Europa

Das schwedische Problem Frankreichs: Abgelehnte afghanische Asylbewerber flüchten in den Süden

Sie kamen als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan nach Schweden und wurden nach Jahren abgelehnt. Jetzt zieht es die jungen Männer nach Frankreich, in der Hoffnung, dort einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Die Nachlässigkeit der Behörden hilft ihnen dabei.
Das schwedische Problem Frankreichs: Abgelehnte afghanische Asylbewerber flüchten in den Süden Quelle: Reuters © Pascal Rossignol

Nachdem der schwedische Traum für Hunderte von afghanischen jungen Männern nach Jahren an der Verschärfung des Asylrechts zerbrach, flüchten sie nach Frankreich. Dort hoffen sie auf ein besseres Leben. Der Eine holt den Anderen nach. Aber auch in Frankreich ist es schwer, Teil der Gesellschaft zu werden. 

Die schwedische Aktivistin Mari berichtet RT Deutsch

Rund 80 Prozent der (in Schweden abgelehnten) Afghanen erhalten (in Frankreich) eine Aufenthaltsgenehmigung. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Behörden dort nicht ihre Fingerabdrücke gegenchecken. Die ersten Wochen - bis zu zwei Monaten - erhalten sie nichts. Aber sobald sie in einem neuen Asylverfahren sind, geht es sehr schnell. Dann wird es viel besser als in Schweden für sie. 

Nach Schweden kamen sie als sogenannte "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge". Dieser Gruppe steht ein besonderer Schutz zu. Die schwedischen Behörden führten - bald nach den steigenden Flüchtlingszahlen und bei Zweifeln an der Altersangabe - Tests zur Altersbestimmung ein. Damit wurden viele Antragsteller auf dem Papier von einem Tag auf den anderen 18 Jahre alt und erhielten folglich ihre Ablehnungsbescheide. Nach drei Ablehnungsbescheiden müssen sie das Land verlassen. 

Die Flucht aus Schweden nach Frankreich setzte im letzten Jahr ein und nahm dieses Jahr noch zu. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Es sollen Hunderte sein. Frankreich behandelt die minderjährigen Flüchtlinge wie Neuankömmlinge in Europa. Die Ablehnungsbescheide in Schweden spielen keine Rolle. Nach zwei Monaten erhalten sie ein Interview und nach weiteren zwei bis drei Monaten ihre Entscheidung über den Asylantrag. Der Asylantrag wird so weit schneller abgehandelt als in Schweden. Nach der Registrierung erhalten sie eine Bankkarte und 200 Euro im Monat. Oft wird entschieden, dass sie eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung erhalten, die verlängert werden kann. Die jungen Afghanen sprechen aber meist nur Schwedisch und ihre Muttersprache. Sie sind jahrelang in dem skandinavischen Land zur Schule gegangen, lebten in speziellen Unterkünften für Minderjährige oder bei Familien. 

Ein erster Anlaufpunkt ist daher nun für sie die schwedische Kirche (Svenska Kyrkan) in Paris. Unter den jungen Afghanen, die hier Hilfe suchen, sind solche, die sich in Schweden haben taufen lassen. Aber auch dies konnte sie nicht davor bewahren, dass ihr Asylantrag abgelehnt wurde. 

Das Budget der Kirche, sich um die Flüchtlinge kümmern zu können, reicht nie aus. Sie versuchen unermüdlich, in Schweden Gelder zu sammeln. Die Kirchenrätin Tanja Kamensky berichtet:

Wir registrieren eine deutliche Zunahme von Flüchtlingen. Ich würde sagen, dass jeden Tag 25 bis 30 Personen zu uns kommen. (An einigen Tagen sind es auch schon mal 50).

Die Kirchengemeinde versucht, praktische Hilfe zu leisten. Hierzu gehört die Bereitstellung von Duschen und Waschmöglichkeiten für die Kleidung. Manchmal wird ein Mittagessen gekocht. Sie können ihre Mobiltelefone aufladen und sich untereinander austauschen. 

In einer nicht öffentlichen Facebook-Gruppe suchen die jungen Menschen Hilfe: 

Hey alle zusammen! Ich bin seit fünf Monaten in Frankreich und will Französisch lernen. Aber es ist sehr schwer für mich zu lernen, weil ich außerhalb der Stadt im Wald lebe und keinen Kontakt zu Menschen habe, die Französisch sprechen. 

Ich war fast drei Jahre in Stockholm und jetzt bin ich seit sechs Monaten in Frankreich. Ich habe eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Ich möchte gerne nach Paris, mit der Schule beginnen und arbeiten, aber ich habe keinen Wohnplatz. Gibt es jemanden, der mir gerne helfen würde? Tausend Dank! 

Eine schwedische Aktivistin in der Gruppe warnt vor verschärften Grenzkontrollen der Franzosen: 

Wenn Dich die Polizei an der Grenze schnappt, gehst Du in den Knast, und die nehmen sofort Deinen Fingerabdruck. Wenn die Polizei Deinen Fingerabdruck nimmt, können sie 100-prozentig sehen, in welchen Ländern Du gewesen bist. 

An den Pariser Metrostationen La Chapelle oder Jaurès könne man Gleichgesinnte antreffen und vielleicht auch eine Unterkunft für die Nacht finden, schreibt sie. 

Minderjährige in Abschiebehaft - das Ende des Humanismus in Schweden? 

Mari ist der Überzeugung, dass in Schweden der Humanismus nicht mehr zu Hause ist. Es sei kurios, dass Frankreich eine größere Willkommenskultur habe, als ihre Heimat: 

Jetzt weisen wir ein junges Mädchen aus, sie ist erst 16 Jahre alt. Sie stammt aus einem afrikanischen Land. Es ist verrückt. Sie ist seit zwei Jahren hier, lebte (bisher) in einer schwedischen Familie, ging zur Schule. Sie ist jetzt in Abschiebehaft. Es ist illegal, Minderjährige in Haft zu nehmen. Es ist nicht legal, aber wir machen dies trotzdem. (...) Im vorherigen Jahr war es viel besser für Flüchtlinge in Frankreich. Aber das hat sich 2018 mit den neuen Gesetzen für Flüchtlinge geändert. 

In Frankreich bilden die afghanischen Flüchtlinge die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe. Der Ansturm aus Schweden könnte die Asylverfahren verlängern.  

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