Europa

Der europäische Frühling fällt aus: Gestärkter Orban wird an seinem EU-Kurs festhalten

Für Brüssel waren die Wahlen in Ungarn am 8. April die Chronik einer angekündigten Katastrophe. Und diese war noch schlimmer: Die Partei des Premierministers Viktor Orbán, das schwarze Schaf unter den führenden Politikern Europas, fuhr einen deutlichen Sieg ein.
Der europäische Frühling fällt aus: Gestärkter Orban wird an seinem EU-Kurs festhaltenQuelle: Reuters © Bernadett Szabo

von Pierre Lévy, Paris

Am Ende wurde es deutlich: Orbans Partei erhielt mit 48,5 Prozent der Wählerstimmen ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament und verzeichnete sogar einen Anstieg von 3,6 Punkten. Für die nationalkonservative FIDESZ-Partei ist der Triumph umso größer, als die Wahlbeteiligung einen deutlichen Anstieg verzeichnete: 69,4 Prozent im Vergleich zu 61,7 Prozent im Jahre 2014.

In der Opposition konnte die lange Zeit als rechtsextreme Partei aufgetretene Jobbik 19,6 Prozent der Wählerstimmen für sich entscheiden und verlor 0,6 Punkte. Für ihren Parteichef, der sich um eine "Normalisierung" bemühte und seinen EU-feindlichen Diskurs aufgegeben hatte, ist das eine herbe Enttäuschung.

Die sozialdemokratische Partei (MSZP) muss sich mit 12,5 Prozent der Stimmen zufrieden geben. Die Splittergruppe Demokratische Koalition (DK) erhielt 5,6 Prozent. Die vor Kurzem gegründete liberale Partei Momentum schnitt mit nur 2,8 Prozent ab. 2014 hatten sich die „Mitte-links“-Parteien zu einer Koalition zusammengeschlossen und 25,5 Prozent der Stimmen erhalten. Die grüne LMP ("Politik kann anders sein"), die gehofft hatte, gegen die Methoden der scheidenden Machtinhaber punkten zu können, stieg von 2,5 Prozent auf 7 Prozent.

 Die "Linke" leidet noch immer unter der von 2002 bis 2010 verordneten drastischen Sparpolitik. 2010 hatte Viktor Orbán das Spiel umgekehrt: Ungarn war damals das einzige Land, das die von der Europäischen Union empfohlenen Haushaltskürzungen nicht umsetzte.

Er ergriff Maßnahmen, die sofort als "nationalistisch" und "populistisch" bezeichnet wurden: starke Besteuerung der ausländischen Banken und Großunternehmen, Verstaatlichung der Rentenfonds und verschiedene Nationalisierungen. Diese Politik hat ihm zu einer eher schmeichelhaften Statistik verholfen: Die offizielle Arbeitslosenrate ist in den letzten Monaten auf 3,8 Prozent gesunken, das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4 Prozent – Zahlen, die die Länder der Eurozone vor Neid erblassen lassen.

Aber diese Maßnahmen wurden von einer Senkung der Einkommenssteuer auf pauschal 15 Prozent und einer starken Reduzierung der Unternehmenssteuer begleitet. Ein Teil der Bevölkerung ist immer noch von Armut betroffen. Das öffentliche Gesundheitswesen ist marode. Und Viktor Orbáns Gegner haben immer wieder den "Gefälligkeits-Kapitalismus" angeprangert, in dessen Mitte Vetternwirtschaft im Dunstkreis des Premierministers herrscht.

Doch die FIDESZ-Partei hat eine Frage ins Zentrum der politischen Debatte gestellt, mit der sie ihre Wähler mobilisiert hat: die Migranten. Durch dieses Land von noch nicht einmal 10 Millionen Einwohnern sind im Herbst 2015 Hunderttausende Flüchtlinge gezogen, als Angela Merkel ihnen die Türen öffnete und damit den Wünschen der europäischen Großunternehmer folgte, bevor sie die politischen Konsequenzen maß.

Orbán hat schnell begriffen, dass sein Interesse darin lag, sich gegen die Flüchtlingsquoten zu stellen, die jedes Mitgliedsland gemäß der Entscheidung des Europarates vom September 2015 aufnehmen sollte. Zu diesem Thema hat die FIDESZ mit der Invasion des Landes durch eine ihm fremde Kultur gedroht. Sie hat auch den amerikanischen (in Ungarn geborenen) Milliardär George Soros ins Visier genommen. Dieser als Unterstützer der "Farbrevolutionen" bekannte Mann finanziert regierungsfeindliche Nichtregierungsorganisation in Ungarn, wie er es zuvor in der Ukraine oder in Serbien getan hat.

In Brüssel hatte es bereits eine Reihe von Beschwerden gegeben: Neben den bereits erwähnten Maßnahmen wird der ungarischen Regierung vorgeworfen, Hand an die Medien zu legen, die Nichtregierungsorganisationen mundtot zu machen, die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden.

Während seines ersten Mandats (von 1998 bis 2002) hatte Orbán seine europäischen Kollegen als aus dem Kampf gegen den Kommunismus hervorgegangener Modellschüler begeistern können, der sich nach dem liberalen Europa ausrichtete. Jetzt will der ehemaliger Modellschüler sein eigenes Modell fördern: Er hat sich 2010 zum Verfechter eines "illiberalen" Europas erklärt, und richtet sein Land mittlerweile als Modell dessen aus, was eine "ihren christlichen Werten und ihren Ursprüngen treue" EU sein sollte... Ganz nebenbei legt er Russland gegenüber eine "verwerfliche Nachsicht" an den Tag (ausgenommen bei den letzten Sanktionen).

Der starke Mann aus Budapest, nunmehr innenpolitisch gestärkt, wird es sich nicht nehmen lassen, seinen heterodoxen Kurs zu verschärfen. Sein Sieg trägt zur Bildung einer Brüssel-feindlichen Front bei, die nicht mehr nur auf die Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei) begrenzt ist.

Die tschechischen Wahlen haben im Winter eine vergleichbare Botschaft abgegeben; Österreich betreibt jetzt in den Fragen der Migration eine mit Ungarn übereinstimmende Politik; die italienischen Wähler haben sich soeben im gleichen Sinne geäußert; im September 2017 hatte der Durchbruch der AfD in Deutschland vor dem Hintergrund der Niederlage der (mittlerweile hastig wieder zusammengeflickten) großen Koalition den Weg geebnet.

Vor einem Jahr noch hatten die führenden Politiker der EU an einen "europäischen Frühling" glauben machen wollen, symbolisiert durch den Wahlsieg von Emmanuel Macron in Frankreich. Das Problem mit der Autosuggestion ist nur, dass sie allzu oft ein grausames Erwachen bereithält.

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