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Poroschenko gründet ukrainische Nationalkirche – durch Mithilfe der CIA

Am Samstag verkündete der ukrainische Präsident die Geburt einer neuen Kirche, der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Der Moskauer Patriarchat sieht dies als "räuberische Zusammenrottung". Eine Preisverleihung am Vortag lässt tief blicken, worum es bei der Kirchenspaltung wirklich geht.
Poroschenko gründet ukrainische Nationalkirche – durch Mithilfe der CIAQuelle: Reuters

"Die allukrainische Versammlung" fand am Samstag in der Kiewer Sophienkathedrale als geschlossene Veranstaltung statt. Daran nahmen 190 Personen teil: die Vertreter der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats und der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche, Vertreter des Konstantinopler Patriarchats sowie mehrere nationalistische Politiker, darunter der Rada-Sprecher Andrei Parubij.

Die beiden teilnehmenden Kirchen gelten in der orthodoxen Welt als schismatisch und sind daher nicht rechtmäßig. Um der Versammlung wenigstens ein wenig Legitimität zu verleihen, drangen ukrainische Behörden die einzige kanonische Kirche, die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK MP), zur Teilnahme, um mit ihr gemeinsam eine neue, "unabhängige" ukrainische Kirche zu gründen. Doch von den 80 Hierarchen der UOK MP sind am 15. Dezember in der berühmten Kiewer Sophienkathedrale nur zwei erschienen.

UOK MP steht vor juristischer Liquidierung

Ihr Kirchenoberhaupt Metropolit Onufrios nannte die Versammlung juristisch nichtig und verbat seinen Priestern den Kontakt mit den Schismatikern. Im Internet machte sogar ein Priester-Flashmob die Runde. Priester ließen sich mit dem Slogan "Ich unterstütze die UOK und habe keine Angst vor Verhören des SBU" ablichten. Den Anstoß dazu gaben Vorladungen zu "Gesprächen" in der Behörde sowie mehrere Übergriffe und Durchsuchungen. 

Die umstrittene Kirchenversammlung in der Kiewer Sophienkathedrale leitete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Die außerhalb der Ukraine nicht anerkannten Kirchenhierarchen verkündeten unter seinem Vorsitz die Gründung einer Orthodoxen Kirche der Ukraine und deren neues Oberhaupt, den 39-jährigen Metropoliten Epiphanias. Er gilt als Vertrauter des 90-jährigen "Kiewer Patriarchen" Philaret, den ersten und bekanntesten Schismatiker, der seine Kirche im Jahr 1991 nach der Abspaltung vom Moskauer Patriarchat gründen ließ. Wie ukrainische Medien berichten, war Epiphanias der erste Priester, der seine Gemeinde dazu aufrief, die ukrainischen Soldaten, die gegen die Rebellen in der Ostukraine kämpfen, mit Spenden zu unterstützen.

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Die rechtmäßige Kirche in der Ukraine sowie das Moskauer Patriarchat verurteilten diesen Akt der "Neugründung" scharf als unrechtmäßig schismatisch. Trotzdem droht der rechtmäßigen Ukrainischen Orthodoxen Kirche nun eine juristische Demontage. Die ersten Schritte sind schon verkündet: Die UOK MP soll von nun an "Russische Kirche in der Ukraine" heißen – der Parlamentsvorsitzende Parubij hat schon ein entsprechendes Gesetz dazu zugesichert. Dementsprechend wird auch das Amt des rechtmäßigen Kirchenoberhaupt Metropolit Onufrios umbenannt, nach dem die neue alte ukrainische Nationalkirche das "Thomos" – also den Erlass zur Autokephalie in Konstantinopel – Anfang Januar bekommen wird. Petro Poroschenko und Andrei Parubij haben bereits angekündigt, den neuen "Patriarchen" nach Istanbul zu begleiten. Die "Thomos-Initiative" des Konstantinopeler Patriarchen Bartholomeos wurde bislang in keinen der insgesamt 14 Patriarchaten der Weltorthodoxie offen unterstützt. Vielmehr werden ihm die Sünden einer "Schisma" und "Selbsterhebung" vorgeworfen.  

Wie die Lage in der Ukraine sich entwickeln wird, hängt jedoch in erster Linie vom Verhalten einzelner Priester und Gemeinden ab. Die rechtmäßige Kirche nutzt oder besitzt den Großteil der Kirchenimmobilien – über 12.000 Gotteshäuser und 200 Klöster, darunter das weltberühmte Höhlenkloster in Kiew und das Mariä-Entschlafens-Kloster in der westukrainischen Region Wolhynien. Sollten Behörden die Vermieter von Gotteshäusern sein, können Mietrechte auf Gesuch der Abgeordnetenräte oder sonstigen Lokalbehörden abgezogen werden. Sollte die Gemeinde selbst im Besitz der Immobilie sein, kann sie das per Abstimmung tun.

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Das öffnet ein weites Feld für Behördenwillkur und Manipulationen, bis hin zur physischen Gewalt. Der Mechanismus für gewaltsame Übernahmen ist seit den 1990er Jahren bekannt. Nationalistische "Aktivisten" heizen die Stimmung in der Gemeinde auf, verjagen unliebsame Priester und lassen auf Druck nötige Papiere im Nachhinein unterschreiben. Am Tag der Abstimmung in Kiew wurde eine große Kathedrale in der zentralukrainischen Stadt Winnyzja auf diese Art und Weise besetzt.

Weg mit "Moskauer Popen"

Die Hierarchen der Schismatiker und deren Unterstützer aus dem nationalistischen politischen Spektrum gehen jedoch von einem eher allmählichen Prozess der Übernahme aus. Wie der "Kiewer Ex-Patriarch" Philaret im September bei einem Treffen bei Atlantik Council in Washington schätzte, würden bis zu zwei Drittel der Gemeinden zur neuen Nationalkirche übertreten.

Obwohl der ukrainische Präsident versicherte, dass die aus ihren Ämtern geworfene UOK MP nicht verfolgt wird, lässt seine Rhetorik keine Zweifel auf, dass für die anerkannte Ukrainisch-Orthodoxe Kirche nun harte Zeiten beginnen.

So sagte er auf einer Pressekonferenz am Sonntag, Aufgabe des Staates sei es, diejenigen zu unterstützen, die eine neue Kirche bauten. Jene aber, die bei der UOK MP bleiben, gelten von nun an als "Kollaborateure". Die neue Kirche würde Russland auch dazu zwingen, das Minsker Abkommen umzusetzen und die Aggression im Schwarzen und Asowschen Meerraum einzustellen. Sie würde auch den Weg in die EU und NATO erleichtern, so Poroschenko.

Daraufhin schrieb der Ex-Chef der ultranationalistischen Partei Rechter Sektor und jetzige Rada-Abgeordnete Dmitri Jarosch auf Facebook, die Priester der UOK seien keine Diener Gottes, sondern Agenten des (russischen Sicherheitsdienstes) FSB und von Putin, was sie zu Feinden der Ukraine mache. Diese sollten nun "gejagt" werden. Inzwischen wurde sein Aufruf wegen des Verstoßes der Facebook-Richtlinien gelöscht, schaffte es jedoch bis dahin, rege geteilt zu werden.

CIA ausgezeichnet

Die US-Botschaft beglückwünschte als eine der ersten die Ukraine zu ihrer neuen Kirche. Der Tag der Gründung sei ein "historischer Tag" für die Ukraine. Zwei Exarchen aus den USA und Kanada saßen zusammen mit Poroschenko bei der Abstimmung am 15. Dezember im Podium. In diesem Zusammenhang erscheint eine Preisverleihung, die nur zwei Tage zuvor stattgefunden hat, als besonders vielsagend.

Diese galt Jack Devine, dem Veteranen der Central Intelligence Agency (CIA). Er hat als stellvertretender Direktor für die Operationen der CIA insgesamt 32 Jahre lang gearbeitet. Der auch jetzt noch beim Nationalen Sicherheitsrat der USA tätige Geheimdienst-Veteran fungierte als Leiter oder Teilnehmer der berüchtigtsten und zynischsten CIA-Operationen weltweit. Diese reichten vom Putsch in Chile, der  Iran-Contra-Affäre, der Jagd auf den Drogenbaron Pablo Escobar bis zur Operation "Zyklon" in Afghanistan. 

Nun ehrte der "Kiewer Patriarch" Philaret Jack Devine "für seine Hilfe bei der Gründung der von Russland unabhängigen ukrainischen Landeskirche" mit dem Orden des Heiligen Andreas, schrieben ukrainische Medien am Donnerstag. Der Orden gilt als die wichtigste Auszeichnung in der ukrainischen Orthodoxie.

"Sektanten und Räuber"

Wie reagiert nun die rechtmäßige Kirche auf das Treiben der ukrainischen Politiker und deren Unterstützer aus dem Ausland? Metropolit Onufrios betonte aufs Neue, dass die Ukraine bereits eine Landeskirche habe und keine neuen brauche und ließ am Montag ein Synode zur Besprechung der neuen Lage zusammenkommen. Der Moskauer Patriarchat ließ erwartungsgemäß kein gutes Haar am "Treiben in Kiew".

Mehrere hochrangige Kirchensprecher hatten am Wochenende ihre Statements dazu bereits abgegeben. In Kiew sei lediglich eine neue Allianz der sektiererischen Organisationen entstanden, die nichts Neues zur Sache brächte, sagte beispielsweise der Vizechef der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, Wachtang Kipschidze.   

Die Versammlung ist nichts anderes als eine räuberische Zusammenrottung. Der Berg gebar eine Maus. Der Versuch, das Geschehene nur irgendwie an die kanonischen Normen der Kirche zu reichen und mit der Welt-Orthodoxie zusammenzubringen, ist fehlgeschlagen, sagte der Sprecher des Patriarchen Moskaus und der ganzen Rus, Kirill Alexander Wolkow.

Doch, ob diese Rhetorik das Abdriften der Ukraine zum einen immer schärferen religiösen Konflikt verhindern kann, ist fraglich. Die Kirchenspaltung als politisches Projekt wird sich offenbar auch weiterhin fortsetzen. Nur das Argument, der Patriarch Bartholomaeus, der den Schritt der Anerkennung im Alleingang gewagt hat, treibe sein eigenes Spiel und werde der Ukraine eine geringere Autonomie gewähren, als Moskau bislang es getan hat, könnte auch die national gesinnten Priester der UOK MP von einem möglichen Übertritt abbringen. Deren Einheit ist jetzt auf eine harte Probe gestellt.

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