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Ungeklärte Fragen zum MH17-Absturz: Putins Anruf bei Obama und das NATO-Manöver Breeze 2014

Minuten nach dem Absturz des Flugs MH17 in der Ostukraine erfuhr US-Präsident Barack Obama durch einen Anruf von Wladimir Putin von der Katastrophe. Der russische Präsident sprach dabei auch ein gerade in der Region laufendes NATO-Manöver an.
Ungeklärte Fragen zum MH17-Absturz: Putins Anruf bei Obama und das NATO-Manöver Breeze 2014 Quelle: Reuters © Reuters

von Erik Frisch

Unmittelbar nach dem Absturz der malaysischen Boeing 777 am 17. Juli 2014 in der Ostukraine rief der russische Präsident Wladimir Putin, der sich gerade in einem Flugzeug auf der Rückreise von Brasilien befand, seinen damaligen US-amerikanischen Amtskollegen Barack Obama an.

Putin war besorgt, dass ein Zivilflugzeug womöglich durch das laufende NATO-Manöver „Breeze 2014“ zu Schaden gekommen war. Das war in diesem Augenblick eine naheliegende Vermutung. Über das wenig bekannte Detail der Geschichte des Todesflugs MH17 wurde in der Presse kaum berichtet. Der damalige Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, bestätigte den Anruf:

Die ersten öffentlichen Nachrichten über das abgestürzte Flugzeug wurden während des Telefongesprächs zwischen Präsident Putin und Präsident Obama bekannt gegeben.

Auch der Kreml veröffentlichte eine entsprechende Erklärung auf seiner Webseite, wie der Business Insider berichtete. In dem Artikel heißt es zudem:

Präsident Barack Obama hat am Donnerstag auf Verlangen des Kreml mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. Dieser hat ihn darüber informiert, dass eine Bodenstation den Absturz eines Flugzeugs der Malaysia Airlines mit 300 Menschen an Bord gemeldet hat.

Bei dem Telefonat habe man auch über die Ukraine-Krise und die US-Sanktionen gegen Russland gesprochen.

Die Sicherheitsexperten an Bord der russischen Präsidentenmaschine sollen ihren Chef über eine alarmierende Radiokommunikation zwischen der Bodenstation im ukrainischen Dnipro und der MH17-Crew informiert haben. Flug MH17 habe seinen vorgesehenen Kurs geändert und sei kurz danach vom Radar verschwunden. Wenig später kam die Meldung vom Absturz. Das habe den russischen Präsidenten veranlasst, Obama anzurufen und auf die gefährdete Sicherheitslage durch das laufende NATO-Manöver in der Ukraine und im Schwarzen Meer hinzuweisen.

NATO-Manöver sorgten für Radarausfälle

Denn zwischen dem 5. und 10. Juni hatte es in Mitteleuropa während eines NATO-Luftmanövers ungewöhnliche Probleme in der zivilen Radarnutzung gegeben. Der österreichische Kurier teilte mit, dass im Juni bis zu 50 Flugzeuge von den Radarschirmen in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei verschwanden, obwohl sich die Flugzeuge weiter in der Luft befanden.

Zur gleichen Zeit hatte die NATO in Ungarn das Unterbrechen des elektronischen Funkverkehrs von gegnerischen Flugzeugen geübt. In Rumänien fanden im Rahmen der „Reassurance Mission“ fortlaufende NATO-Übungen der kanadischen und rumänischen Luftwaffe statt.

Der Ausfall dauerte jeweils zwischen 30 und 120 Minuten, es kam jedoch aufgrund von Notsystemen zu keinem Unfall. EUROCONTROL übernahm die Untersuchung der Vorfälle, während die NATO jeden Zusammenhang bestritt.

Die spontane Sorge Putins am 17. Juli war durchaus naheliegend. Denn bei dem laufenden Manöver in der Ukraine und ihren territorialen Gewässern wurden ebenfalls Übungen aus dem Arsenal der elektronischen Kriegsführung zum Unterbrechen der gegnerischen Kommunikation durchgeführt. Das Luft- und Seemanöver Breeze 2014 im Schwarzen Meer, das auch in der Nähe der Halbinsel Krim abgehalten wurde, dauerte vom 7. bis 17. Juli an.

Im Rahmen des Manövers wurde auch die Einsatzfähigkeit elektronischer Überwachungssysteme an Bord von Militärflugzeugen erprobt. Die Boeing EA-18G Growler und die Boeing E-3 Sentry sind sowohl damit als auch mit AWACS-Systemen ausgestattet

Der Generalstab der russischen Streitkräfte (GRU) wies auch auf die kanadischen NATO-Kampfjets RCAF CF-18 („Hornisse“) hin, die in Rumänien stationiert sind und während des Breeze-Manövers im rumänischen und ukrainischen Luftraum getestet wurden.

Diese Kampfflugzeuge sind mit einer integrierten Anlage für die elektronische Kriegsführung ausgestattet. Bei den Übungen bestand ihre Aufgabe darin, den Luftraum zu überwachen und die feindliche Luftabwehr auszuschalten. Dazu sollte die Radar- und Radiokommunikation des Gegners gestört und eigene verschlüsselte Systeme der Datenübertragung erprobt werden.

NATO müsste BUK-Abschuss registriert haben

Während des Breeze-Manövers wurden die unter Kontrolle prorussischer Separatisten stehenden Regionen Donezk und Lugansk durch NATO-Flugzeuge unter Voll-Radar und elektronische Überwachung gestellt.

In den Tagen vor dem Absturz der MH17 hatten sich russische Piloten bei der staatlichen Flugsicherheitsbehörde Rosaviatsiya beschwert, dass während des Überfliegens der Ukraine das satellitengesteuerte Georeferenz-System ausfiel. Am 27. Juli forderte diese Behörde die Ukraine auf, mitzuteilen, ob sie am Tag der Katastrophe Störgeräte einsetzte.

Am Ende des Manövers erklärte der Sprecher der rumänischen Marine, dass man in dem zehntägigen Manöver auch den zivilen Luftverkehr in der Region überwacht habe. Denn eines der Übungsziele bestand laut einem Reuters-Bericht in der „Überwachung von Verkehrsflugzeugen“.

An dem Breeze-Manöver nahmen Kriegsschiffe aus sieben verschiedenen NATO-Staaten teil, darunter auch das Kriegsschiff USS Vella Gulf. Sein Radar AEGIS AN/SPY 1 kann den Luftraum mit 360 Grad kontinuierlich ohne Unterbrechungen überwachen. Das Gerät arbeitet mit einer dreidimensionalen Erkennung und kann alle Flugzeuge in der Region wahrnehmen.

Dieser Kreuzer konnte den Flug MH17 vom Schwarzen Meer aus verfolgen und eine Rakete, wenn sie auf das Flugzeug abgefeuert wurde, aufzeichnen. Außerdem flogen AWACS-Maschinen zu diesem Zeitpunkt über das betreffende Gebiet. Mehr noch: die Growler Flugzeuge wären zusätzlich in der Lage gewesen, alle Raketenradare der Gegend zu blockieren, also auch das Radargerät der BUK-Anlage, mit der das Flugzeug angeblich abgeschossen wurde.

Auch die verstärkten Radar-Aktivitäten der ukrainischen Armee vor und während des 17. Juli im Bereich des Absturzgebietes müssen registriert worden sein. Wenn sie Teil des Manövers waren - welche Rolle spielten sie dann an der Grenze des Rebellengebietes? Das muss in der Manöverplanung festgehalten sein. Doch die bleibt geheim.

Die in der Region konzentrierte Militärtechnologie müsste demnach den spektakulären Abschuss der angeblichen BUK-Rakete optisch und akustisch erfasst haben – wenn es ihn gegeben hat. Die NATO verfügt folglich aller Wahrscheinlichkeit nach über die Beweise und könnte sie offenlegen. Das tut sie nach vier Jahren immer noch nicht.

Die Auskunftsverweigerung bei angeblich geheimdienstlichen Daten sind die schwarzen Löcher in der Aufklärung des Falls. Das Veto-Recht der Ukraine hinsichtlich der Untersuchungsergebnisse widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Bereits 2015 forderte Andrew Donoghue, Ermittler der australischen Bundespolizei, „höhere Standards“ bei den Untersuchungen in den Niederlanden.

Das internationale Ermittlungsteam (engl.: Joint Investigation Team, JIT) präsentierte am 24. Mai neue Beweismittel, um das russische Militär und damit seinen obersten Befehlshaber, Präsident Putin, als Urheber des Attentats an den Pranger zu stellen. Doch allein schon die dort zur Schau gestellte grünfarbene Raketenhülse und der dazu passenden Deckel - beide intakt und ohne Brandspuren - entlarven die Geschichte als falsch. Denn ein BUK-Geschoss explodiert kurz vor dem Ziel, das getroffene Flugzeug brennt dann lichterloh. Das Geschoss zersplittert in tausend Stücke, die allesamt ebenfalls Brandspuren aufweisen.

Wer hat stichhaltige Motive?

Warum sollte der Präsident der Russischen Föderation seiner Armeespitze den Befehl geben, eine Passagiermaschine inmitten eines NATO-Manövers abzuschießen? Und dann US-Präsident Obama anrufen und ihm den Abschuss als Erster mitteilen - aus Protest! Welchen politischen oder militärischen Vorteil hätte die Tat den Russen gebracht? Durch sie wurden die Sanktionen gegen das Land schließlich noch weiter verschärft.

Hätte Putin seinen Generälen diesen Vorschlag gemacht, hätte es wahrscheinlich eine Palastrevolte gegeben. Denn der Präsident würde damit gegen den verfassungsgemäßen Auftrag der Streitkräfte verstoßen. Doch vor allem hätten die Generäle an seiner geistigen Befähigung für das Präsidentenamt gezweifelt - die Aktion hätte einen Krieg provozieren können. Bereits im Herbst 2014 hat der US-Kongress die Resolution Nr. 758 verabschiedet, in der der Abschuss der Boeing 777 als kriegerische Akt Russlands gegen die NATO bezeichnet wird.

Für die NATO-Politik wurde die Tat allerdings zum Meilenstein, gar zu einem Etappensieg in der militärstrategischen und politischen Mobilisierung gegen den „Feind im Osten“. Aktionen, die „zivile Opfer bringen“, gehören historisch zu den Standardinstrumenten der CIA. Das nennt sich „Low Intensity Warfare“, also Krieg auf niedrigem Niveau. Cui bono? 

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