Europa

Ist Kroatien eine Waffe von Wladimir Putin gegen die EU?

Die Ausschreibung für verbindliche Abnehmer von Flüssiggas vom noch gar nicht gebauten LNG-Terminal auf der kroatischen Urlaubsinsel Krk lief enttäuschend. Nun rufen schon die ersten "Foul" - und weisen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Ist Kroatien eine Waffe von Wladimir Putin gegen die EU?Quelle: AFP © Yuri KADOBNOV

von Zlatko Percinic

Enttäuscht gab der staatliche Betreiber des noch in den Kinderschuhen steckenden Projekts für ein Flüssiggasterminal auf der Insel Krk, LNG Croatia, Ende Dezember bekannt, dass selbst bei der zweiten Ausschreibungsrunde nur verbindliche Zusagen für 520 Millionen Kubikmeter und unverbindliche Zusagen für karge 300 Millionen Kubikmeter Gas erzielt wurden. Mit diesen Buchungen kann Kroatien den speziellen FSRU-Tanker "Golar Viking" aus Norwegen bei weitem nicht auslasten, der für über 159 Millionen Euro Anfang November 2018 gekauft wurde. Als schwimmende Plattform zur Regasifizierung soll "Golar Viking" ab 1. Januar 2021 einsatzbereit sein. Mit einer Jahreskapazität von bis zu 2,6 Milliarden Kubikmeter wäre das norwegische Spezialschiff mit den erzielten verbindlichen und unverbindlichen Zusagen von 820 Millionen Kubikmeter gerade einmal zu einem Drittel ausgelastet.

Der Grund für diese schwache Nachfrage nach Gas aus Kroatien liegt unter anderem auch an dem kroatischen Binnenmarkt, in dem der nationale Energiebedarf bis zum Jahr 2028 durch Eigenproduktion und durch den russischen Gasgiganten Gazprom vollständig gedeckt ist.

Für Dr. Theodore Karasik, einen Berater für verschiedene Think Tanks in Washington und Experte für den Mittleren Osten, ist das Grund genug, nun Alarm zu schlagen. In einem Meinungsartikel für Euronews, einem Nachrichtenkanal, der zu rund einem Drittel durch die EU finanziert wird, behauptet Dr. Karasik: "Wenn Kroatien in die Eurozone aufgenommen wird, würde es Russland die größte Waffe in Europa in die Hand geben".

Wie kommt der Experte für den Mittleren Osten aber zu dieser gewagten Einschätzung?

Er kritisiert zu Recht die grassierende Korruption in dem kleinen Balkanland, welches sich laut dem "Korruptionswahrnehmungsindex" von Transparency International den Platz 57 mit Saudi-Arabien teilt. Dazu kommt, dass sich die Regierung in Zagreb um eine Aufnahme Kroatiens in die Eurozone bemüht, was Karasik bereits als den nächsten "Griechenlandfall" wertet. Als Beispiel dafür brachte er den Fall des größten kroatischen Unternehmens Agrokor, welches rund 60.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Mischkonzern von Ivica Todorić, der die Wirren des Krieges Anfang der 1990er Jahre geschickt auszunutzen vermochte, wuchs schnell zu einem der größten Unternehmen in Südosteuropa heran.

Wie wichtig Agrokor für Kroatien wurde, zeigt sich auch in der Statistik: von 1,84 Millionen Arbeitnehmern, beschäftige der Konzern 40.000 Menschen in Kroatien, also 2,17 Prozent der "aktiv arbeitsfähigen Menschen". Bei einer Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent und Jugendarbeitslosigkeit von 23,7 Prozent ist so ein Konzern also durchaus systemrelevant. Das gilt auch für den Anteil am Bruttoinlandsprodukt Kroatiens: Agrokors Umsatz betrug im Jahr 2017 etwa 39,5 Milliarden Kuna (5.29 Milliarden Euro oder 6,33 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017), was bei einem BIP im selben Jahr von 54,85 Milliarden US-Dollar einem Anteil von 11,54 Prozent an der kroatischen Wirtschaftsleistung entspricht.

Als der familiär geführte Konzern ins Schlingern geriet und seine Schulden nicht mehr begleichen konnte, drohten die Lieferanten, nichts mehr - außer Brot - für dessen Lebensmittelkette Konzum zu liefern. Damit es zu keiner Insolvenz und Schließung des Unternehmens kam, griff der Staat ein. Dieser Eingriff war allerdings mit so vielen Ungereimtheiten und blanker Vetternwirtschaft behaftet, dass die Medien sehr bald die Regierung des Ministerpräsidenten Andrej Plenković der Korruption beschuldigten. Der Druck wurde so groß, dass die Wirtschaftsministerin Martina Dalić im Mai 2018 ihren Rücktritt erklärte, um für die Regierung fortan "kein Ballast" mehr zu sein.

Da die bis zu diesem Moment engagierten, hauptsächlich österreichischen Banken keine weiteren Kredite mehr zur Rettung von Agrokor zur Verfügung stellen wollten, sprangen die zwei größten russischen staatlichen Banken Sberbank und VTB mit 1,1 Milliarden Euro bzw. 300 Millionen Euro ein. Damit wurde Sberbank mit 39,2 Prozent zum größten Anteilseigner (zusammen mit VTB steigt der gesamte Anteil auf 46,7 Prozent) des kroatischen Konzerns.

Für Dr. Theodore Karasik steht damit fest:

Dieser Deal gab Putin indirekte Hebelwirkung auf die kroatische Wirtschaft und auf die größte Firma im ehemaligen Jugoslawien.

Dabei berichtete Reuters schon am 5. Dezember 2018, dass der Chef von Sberbank bekannt gab, dass es bereits Interessenten "aus den Vereinigten Staaten und Kanada bis zu Großbritannien" gibt, die den Anteil der russischen Bank an Agrokor übernehmen möchten. Dazu sei auch noch erwähnt, dass Agrokor nie ein jugoslawisches Unternehmen war, sondern aus dem ehemaligen jugoslawischen Agrokombinat hervorgegangen war, dem der Vater von Ivica Todorić viele Jahre als leitender Angestellter vorstand.

Wie schon mit der russischen Rolle auf dem kroatischen Gasmarkt, sieht Karasik auch im Fall des kroatischen Mischkonzerns die unsichtbare Hand des russischen Präsidenten Wladimir Putin dahinter. Für ihn stellen diese eigentlich vom westlichen kapitalistischen System "des Marktes" diktierten Vorgänge ein Problem dar, weil sie im konkreten Fall nun gerade von Russland ausgehen. Dahinter steckt keine wie auch immer geartete "Putins Grand Strategy" um "Europa einzukreisen", sondern es schlichtweg eiskalte wirtschaftliche Interessen, wie sie der Neoliberalismus doch eigentlich heiligt.

So war Gazprom schon einmal auf dem kroatischen Markt, um Zagreb bis 2010 über den damals noch kroatischen staatlichen Energieriesen INA mit Gas zu beliefern. Der damalige Vertrag wurde nicht verlängert und die Kroaten entschieden sich für die italienische ENI als Hauptlieferanten für die benötigte Energie. Am Ende ist es aber der Preis, der in der freien Marktwirtschaft eine entscheidende Rolle spielt. Und in Kroatien auch der Umstand, dass die eigene INA an Ungarn verkauft wurde und sich in den Jahren der russischen Abstinenz vom kroatischen Energiemarkt ein neuer nationaler Lieferant etabliert hat: Prvo plinarsko društvo (PPD). Und dieser arbeitete bereits eng mit Gazprom zusammen, wo PPD petrochemische Produkte einkaufte. Dass der russische Energiegigant mit einem günstigeren Gaspreis gegenüber ENI wieder vollumfänglich auf den kroatischen Markt zurückkam, hatte also weniger mit "Putins Grand Strategy" zu tun als vielmehr mit "business as usual".

Ob Kroatien aber für die Eurozone eine Gefahr darstellt, hat nichts mit Russland oder Putin zu tun. Stattdessen liegt es an der Regierung in Zagreb und auch an der Administration der EU in Brüssel, auf dringend notwendige Reformen und auf die Bekämpfung der Korruption zu pochen und dies am Ende auch umzusetzen. Insbesondere muss es im nationalen Interesse Kroatiens liegen, die Entvölkerung des eigenen Landes zu stoppen, die zur mittlerweile größten Bedrohung Kroatiens geworden ist.

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