klicken.

In einer weiteren Neuerung hat man einen Straftatbestand bereits erfüllt, wenn man online nach Informationen sucht – selbst wenn man nur über die Schulter bei jemandem in den Computer schaut –, die "wahrscheinlich" für die Vorbereitung eines Anschlags nützlich sein könnten. Hier bewirkte der Protest von Wissenschaftlern und Journalisten eine Änderung, so dass die Regierung zu Recherchezwecken diesen beiden Berufsgruppen eine Ausnahme erteilt hat.

Da es überhaupt keine näheren Erläuterungen gibt, liegt der Verdacht nahe, dass die Sprachregelung absichtlich extrem vage gehalten wurde. Die "Gräueltaten", die Innenminister Javid ansprach, wurden teilweise mit Messern und Macheten verübt. Wenn sich jetzt also jemand im Internet nach verschiedenen Messern oder sogar Schwertern umsieht, muss ihn das in den Augen der britischen Überwachung bereits verdächtig machen, selbst wenn es zu gar keinem Kauf dieser "Waffe" kommt.

Das neue Gesetz hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Nutzung des Internets und ist nicht nur auf britische Bürgerinnen und Bürger beschränkt. In Zukunft kann jeder Mensch an der Grenze zu Großbritannien von Grenzbeamten nach persönlichen Informationen befragt werden, selbst wenn es gar keinen begründeten Verdacht gegen diese Person gibt. So können die Grenzbeamten nach "Passwörtern für elektronische Geräte" fragen und bei einer Weigerung, diese preiszugeben, macht man sich bereits einer "feindseligen Handlung" strafbar. Bei der anschließenden "Befragung" hat man dann auch erst ab der zweiten Stunde Anspruch auf einen Anwalt.

Viele sehen darin tatsächlich ein Abgleiten Großbritanniens in eine Welt, wie sie Orwell in seinem nach wie vor hochaktuellen Buch "1984" bereits vor über siebzig Jahren skizziert hatte. Es besteht die Gefahr, dass die Regierung dieses vage gehaltene Gesetz missbraucht, um zum Beispiel "unbequeme" Bürger aufgrund von harmlosen Bildern, "falschen" Gedanken oder Bewegungsprofilen im Internet mit Klagen zu überziehen, um sie mundtot zu machen. Auch wenn Journalisten und Wissenschaftler in einigen Bereichen von diesen geistigen Fesseln befreit wurden, steht dennoch zu befürchten, dass es im Zweifel dazu führen könnte, dass eine Art Mentalität der Selbstzensur entsteht, wenn Menschen es unbedingt vermeiden wollen, irgendeinen Verdacht auf sich zu ziehen.

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