Europa

Mordsache Skripal: Die fraglichen Beweismittel von Scotland Yard (Teil 2)

Großbritannien macht die russische Regierung für das Attentat auf die Skripals verantwortlich. Aber wie begründet ist der Vorwurf? Der ehemalige Kriminalbeamte Jürgen Cain Külbel untersucht für RT Deutsch die Ermittlungsergebnisse der britischen Behörden.
Mordsache Skripal: Die fraglichen Beweismittel von Scotland Yard (Teil 2)Quelle: Reuters © Reuters

von Jürgen Cain Külbel

Scotland Yard hat zusammen mit dem "großartigen Personal und den Fähigkeiten der britischen Geheimdienste und mit der Unterstützung durch die Regierung", einen großartigen Fall aufgebaut. Die beiden Russen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow sollen am 4. März 2018 den Ex-MI6-Agenten Sergej Skripal, dessen Tochter Julia in Salisbury mit tödlichem Nervengift attackiert haben. Scotland Yard publizierte am 5. September 2018 Fotos von Überwachungskameras, die die Täter bei der Vorbereitung und kurz vor der Durchführung der Tat zeigen sollen. 

(Teil I und III könne Sie hier und hier nachlesen.)

Der Anti-Terrorchef von Scotland Yard, Neil Basu trug am 5. September 2018 in einer Pressekonferenz vor, dass Petrow und Boschirow "am Samstag, den 3. März, das Hotel verließen und die U-Bahn zum Bahnhof Waterloo nahmen, wo sie gegen 11.45 Uhr ankamen. Dort nahmen sie einen Zug nach Salisbury, der gegen 14.25 Uhr eintraf. Es wird angenommen, dass sie einen ähnlichen Weg eingeschlagen haben, als sie am Nachmittag des 3. März nach London zurückgekehrt sind. Sie fuhren von Salisbury um ca. 16.11 Uhr ab und kamen in Bow um ca. 20.05 Uhr an. Wir gehen davon aus, dass diese Reise zur Aufklärung des Gebietes Salisbury diente und glauben nicht, dass an diesem Tag für die Öffentlichkeit ein Risiko bestand."

Untersuchungsfrage an Scotland Yard: Die "Aufklärungsmission" beider "Russen" soll 106 Minuten gedauert haben, keine zwei Stunden, jedoch gibt es nur ein Foto (CO1416-2018-CCTV3.jpg), das die Russen beim Verlassen des Bahnhofes zeigt. Das ist kein Beweis. Mit welchen Beweisen kann Scotland Yard die "Aufklärungsmission" begründen?

Obwohl Scotland Yard "davon ausgeht, dass diese Reise zur Aufklärung" diente, besteht zwischen dieser Meinung und einem Beweis ein großer Unterschied. Selbstverständlich ist Salisbury auch für zwei "Russen" nicht der Touristenmagnet: die Kathedrale würde sich für einen Kurzbesuch anbieten, vielleicht auch ein Ausflug zum jungsteinzeitlichen Stonehenge, das etwa 13 Kilometer nördlich der Stadt liegt. Das war es aber auch schon. Offenbar weiß Scotland Yard rein gar nichts über die angebliche "Aufklärungsmission". Denn "nach einer Analyse von 11.000 Stunden CCTV" können die Ermittler für den 3. März 2018 nur ein Foto, besagtes CO1416-2018-CCTV3.jpg, präsentieren.

Es soll die Verdächtigen um 16.11 Uhr am Bahnhof von Salisbury kurz vor ihrer Rückfahrt nach London zeigen. Entspannt stehen beide vor dem automatischen Ticket-Zugang, der auf die Gleise 4 und 6 des Bahnhofes führt. Verwunderlich die Aufforderung von Neil Basu, die Öffentlichkeit solle weiterhin mithelfen, dass man "so viel wie möglich über die Bewegungen (der Russen) in der Zeit von 14.00 bis 16.30 Uhr am Samstag, 3. März, erfahre"; also vor ihrer Abfahrt aus Salisbury. Ein Rundgang auf dem Bahnhof Salisbury zeigt: der Ort ist gespickt mit Überwachungskameras. Unter jedem Bahnsteigdach finden sich gleich mehrere, ebenso im Bahnhofsgebäude.

Allein das als "Beweis" vorgestellte Bild verdiente sogar noch eine bessere Ergänzung: hinter den Ticket-Automaten, im Bahnhof, ist eine Überwachungskamera unterm Gleisdach befestigt, die Frontalaufnahmen von allen Personen macht, die den automatischen Schalter durchqueren. Bei dieser großartigen Bestückung des Bahnhofes mit Überwachungskameras sollte man schon eine lückenlose Begleitung, ein komplettes Bewegungsprofil verdächtiger Personen vom Eingang in den Bahnhof bis auf die Plattform hinaus und bis zum Einsteigen in den Zug erwarten. Und natürlich auch umgekehrt – nach dem Aussteigen aus dem Zug bis zum Verlassen des Bahnhofes.

Diese Lücken wurden von den Ermittlern offenbar nicht "gefüllt". Natürlich findet sich auch an der Außenfassade des Bahnhofes eine Überwachungskamera, die vom Bahnhof sich entfernende wie auch sich nähernde Personen, ebenso den dortigen Taxistand im Blick hat. Das wäre doch schon mal ein Ansatz. 

Es ist sehr waghalsig von Scotland Yard, irgendwelchen Personen, die kurz vor der Abfahrt in einem Bahnhof fotografiert worden waren, zu unterstellen, sie hätten zuvor, in einem Zeitraum von etwa 106 Minuten eine "Aufklärungsmission" durchgeführt. Vor allem dann, wenn die Behörde angeblich keinerlei Vorstellung hat von deren Bewegungen in besagtem Zeitraum und daher die Bevölkerung um Nachreichungen bittet. Die Stadt Salisbury verfügt seit 2017 über ein hochmodernes Kamera-Überwachungssystem. War da für den 3. März 2018 nicht mehr drin, Scotland Yard?

Möglicherweise bietet die TV-Aussage von Petrow und Boschirow vom 13. September 2018 einen neuen Ermittlungsansatz; und zwar einen, der die Verdächtigen entlasten könnte – auch dafür ist gründliche Polizeiarbeit gedacht und konzipiert. Petrow erklärte den Aufenthalt am 3. März in Salisbury so:

Wir sind angekommen und wollten durch die Stadt bummeln. Doch nach einer halben Stunde hat es uns gereicht, weil die Stadt mit Schnee bedeckt war. Natürlich waren wir dort, um Stonehenge, Old Sarum, zu sehen, aber wir konnten es nicht tun, weil es überall schlammigen Matsch gab. Die Stadt war von diesem Schneematsch bedeckt. Wir sind nass geworden, haben den nächsten Zug genommen und sind (nach London) zurückgekehrt.

Boschirow ergänzte: "Wir haben nicht mehr als eine Stunde in Salisbury verbracht, hauptsächlich wegen der Verzögerungen zwischen den Zügen." Petrow und Boschirow haben nach eigenen Aussagen "etwa 40 Minuten auf den Zug gewartet – in einem Café auf dem Bahnhof." Boschirow ergänzte: "Wir tranken heiße Schokolade. Denn wir waren durch und durch nass." Nach seinen Worten hielten sich beide maximal eine Stunde in Salisbury auf, die meiste Zeit wohl im Bahnhof, in einem der beiden "Pumpkin Cafés", gelegen auf den Plattformen 2 und 3 sowie 4 und 6; allesamt im Visier von Überwachungskameras.

Es gibt bislang keinen Beweis, da kann sich Scotland Yard noch so winden, und auch wenn die Ermittler es gerne hätten, dass die beiden "Russen" das Haus der Skripals in fraglicher Zeit observiert oder irgendwelche Fluchtwege, falls was schief läuft, ausbaldowert oder einen "Ablageort" für das Tatmittel nach der Tat ausgekundschaftet haben. Sagen wir mal so: Warum sollten sich Täter dem Risiko aussetzen, am Samstag, einen Tag vor der Tat tagsüber und in aller Öffentlichkeit und begleitet von allen möglichen Überwachungskameras eine "Aufklärungsmission" durchzuführen? Viel eher besteht bei solcherart Vorgehen die Gefahr für Täter, von neugierigen Nachbarn beobachtet zu werden oder gar am nächsten Tag, dem Sonntag, dem Tag der Tat, wiedererkannt zu werden.

Fazit: Das "Beweismittel" CO1416-2018-CCTV3.jpg ist bedeutungslos. Es sagt lediglich aus, dass zwei Personen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort vor einem Ticketautomaten stehen. Von einem nicht politisierten Richter würde dieser "Beweis", der eine "Aufklärungsmission" untermauern soll, abgeschmettert werden.

Der vermeintliche Tatort, das "Haus Skripal", war am 3. März 2018 während jener 106 Minuten "Aufklärungsmission" indes leer gefegt. Sergej Skripal wollte sich schon frühzeitig Richtung London aufmachen, um seine Tochter Julia vom Flughafen Heathrow abzuholen. Da es geschneit hatte, wie die Russen bestätigten, bekam er seinen BMW nicht aus der Auffahrt. Zeuge Russell Loveridge sagte:

BMW-Hinterradantriebe wollen nicht diesen Hügel hinauffahren. Also haben ihn seine nächsten Lieben zum Flughafen gebracht.

Damit meinte er seinen Stiefvater Ross Cassidy, 66 Jahre, früher U-Bootfahrer, und seine Mutter Mo, beide langjährige Freunde sowie ehemalige Nachbarn von Sergej Skripal. Also fragte Sergej seinen Kumpel, ob sie seinen Allrad-Pick-up benutzen könnten. Mit dem silbernen Isuzu D-Max-Lastwagen fuhren Skripal, Mo und Ross Cassidy dann nach Heathrow, wo Julia um 14.40 Uhr mit dem Flugzeug aus Moskau landete. Gegen 17.30 Uhr waren sie zurück in der 6 Christie Miller Street. Ross Cassidy:

Ich wartete im Auto, aber Mo ging mit ihnen hinein. Sergej hatte sich beschwert, dass der Duschkopf in seinem Badezimmer kaputt war und Mo sagte, sie würde nachsehen, wie es repariert werden könnte. Sie ging durch die Haustür und war bald darauf wieder draußen.

Untersuchungsfrage an Scotland Yard: Die "Beweismittel" CO1416-2018-CCTV4.jpg und CO1416-2018-CCTV5.jpg korrelieren nicht, wenn, wie angegeben, die tatverdächtigen Russen in Salisbury zu Fuß unterwegs waren. Das Weg-Zeit-Diagramm macht deutlich: die Personen müssen joggen, um die Wegstrecke zwischen Orten der Aufnahmen zurückzulegen. Wie kann Scotland Yard diesen Widerspruch erklären?

Nach Angaben der Behörde fuhren die verdächtigen Russen am Sonntag, den 4. März 2018, also einen Tag nach der vorgeblichen "Aufklärungsmission" erneut nach Salisbury. "Sie verließen am frühen Morgen ihr Londoner Hotel, fuhren mit der U-Bahn gegen 8.05 Uhr von Bow nach Waterloo Station, dann mit dem Zug nach Salisbury, wo sie gegen 11.45 Uhr eintrafen." Das Foto CO1416-2018-CCTV4.jpg zeigt sie exakt um 11.48 Uhr im Bahnhof Salisbury kurz vor dem Durchqueren der Ticket-Automaten in Richtung Schalter-Halle; von dort aus geht es links in Richtung Ausgang Stadt.

Petrow dazu: "Am 4. März kehrten wir (nach Salisbury) zurück, weil in London alles weggeschmolzen war, es war warmes und sonniges Wetter. Wir sind extra hingefahren, um Old Sarum und die Kathedrale zu besichtigen und beschlossen, das am 4. März zu beenden." Sie seien also noch einmal dahin gefahren, "um die dortigen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen". "Wir saßen im Park, tranken einen Kaffee in einem Café", ergänzte Boschirow. "Wir bummelten und genossen die schöne englische Gotik. Vielleicht haben wir Skripals Haus erreicht, aber wir wissen nicht, wo es sich befindet."

Das nächste von Scotland Yard präsentierte Foto, dabei handelt es sich um das "Beweismittel" CO1416-2018-CCTV5.jpg, wurde exakt um 11.58 Uhr in der Wilton Road gemacht; und zwar von der Überwachungskamera einer Shell-Tankstelle. Also 10 Minuten nach jenem Foto, das die "Russen" im Bahnhof Salisbury zeigt. Zwei Wege führen zur Shell-Tankstelle. Strecke 1: Vom Bahnhof Salisbury über die S. Western Road, Richtung Fisherton Street, dort an einer Überwachungskamera, dem St Paul's Roundabout vorbei, wo eine weitere Überwachungskamera installiert ist, dann hinein in die Wilton Road. Die Strecke ist etwa 1,13 km lang.

Die "Russen" müssten den Weg in einer Geschwindigkeit von 6,76 km/h gemeistert haben, um rechtzeitig zum Fototermin bei Shell zu erscheinen. Das ist tatsächlich Jogging-Tempo. Beim normalen Gehen läuft man etwa 4,5 bis 5,5 km/h, beim gemächlichen Spazierengehen, so wie das Foto die beiden "Russen" eigentlich abbildet, wird eine mittlere Geschwindigkeit von etwa 3 km/h erreicht. Beim normalen Gehen bräuchte man für Strecke 1 in etwa 15 Minuten.

Strecke 2: Vom Bahnhof Salisbury in die S. Western Road, dann in die Mill Road, vorbei an einer Überwachungskamera in die Churchfields Road, in der sich ein Gewerbegebiet mit Firmen wie Vauxhall, Renault, Dacia, Fiat etc. befindet, samt einiger Überwachungskameras, dann rechts in die Ashfield Road, links in die Wilton Road. Das sind etwa 1,29 km, die die "Russen in 7,72 km/h zurückgelegt haben. Wiederum nur im Jogging-Tempo möglich. Der normale Fußgänger benötigt um die 17 Minuten.

Fazit: Den Russen gelang es, nicht nur viele Überwachungskameras "ungesehen" zu unterlaufen, sondern sich auch sehr sportlich in Salisbury zu zeigen. Rennende Zivilisten, nicht in Sportbekleidung unterwegs, fallen in der Regel auf; ein Benehmen, das gegen jede Regel der Konspiration verstößt, stünde eine "Verschwörung" dahinter.

Untersuchungsfrage an Scotland Yard:  Welchen harten Beweis gibt es, dass die verdächtigen Russen das Nervengift Nowitschok an die Türklinke des Wohnhauses von Sergej Skripal in 6 Christie Miller Street, Salisbury, aufgetragen haben?

Und erneut kommt der Glaube ins Spiel. Neil Basu, ich zitiere ihn aus besagter Pressekonferenz, erklärte: Das Bild CO1416-2018-CCTV5.jpg "zeigt sie (die Russen) in der Nähe von Herrn Skripals Haus und wir glauben, dass sie die Haustür mit Nowitschok beschmiert haben."

Tatsächlich befanden sich die Russen, als sie an der Shell-Tankstelle fotografiert wurden, nur 8 Gehminuten entfernt vom Wohnhaus der Opfer in der 6 Christie Miller Road. Sie hätten 12.06 Uhr dort sein können, bei normalem Schritttempo, gemütlich vorbei spazierend an den vielen Einfamilienhäusern samt Vorgärten. Um die Mittagszeit brach an jenem Sonntag in Salisbury ab und an die Sonne durch. Nicht auszuschließen, dass freundliche Engländer, die ihr Wochenende zu Hause genossen haben, sie gegrüßt hätten.  

Was Petrow und Boschirow tatsächlich zwischen 11.58 Uhr und 13.05 Uhr - da wurde das nächste Foto von ihnen geschossen - gemacht haben, darüber gibt der Polizeibericht keine Auskunft.

Um 13.05 Uhr, das soll das Foto CO1416-2018-CCTV6.jpg bezeugen, werden die Verdächtigen von einer Überwachungskamera in der "Fisherton Road im Stadtzentrum von Salisbury", in Richtung Bahnhof schlendernd, abgelichtet, so die Angabe von Neil Basu. Das von Scotland Yard präsentierte Foto weist weder eine Identitätsnummer der Kamera noch einen Time Code auf; nichts, was darauf hinweist, dass es von einer Überwachungskamera stammt. Zudem existiert in Salisbury keine Fisherton Road, wie Basu behauptet, sondern eine Fisherton Street.

Um von der Shell-Tankstelle in die Fisherton Street zu gelangen, blieben Petrow und Boschirow nur dieselben zwei Strecken, die anfangs beschrieben wurden: vom Bahnhof bis in die Milton Street; allerdings retour und erneut an den aufgeführten Überwachungskameras vorbei. Sie wären in etwa 15 bis 20 Minuten unterwegs zu Fuß gewesen.

Das bedeutet im Umkehrschluss: theoretisch hätten Petrow und Boschirow zwischen 12.03 Uhr und 12.45 bis 12.50 Uhr am Wohnhaus Skripals in der 6 Christie Miller Street gewesen sein können.

Basu wandte sich auch in dieser Frage an die Öffentlichkeit, bat um Informationen, Mitteilungen, Beobachtungen. Geht es nach dem Glauben von Scotland Yard, haben die Russen in besagtem Zeitraum die Eingangstür von Skripals Haus mit Nowitschok bearbeitet. Wahr ist jedoch, es gibt kein einziges Überwachungsvideo, Filmmaterial oder gar einen Augenzeugenbericht, der die Russen auch nur in die Nähe des Hauses bringt, direkt vor die Haustür, an die Klinke, und sie schon gar nicht bei Ausübung der Tat zeigt. Sprich: die Türklinke mit Nowitschok besprühen oder andersartig kontaminieren. Fest steht: Letztmalig wurden sie etwa einen halben Kilometer entfernt von Skripals Wohnhaus fotografiert. Nicht mehr und nicht weniger.

Was wäre, wenn Skripal zu dem Zeitpunkt zu Hause gewesen wäre, die Tür geöffnet, heimlich hinterm Fenstervorhang stehend das merkwürdige Treiben dunkler Gestalten vor seiner Haustür beobachtet hätte? Oder die Nachbarn, Passanten, Autofahrer? Der Tag war hell, ab und an volle Sonne. Und die russischen Jogger, die es so eilig hatten, konnten zudem nicht wissen, wenn sie sich denn an der Tür zu schaffen machten, ob dahinter nicht das Haus voller Leute ist. Und hätte man sie bei ihrem Tun oder Unterlassen erwischt: sie verfügten ja noch nicht mal über einen Fluchtwagen und wären wohl bald eingefangen gewesen.

Aber vielleicht waren die Skripals doch nicht zu Hause. Wie im ersten Teil der Analyse beschrieben, verließ Sergej Skripal zusammen mit seiner Tochter Julia an jenem Sonntagmorgen das Haus recht früh. Beide hatten ihre Mobiltelefone ausgeschaltet; sie blieben über vier Stunden nicht erreichbar. Gegen 9.15 Uhr wurde Skripals BMW dann in der Gegend von London Road, Churchill Way North und Wilton Road gesehen; unterwegs Richtung Friedhof Salisbury, wo die verstorbene Frau und der Sohn begraben liegen. Gegen 9.20 Uhr sollen Sergej und Julia dort Plastik-Blumen auf den Gräbern abgelegt haben. Bislang gibt es kein einziges Foto einer Überwachungskamera, keine Zeugenaussage als Beweis, dass die Skripals nach dem Friedhofbesuch nach Hause zurückgekehrt sind. Bislang galt für Scotland Yard die These, dass die Skripals den Türgriff in der 6 Christie Miller Road zuletzt gegen 9 Uhr berührt haben.

Skripals BWM wurde erst wieder gegen 13.32:22 Uhr in der Devizes Road, Ecke Hartington Road gesehen, am Pub "Devizes Inn" vorbeifahrend in Richtung Stadtzentrum. Ein Überwachungsvideo zeigt den burgunderfarbenen BMW samt Kennzeichen HD09 WAO sowie Skripals Hände, wie sie das Lenkrad umklammern. Gegen 13.40 Uhr kommt der Pkw mit Sergej und Julia in Sainsbury's oberem Parkhaus in Maltings an. Beide begeben sich zum Bishops Mill Pub im Stadtzentrum, essen dann von 14.20 Uhr bis 15.35 Uhr im Restaurant "Zizzi". 16.03 Uhr wurden sie in extrem krankem Zustand auf einer Parkbank nahe des Restaurant aufgefunden, ab 16.15 Uhr vom Rettungsdienst behandelt.

Der Fairness halber muss ergänzt werden: Am 16. März 2018 erklärte Scotland Yard, der Behörde fehlten Informationen über den Aufenthalt der Skripals für die Zeit zwischen 13 Uhr bis 14.40 Uhr an besagtem Tag. Daraus könnte geschlossen werden, dass den Ermittlern doch Informationen über die vorhergehende Vier-Stunden-Lücke vorliegen. Geäußert hat sich Scotland Yard dazu nicht. Offiziell gilt noch immer: die Skripals haben gegen 9 Uhr das Haus verlassen, wurden dann erst wieder gegen 13.32 Uhr gesehen. Über eine zwischenzeitliche Rückkehr in die 6 Christie Miller Street ist nichts bekannt.

Allerdings existiert noch ein dubioses Privatvideo, dass den BMW am Tattag um 14.55 Uhr in der 10 India Avenue, etwa 350 Meter von der 6 Christie Miller Road und einige Dutzend Meter vor dem Einbiegen in die Devizes Road entfernt, zeigt. Um 14.55 Uhr saßen die Skripals jedoch nachweislich schon zu Tisch im Restaurant "Zizzi". Das Privatvideo wurde von der Tageszeitung The Mirror veröffentlicht; dort meinten die Verantwortlichen, der Timer dieser Kamera in der India  Avenue sei fälschlich um 1 Stunde und 24 Minuten vorgestellt gewesen; wie sie darauf kamen, weiß keiner - sie rechneten aus und statuierten, Skripal und Tochter wären gegen 13.31 Uhr mit dem BMW aus der 6 Christie Miller Road weggefahren. Securicam, Hersteller der Kamera, erklärt, die Zeit an solchen Kameras müsse manuell eingestellt werden, da passiere vieles, auch wenn man sich nie wieder darum kümmert. Nach bisherigen Kenntnissen wurde das dubiose Privatvideo von Scotland Yard aus gutem Grund nicht als Beweismittel gesichert. 

Gesetz den Fall, die Russen wären tatsächlich gegen 12.05 Uhr am Wohnhaus 6 Christie Miller Road gewesen, was durch rein gar nichts bewiesen ist, bliebe den Opfern, die ja um 13.32 Uhr bereits in der Devizes Road auf ihrer Fahrt Richtung Stadtzentrum gesehen wurden, eine Zeitspanne von etwa 87 Minuten, abzüglich der Fahrzeit vom Wohnhaus bis zur Überwachungskamera in der Devizes Road, um die vorgeblich mit Nowitschok verseuchte Türklinke zu berühren. Was für ein Timing! 

Sergej Skripals langjähriger Freund Ross Cassidy, der Julia am Flughafen abholte, stellt die Zeitleiste der Polizei in Sachen der beiden verdächtigen Russen in Frage. Nach seinem Verständnis waren Sergej und Julia bis 13 Uhr zu Hause. Und er glaubt, Skripals "erhöhter Aufmerksamkeitszustand" hätte jeden Angriff am Tag vereitelt:

Aber ich war überrascht, dass sie (Scotland Yard) sagten, Nowitschok sei am Sonntagmittag platziert worden. Ich habe immer gedacht, dass es am Samstagnachmittag stattfand, nachdem wir Julia von Heathrow abgeholt hatten oder sogar Samstagnacht. Diese Typen sind professionelle Attentäter. Es wäre viel zu dreist gewesen, wenn sie am helllichten Tage eines Sonntags und zur Mittagszeit in eine Sackgasse gegangen wären. Sergejs Haus steht in der Sackgasse. Er hatte eine umgebaute Garage, die er als sein Büro benutzte – von dort hat er einen vollen Blick auf die Straße. Fast immer hat Sergej uns die Tür geöffnet noch ehe wir klopfen konnten. Wann immer wir zu Besuch kamen, er sah uns bereits kommen.

Also doch: einmal Agent, immer Agent - ein wachsamer MI-6-Agent dazu. 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.