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Im Müll gelandet: Londons Lüge über die vermeintliche Skripal-Tatwaffe

Laut den britischen Behörden wurde die bei dem Attentat auf die Skripals Anfang März verwendete Nowitschok-Tatwaffe Monate später in einem Spenden-Container gefunden. Doch Recherchen von RT Deutsch zufolge ist auch diese Version des Tathergangs unhaltbar.
Im Müll gelandet: Londons Lüge über die vermeintliche Skripal-TatwaffeQuelle: Reuters © Reuters

von Jürgen Cain Külbel

Scotland Yard verdächtigt die Russen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow, den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal sowie dessen Tochter Julia am 4. März 2018 mit dem Kampfstoff Nowitschok in Salisbury vergiftet zu haben. Die Polizeibehörde veröffentlichte am 5. September 2018 Fahndungsfotos, Bilder von Überwachungskameras und der Tatwaffe – eine Parfümschachtel der Marke Nina Ricci, in der eine Flasche und ein Sprühaufsatz enthalten sind.

Nach Lesart der britischen Behörden führten die russischen Verdächtigen Petrow und Boschirow am 3. März 2018, also einen Tag vor der Tat, eine "Aufklärungsmission" in Salisbury durch; auch mit dem Zweck, einen geeigneten Ort für die "Entsorgung" des in der Parfümflasche befindlichen hochgiftigen Nervengiftes nach der Tat zu finden. Die Londoner Behörde geht davon aus, dass die Verdächtigen den Parfümbehälter nach vollendetem Verbrechen am Sonntag, den 5. März 2018 "rücksichtlos" in einem Spenden-Container beziehungsweise Altkleider-Container ("charity bin") in der Altstadt von Salisbury entsorgt hätten.

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Dort soll sie dann Ende Juni der im benachbarten Amesbury lebende Charlie Rowley gefunden haben. Er nahm das vermeintliche Parfüm an sich, um es später seiner Freundin Dawn Sturgess zu schenken.

Neil Basu, Anti-Terror-Chef von Scotland Yard, erklärte, das Tatmittel sei in "einem Spenden-Container in der Catherine Street" versenkt worden. RT Deutsch ging der Sache nach und ermittelte, dass der vermeintliche Spenden-Container zu einem Shop von "Cancer Research UK" gehört (in 79 Catherine St, Salisbury). Der Hintereingang des Ladens befindet sich in der parallel zur Catherine Street verlaufenden Ivy Street, direkt nebem dem Pub "The Cloisters". Dort stehen zwei graue Müllcontainer der Entsorungsfirma Veolia vor einem kleinen, von einer unverputzten Ziegelmauer umgebenen Hof. Passiert man das zweiflügelige Holztor in der Mauer, gelangt man zu einer Art Baucontainer und zum Hintereingang des Shops.

Aus dem Gespräch von RT Deutsch mit Cancer Research UK Salisbury:

RT Deutsch: So weit uns bekannt ist, werden die grauen Mülltonnen für die Ablagerung von Hausmüll oder für nicht recyclingfähige Gegenstände verwendet. Benutzt Cancer Research UK Salisbury diese Mülltonnen als Spenden-Container oder nur für den anfallenden Müll?

Antwort von Thea MacLeod-Hall, Managerin bei Cancer Research UK: Ja, das ist richtig. Die Mülltonnen, die hinter einer Reihe von Geschäften in der Catherine Street, Salisbury, untersucht wurden, waren nur für die Müllabfuhr und nicht für karitative Spenden bestimmt.

RT Deutsch: Wie oft im Monat entsorgen Cancer Research UK Salisbury oder Veolia die Behälter? Hat Cancer Research UK Salisbury oder Veolia die Abfallbehälter zwischen März und August 2018 geleert, leeren lassen oder nicht geleert?

Thea MacLeod-Hall: Wir können diese Fragen nicht beantworten – vielleicht wäre Veolia besser in der Lage, ihnen zu antworten.

Unglücklicherweise hat Veolia nicht auf die diesbezüglichen Anfragen von RT Deutsch reagiert. Doch auch so lässt sich davon ausgehen, dass Mülltonnen in Salisbury öfter als alle drei Monate geleert werden. Auch Julie Byard, Leiterin Handel bei Cancer Research UK, London, bestätigte, dass es sich um Mülltonnen und nicht um Spenden-Container gehandelt hat, die mutmaßlich nicht so häufig geleert werden:

Wir sind uns bewusst, dass die Polizei die Mülltonnen hinter einer Reihe von Geschäften in der Catherine Street in Salisbury im Rahmen der laufender Ermittlungen zu dem Nervengift untersucht hat. Die zuständigen Behörden haben bestätigt, dass sie keinerlei Anhaltspunkte  dafür haben, dass sich die betreffende Parfümflasche jemals in unserer draußen stehenden Mülltonne befunden hat. Das Geschäft von Cancer Research UK wurde während dieser Untersuchungen weiterhin normal betrieben. Wir wurden von der Polizei darauf hingewiesen, dass für unsere Mitarbeiter oder die Öffentlichkeit kein Risiko bestehe. (Hervorhebung durch die Redaktion)

Ganz anders indes die Schlagzeilen der britischen Presse; die Paarung "Massenvernichtungsmittel in einem Spenden-Container" rührt nicht nur jedes Herz an, nein, es beweist, dass der böse Russe vor rein gar nichts zurückschreckt, er vergreift sich auch noch an den Ärmsten der Armen.

So verklickerte The Sun am 5. Spetember, also über einen Monat nach der verkündeten Entdeckung des Parfumfläschchens, der Öffentlichkeit:

Es ist nicht bekannt, wie sie hinter eine Reihe von Geschäften in der Catherine Street kam, aber die harmlose Flasche mit dem tödlichen Nervengift war nur einen Schritt davon entfernt, der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten zu werden. Wäre Mr. Rowley nicht über die Parfümschachtel gestolpert, hätte die tödliche Flüssigkeit wahrscheinlich dazu verwendet werden können, einem der vielen Wohltätigkeitsläden in dieser Straße Geld einzubringen.

Schließlich, so die fast einhellige Darstellung der britischen Presse in der ersten Septemberwoche, "enthielt die Parfümflasche, die benutzt wurde, um Sergej und Julia Skripal anzugreifen, genug Nervengift, um 4.000 Menschen zu töten". Auch Luke Harding vom Guardian, der sich in den vergangenen Jahren mit seinen antirussischen Verschwörungstheorien ein gewisses Renommee in der westlichen Hemissphäre zu verschaffen wusste, täuschte die Öffentlichkeit am 5. September:

Irgendwann auf ihrem Weg zurück müssen sie (die Russen) die Flasche weggeworfen haben, die zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich war, um sie wieder durch den Zoll zu schmuggeln. Sie endete in einer Spendentonne, was später schreckliche Konsequenzen für Dawn Sturgess und Charlie Rowley haben sollte.

Die 44-jährige Britin Dawn Sturgess und ihr 45-jähriger Partner Charlie Rowley waren am 30. Juni 2018 in der britischen Stadt Amesbury mit starken Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Scotland Yard erklärte kurz darauf, das Paar sei mit Nowitschok vergiftet worden – demselben Gift, das angeblich bei dem Anschlag auf Sergej und Julia Skripal eingesetzt wurde.

Rowley glaubt, die Parfümschachtel am 27. Juni 2018 in jenem "Spenden-Container bei 'The Cloisters'" in Salisbury gefunden und sie danach seiner Partnerin Dawn Sturgess geschenkt zu haben. Sturgess, die den "künstlichen Duft" aus dieser Flasche auf ihre Handgelenke gesprüht hatte, starb am 8. August 2018. Rowley überlebte. Allerdings ist sein Erinnerungsvermögen sehr stark eingetrübt; er ist ein registrierter Heroinsüchtiger, der momentan auch noch unter Meningitis und Blindheit leidet. Gerichtsverwertbare Aussagen, wie er in den Besitz des Parfüm-Flakons mit dem Nervengift gelangt ist, kann er nicht liefern.

Trotzdem haben Polizei und Medien Rowleys Darstellung unwidersprochen übernommen und transportieren seit August 2018 die Mär von dem "Spenden-Container", den es objektiv nie gab, in dem er angeblich die Tatwaffe gefunden haben soll. Und in jenen "Spenden-Container", den es nie gab, sollen die Russen Petrow und Boschirow die Nowitschok-Tatwaffe "Parfümflasche" am 4. März 2018 ganz frech entsorgt haben.

Damit hat eine weitere der zahlreichen von London in die Welt gesetzten Tatversionen Schiffbruch erlitten. Dabei war die Darstellung, wonach die Chemiewaffe Nowitschok, die als tödlichstes Nervengift der Welt gilt, in dem Parfumfläschchen transportiert wurde, bereits zuvor völlig unplausibel.

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