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Donbass: Noch ein Donezk-Kommandeur durch ukrainische Armee getötet

In der Nacht auf Freitag starb Oleg Mamijew an den Splittern einer ukrainischen Panzergranate. Ukrainische Spezialeinheiten haben es insbesondere auf die bekannten Kommandeure der beiden "Volksrepubliken" im ostukrainischen Donbass abgesehen.
Donbass: Noch ein Donezk-Kommandeur durch ukrainische Armee getötetQuelle: RT © Ulrich Heyden

von Ulrich Heyden, Moskau

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag starb in einem Schützengraben am Nordrand der international nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“ (DNR) der Kommandeur Oleg Mamijew. Die letzten Minuten des Kommandeurs hat der Video-Kanal „Inside Donezk“ festgehalten.

Man sieht einen Schützengraben in der Nähe des Dorfes Krutaja Balka, in der Industriezone des Bezirks Awdejewka. Man sieht Mamijew stehend mit einem Funkgerät. Er erkundigt sich über Funk über die Situation in anderen Stellungen. Irgendetwas leuchtet die Gegend über dem Schützengrabe für Sekunden hell aus. Man hört das Tackern von Maschinengewehren. Dann hört man sehr laut Salven von einem schweren Geschütz. Die Männer ziehen sich in den bedeckten Unterstand zurück. Einer fragt: Sind alle heil? Dann sieht man wie ein Verletzter auf einer Bahre abtransportiert wird.

Mamijew starb noch in der Nacht auf Freitag auf einem Operationstisch. Er hatte eine schwere Kopfverletzung. Beerdigt wird er in seiner Heimat in Nord-Ossetien, eine der südrussischen Republiken.

Durch den Beschuss der ukrainischen Armee auf die Stellung wurden auch die Journalisten der staatlichen russischen Fernseh-Gesellschaft WGTRK, Igor Uklejn und Pawel Wydrin, verletzt. Sie drehten einen Film über das von Oleg Mamijew geführte Bataillon „Pjatnaschka“.

Abschied im Opern-Theater von Donezk

Am Sonnabend nahmen Hunderte Menschen in Donezk am Sarg des Getöteten Abschied. Der Sarg war im Opern- und Balett-Theater aufgebahrt. Unter dem Beifall der trauernden Bürger und dem Ruf "Es lebe der Held!" wurde der Sarg aus dem Gebäude getragen.

Unter denen, die Abschied nahmen, war auch der frühere „Pjatnaschka“-Kommandeur Abchas (Achra Awidsba), der dem Autor dieser Zeilen im Februar 2017 ein Interview über sein Bataillon gab. Abchas musste wegen Verletzungen das Kommando des Bataillons an Mamijew abgeben.

Auf dem Sarg des getöteten Kommandeurs lag die Flagge der „Pjatnaschka“-Bataillons. Auf der Fahne sieht man zwei kleine Flaggen von Abchasien und der Volksrepublik Donezk, eine erhobene flache Hand und drum herum gruppiert 15 Sterne. Die Symbole weisen auf die Entstehungsgeschichte des Bataillons hin. Im Jahr 2014, als die sogenannte Anti-Terror-Operation der ukrainischen Armee begonnen hatte, kamen 15 Männer, vorwiegend aus der Republik Abchasien und anderen Gebieten des Kaukasus, um der jungen, international nicht anerkannten „Volksrepublik“ bei der Verteidigung zu helfen.

Die meisten Gründer des Bataillons waren kampferprobt. Die Abchasen hatten schon als Jugendliche den Unabhängigkeitskampf der Abchasen gegen die georgische Armee miterlebt, und wo es ging geholfen.

In der DNR wurde das Bataillon an den schwierigsten Frontabschnitten eingesetzt und erwarb sich hohes Ansehen. Kommandeur Mamijew wurde mit zahlreichen Orden ausgezeichnet. Er war im Februar 2015 an der Eroberung des Flughafens von Donezk und der Stadt Debalzewo beteiligt.

Mamijew: „Jeder folgte dem Ruf seines Herzens“

Der Autor dieser Zeilen traf Mamijew im Februar 2017 bei Filmaufnahmen für eine Reportage über das Bataillon. Daran erinnere ich mich: Mamijew sprach sehr ruhig und bedächtig und saß leicht gebückt, wie bereit zu einem Sprung. Und als er aufstand, sah ich, dass er sehr groß war.

Mamijew stammt aus Nord-Ossetien. Dort leitete er einen privaten Wachdienst. Den Krieg hat er schon als Kind kennengelernt. Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion kam es 1992 zwischen zwei nordkaukasischen Völker, Inguschen und Nord-Ossetinern, zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Damals stritt man um ein Gebiet. In einem seiner letzten Interviews sagte Mamijew, an der Auflösung der Sowjetunion sei die damalige Führung des Landes schuld gewesen.

Im Jahr 2008 kämpfte er mit bei der Verteidigung von Süd-Ossetien gegen die angreifende georgische Armee. Die georgische Armee sei damals von der Ukraine mit Waffen beliefert worden. Die gleichen ukrainischen Panzer, die damals Süd-Ossetien beschossen, würden heute gegen Donezk eingesetzt. „Wenn wir den Donbass nicht schützen, wird der Feind bei uns zuhause sein,“ sagte Mamijew.

Als im Jahr 2014 die ukrainische Armee Donezk angriff, schloss sich Mamijew zunächst dem Freiwilligenbataillon „Wostok“ an. Später wurde er Kommandeur von „Pjatnaschka“, einem der erfahrensten und erfolgreichsten DNR-Bataillone, indem auch viele Ausländer, unter anderem aus Europa und den USA kämpfen. In einem Interview sagte Mamijew zu der Motivation der Freiwilligen, „niemand hat uns gerufen. Jeder folgte dem Ruf seines Herzens.“

Kämpfer: „Er war ein sehr fürsorglicher Kommandeur“

Journalisten berichten von dem jetzt Getöteten mit Hochachtung. „Mamaj fuhr fast jeden Tag selbst an die Front, um persönlich den riskanten Prozess des Wachwechsels zu kontrollieren“, berichtet der Video-Journalist Semjon Pegow. Die Journalistin Kristina Melnykowa berichtet, nach den Erzählungen der Kämpfer sei Mamijew  „ein sehr verantwortungsvoller und fürsorglicher Kommandeur“ gewesen. Sie habe selbst erlebt, wie er Süßigkeiten, Torten und Schaschlik an die Front gebracht habe.

Sergej Sawdowejew, Leiter des Spezialeinheit „Legion“, erklärte am Rande der Trauerfeier, Mamijew sei „ein guter, zuverlässiger Freund und ausgezeichneter Kommandeur gewesen.“ Man dürfe nicht so reden, aber „jeder Kommandeur träumt davon, wenn der Tod kommt, dann soll das im Kampf an der Front sein und nicht zuhause im Krankenbett oder bei einem Schlag in den Rücken“.

Die bitteren Verluste der letzten drei Jahre

Es scheint, dass die ukrainischen Spezialeinheiten sehr gut informiert sind und wissen, wo sie die wegen ihrer Erfolge angesehenen gegnerischen Kommandeure töten können. Große Freude herrschte am Freitag beim Rechten Sektor. Der ehemalige Leiter des Rechten Sektors, Dmitro Jarosch, lobte drei ukrainische Soldaten, welche die Tat vollbrachten. Jarosch nannte die Drei aber nur mit ihren Kampfnamen: „Danke dem Kommandeur Schwarzer und den Soldaten Rambo und dem Freund Kipisch für die professionelle und qualitativ gute Arbeit! Macht so weiter! Noch ein Kommandeur der Separow (Separatisten) weniger.“

Gezielt getötet wurden außer Mamijew:

- Aleksej Mosgowoi, Kommandeur des Freiwilligen-Bataillons „Prisrak“ (Gespenst), starb am 23. Mai 2015 im Alter von 40 Jahren bei einem Anschlag auf sein Auto. Er stammte aus der Ukraine und war vor 2014 Vertragssoldat der ukrainischen Armee.

- Motorola (Arsen Pawlow), Kommandeur des Freiwilligen-Bataillons „Sparta“, starb am 16. Oktober 2016 im Alter von 33 Jahren bei einem Anschlag auf sein Wohnhaus in Donezk. Bevor er 2014 als Freiwilliger nach Donezk ging, lebte er in Südrussland.

- Givi (Michail Tolstych), Kommandeur des Freiwilligen-Bataillons „Somali“, starb am 8. Februar 2017 im Alter von 31 Jahren bei einem Anschlag auf eine Militär-Dienststelle in Donezk. Givi wurde im Gebiet Donezk geboren.

Wie denken die Menschen in Donezk über die ermordeten Kommandeure? Wie der Autor dieser Zeilen bei seinem Besuch in Donezk erfuhr, gibt es natürlich auch Menschen, die keine besondere Achtung vor den ermordeten Kommandeuren haben. Aber der Großteil der Menschen spricht von ihnen mit Achtung, denn die Kommandeure saßen nicht nur in ihren Büros. Sie waren vor allem dort, wo die Menschen unter dem ukrainischen Beschuss litten. Und das ist einer der Gründe, warum die ukrainischen Militärs den Widerstand der „Volksrepubliken“ mit ihren tödlichen Attentaten nicht stoppen können.

Im Folgenden dokumentiert RT Deutsch das Interview des Autors mit Oleg Mamijew vom 20. Februar 2017, damals war er noch stellvertretender Kommandeur des Bataillons „Pjatnaschka“. 

Wie lange sind sie schon in Donezk?

Ich bin hier seit dem 4. Mai 2014

Erinnern sie sich daran, was sie als erstes gemacht haben?

Das Erste was wir gemacht haben, als wir hierher gekommen sind, wir haben angefangen die Leute vorzubereiten, wie man richtig eine Straße überquert, wie man sich richtig fortbewegt, wie man richtig eine Waffe in den Händen hält, wie man nachlädt. Also alles was ein Kämpfer können muss. Die Leute waren absolut nicht ausgebildet für diesen Krieg. Und wenn sie es beobachtet haben, dann haben sie gesehen, dass die Leute mit Knüppeln und Jagdflinten dastanden.

Das waren Menschen aus der Region Donezk und Menschen aus Russland?

Das waren insbesondere Leute aus dieser Region. Und es gab nur sehr wenige, die besser ausgebildet waren. Aber auch diese hatten keinerlei Erfahrung, wie man richtig kämpft. Doch wie die Praxis zeigt, sollte man den russischen Menschen nicht unterschätzen. Die Leute haben schnell alles gelernt. Die Strebsamkeit hier ist nicht gering. Wie sie selbst sehen, sind die Republiken Lugansk und Donezk klein aber die Strebsamkeit der Menschen hier ist größer als in der Ukraine mit ihren 30 Millionen Einwohnern.

Was war ihr persönliches Motiv nach Donezk zu kommen?

Ich selbst bin Ossetiner und ich habe das alles 1989 als kleiner Junge erlebt und 2004. Da gab es in Südossetien Spannungen. Es war das gleiche Szenarium wie hier im Donbass. Wir haben verstanden, dass die Republik Donezk ausgebildete Kämpfer brauchte. Wenn wir den Gegner hier weiter vorlassen, dann wird er Morgen mit seinem Faschismus in unserem Garten stehen. Ich habe mich entschieden, habe mich ausgerüstet und bin hierher gefahren.

Woher hatten sie besondere militärische Erfahrungen?

Mein erster Kampfeinsatz war 2004 in Südossetien. Da gab es eine Zuspitzung. Ob man wollte oder nicht, man musste eine Waffe in die Hand nehmen.

Da gab es Auseinandersetzungen zwischen …

… Georgiern und Osseten.

Es waren kleinere Auseinandersetzungen?

Das würde ich nicht sagen, dass es kleine Auseinandersetzungen waren. Es gab Attacken von Seiten der Georgier. Sie erhielten eine Antwort und es beruhigte sich. Im Jahre 2008 beschlossen die Georgier Südossetien zu säubern und dort ein freies Feld zu schaffen, so wie sie auch in Abchasien ein freies Feld schaffen wollten, wenn sie sich erinnern. Die Erfahrung im Kampf haben wir wahrscheinlich im Blut. Im Kaukasus fängt das schon früh an. Wenn ein Junge geboren wird, wird er in allem ausgebildet. Drei Monate nachdem ich hierhergekommen bin, kam mein Sohn. Er war siebzehn Jahre alt. Jetzt ist er 21. Er kam in unser internationales Bataillon.

Ist er jetzt hier?

Nein, ich habe ihn nach Hause geschickt. Weil ich jetzt keine Notwendigkeit sehe, dass er hier ist. Denn er ist jetzt im Übergangsalter und ihm begann der Krieg Spaß zu machen. Man darf das nicht durcheinanderbringen: Den Krieg lieben und seine Erde zu schützen beziehungsweise denen zu helfen, die auf Hilfe angewiesen sind.

Das heißt, ihr Sohn soll sich nicht auf den Krieg konzentrieren. Er soll außerdem lernen, wie er seine Familie schützen kann?

Wissen sie, wenn ein Kind im Krieg aufwächst und wenn er dann eine Familie gründen soll, denkt er nur an den Krieg. Das darf man nicht zulassen. Ich bin kein Fan des Krieges. Wenn es keinen Krieg gibt, dann ist für mich das wichtigste die Familie und mein Staat indem ich lebe. Jeder Mensch gibt etwas für seinen Staat. Wenn jeder etwas gibt, entsteht der Staat. Die Leute, die aus anderen Staaten hierherkommen, kommen in der Regel aus Ländern, wo es keinen Krieg gibt. Und ich glaube nicht, dass sie aus Langeweile ihr Leben hier riskieren und uns helfen. Nein, ich glaube, dass sie in erster Linie mit einer Idee hierherkommen. Damit es hier in Donezk so einen Frieden gibt wie dort, woher sie kommen.

Glauben sie, dass Jemand, der aus einem normalen Leben hierher kommt besser kämpft, als Jemand der hierherkommt, weil er in seinem Leben unzufrieden ist?

Grob gesagt: Leute, die in einer schlechten Verfassung sind, können nicht kämpfen. Sie haben nicht die Haltung. Es gibt Menschen, die helfen wollen, Menschen, die Russland vereinen wollen. Das heißt, wenn Jemand keinen Patriotismus hat, was für einen Sinn hat es dann, dass er hier kämpft. Geld erhält er hier nicht. Man erzählt, dass die Leute, die aus Russland kommen, Geld erhalten. Doch Niemand zahlt ihnen Geld.

Ich habe eine Frage, die vielleicht unangenehm für sie ist. Im Westen sagt man, dass es hier in Kellern Geheimgefängnisse gibt, wo Menschen gefangen gehalten und gefoltert werden. Können sie das kommentieren? Und noch eine Frage: Wie verhalten sie sich gegenüber den Gefangenen?

Wir haben das Bataillon Wostok, welches jetzt zum Innenministerium gehört. Ich begann meinen Dienst in diesem Bataillon. Sie können sich bei den Leuten erkundigen, die schon 2014 im Bataillon Wostok dienten. Wir haben verboten, Gefangene zu schlagen. Wir haben uns ihnen gegenüber menschlich verhalten. Sie können sich die Videos angucken, wenn Gefangene ausgetauscht werden. Sie können dort sehen, welche Gefangenen vom Feind zu uns zurückkommen und welche auf die Seite des Feindes zurückkehren. Die Gefangenen bei uns sehen besser aus als zu der Zeit als sie beim Feind kämpften.

Sie sagten, dass sie hier vier Bataillone haben oder haben sie ein Bataillon?

Nein, es gibt ein Regiment. Dort sind wir eingegliedert. In dem Regiment gibt es vier Bataillone.

Und eines dieser Bataillone ist ihres?

Ja. Eines dieser Bataillone sind wir.

Das heißt, es gibt vier Bataillone, die für besondere Aufgaben eingesetzt werden?

Jedes Bataillon hat seinen Verantwortungsbereich, wo sie eine Stellung haben und dem Gegner nicht erlauben, auf unsere Seite zu kommen. Wir stehen dort wo wir immer gestanden haben. Aber von der gegnerischen Seite gibt es fast täglich den Versuch vorzurücken.

Wie bauen sie bei ihren Soldaten den Stress ab? Führen sie sportliche und kulturelle Veranstaltungen durch, um die Kräfte wiederherzustellen?

Auf einem Stützpunkt haben wir einen landwirtschaftlichen Betrieb. Dort kümmern sich unsere Soldaten um Tiere. Manche machen auch Sport. Es gibt einen Sportsaal. Alle bauen den Stress auf verschiedene Weise ab. Aber Alkohol ist verboten.

Wenn Jemand Urlaub hat, darf er Trinken?

Nun, er geht nach Hause. Was er dort macht ist seine Sache. Aber wenn es Alarm gibt, hat er nur eine halbe Stunde, um zur Stellung zurückzukehren.

Das Interview führte Ulrich Heyden am 20. Februar 2017 auf einem Stützpunkt des Bataillons Pjatnaschka in der international nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“

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