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Mord an russischem Journalisten in der Ukraine - Deutsche Medien zeigen ohne Beweise auf Moskau

Der bekannte russische Journalist Arkadi Babtschenko wurde am Abend des 29. Mai vor der Tür seiner Wohnung in Kiew erschossen. Ukrainische Politiker und hiesige Medien haben bereits eine Version des Motivs und rufen zum Boykott der WM in Russland auf.
Mord an russischem Journalisten in der Ukraine  - Deutsche Medien zeigen ohne Beweise auf MoskauQuelle: Reuters

[Hinweis der Redaktion: Wie sich nach Verfassen dieses Artikel herausgestellt hat, ist der für tot erklärte Journalist Arkadij Babtschenko noch am Leben. Er erschien am Mittwochnachmittag in Kiew auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes SBU. Mit der Vortäuschung seines Mordes sollten Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes vereitelt werden, hieß es auf der Pressekonferenz.]

Arkadi Babtschenko, ein in der Ukraine lebender russischer Staatsbürger und Journalist, wurde am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt getötet. Seine Frau fand ihn mit einer Schusswunde und rief noch den Rettungsdienst. Er starb im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus.

Die ukrainische Polizei sieht die journalistischen Aktivitäten Babtschenkos als das "erste und offensichtlichste" mögliche Motiv hinter dem Mord.

Der Premierminister der Ukraine, Wladimir Groisman, warf Russland Beteiligung an der Ermordung des russischen Journalisten vor. Diese Version insbesondere mit Hinweis auf Babtschenkos kreml-kritische Berichterstattung griffen auch auch zahlreiche Medien bereits vor jeglichen Untersuchungen auf.

Auch der britische Außenminister Boris Johnson, der erst kürzlich seine Voreingenommenheit gegenüber Russland in einem Scherzanruf kundtat, sah sich veranlasst, den Mord per Twitter zu verurteilen, gepaart mit einem Aufruf, die Meinungsfreiheit zu verteidigen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Voreingenommenheit von Johnson wird nur noch vom Deutschen Journalisten Verband (DJV) übertroffen:

Sergei Lawrow, der russische Außenminister, nannte diese Art der Vorverurteilung Russlands, welche in Mode gekommen sei, "traurig". Dabei könnten die ukrainischen Stellen womöglich mit völliger Straffreiheit von ihren westlichen Partnern rechnen. Die Ukraine benötige die westlichen Berater, um russlandfeindliche Ansichten zu fördern.

Der russische Senator und Medienmacher Alexei Puschkow kommentierte per Twitter die Versuche, den Mord mit oppositionellen Positionen Babtschenkos in Verbindung zu stellen und mahnte, man solle schauen, wem der Mord wirklich nütze.

In einem weiteren Beitrag fragte Puschkow, warum die Polizei einige Stunden vor dem Mord zu dem Haus gekommen war, in dem Babtschenko wohnte, ob sie dabei nach Aufnahmen von Kameras gesucht oder diese gar unterbunden hätte. In solchen Fällen gebe es kaum zufällige Begebenheiten.

Der Kiewer Polizeichef Andrej Krischenko sagte der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine, dass auch andere Versionen untersucht werden sollten. Selbstmord habe die Polizei bereits ausgeschlossen.

Das ukrainische Innenministerium hat eine Zeichnung des Verdächtigen in Zusammenhang mit dem Mord an Babtschenko veröffentlicht.

Ukrainische Strafverfolgungsbehörden haben nach Angaben des polizeilichen Pressedienstes ein Strafverfahren über die Ermordung des Journalisten eröffnet.

Inzwischen hat der russische Untersuchungsausschuss eine eigene Untersuchung des Todes von Babtschenko eingeleitet. Russlands Hochkommissarin für Menschenrechte, Tatiana Moskalkova, versprach, sich an die ukrainischen Behörden zu wenden und forderte sie auf, der Untersuchung des Falles besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Babtschenko war ein Kriegskorrespondent, der über die Jahre für verschiedene Medien arbeitete, darunter russische Publikationen wie Moskauer Komsomolez und Nowaja Gazeta. Als Fernsehjournalist berichtete er über Militäraktionen in Südossetien und im Donbass. Vor seiner journalistischen Karriere kämpfte er in der russischen Armee während der beiden Konflikte im Nordkaukasus. Er verfasste moderne Militärprosa und veröffentlichte mehrere Bücher über die Ereignisse in Tschetschenien.

Babtschenko berichtete kritisch über die russische Regierung und beteiligte sich an Oppositionsbewegungen. Er verließ Russland im Februar 2017 unter Berufung auf seine persönliche Sicherheit. Der Journalist ließ sich schließlich in der Ukraine nieder und nahm die Arbeit als Moderator beim Fernsehsender ATR auf.

Die letzte Aufzeichnung von Babtschenko in sozialen Netzwerken war die Erinnerung an den Tod des Generals der Nationalgarde der Ukraine, Sergei Kultschitsky, im Donbass im Jahr 2014. Der Mi-8-Hubschrauber mit dem General an Bord wurde in der Nähe des Berges Karachun abgeschossen. Babtschenko veröffentlichte ein Foto vor dem Flug und schrieb "Vor vier Jahren hat General Kulchitsky mich nicht in diesen Hubschrauber gebracht. (...) Ein oder zwei Stunden nach diesem Foto wurde er abgeschossen. 14 Menschen starben. Und ich hatte Glück. Der zweite Geburtstag, stellt sich heraus", schrieb der Journalist wenige Stunden vor seinem Tod.

Das russische Außenministerium verurteilt den Mord und fordert die ukrainischen Behörden, internationale Gremien und NGOs auf, die Ermittlungen aufmerksam zu verfolgen. In einer Stellungnahme hieß es:

Das Ausmaß der Gewalt und die Zahl der Morde an Medienschaffenden in diesem Land nimmt stetig zu, und ihre Ermittlungen führen nicht zur Bestrafung von Kriminellen. Blutige Verbrechen und völlige Straflosigkeit sind für das Kiewer Regime zur Routine geworden. Wir fordern, dass die ukrainischen Behörden alle Anstrengungen unternehmen, um das Verbrechen unverzüglich zu untersuchen. Wir hoffen auch, dass die zuständigen internationalen Institutionen und NGOs den Ermittlungsprozess überwachen werden. Wir sprechen der Familie und den Freunden von Arkadi Babtschenko unser aufrichtiges Beileid aus."

Der Mord an Babtschenko ist der jüngste Vorfall in einer Reihe von Morden an Journalisten in der Ukraine. Bereits im Juli 2016 wurde der renommierte russische Journalist Pawel Scheremet in der Innenstadt von Kiew durch eine Autoexplosion getötet. Die offizielle Untersuchung des Mordes an Scheremet hat noch keine handfesten Ergebnisse gebracht, derweil führten ukrainische Spitzenbeamte die Beteiligung des russischen Geheimdienstes an. Unabhängige Untersuchungen hingegen verwiesen auf den ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU).

Im April 2015 wurde Oles Buzina, ein weiterer prominenter Journalist, der die Behörden der Ukraine kritisierte, in Kiew erschossen. Mehrere Verdächtige, die mit rechtsextremen Bewegungen in Verbindung stehen, wurden im Zusammenhang mit dem Mord festgenommen. Die Untersuchung des Vorfalls ist ins Stocken geraten und die Gerichtsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Beinahe 70 Journalisten sind seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 eines unnatürlichen Todes gestorben.

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