Europa

Weder zielführend noch ökonomisch sinnvoll: Debatte um antirussische Sanktionen im Bundestag

Am Donnerstag stand im Bundestag ein Antrag der Linksfraktion gegen die Verlängerung antirussischer Sanktionen auf der Tagesordnung. Die Antragsteller appellierten wie zuvor auch ostdeutscher Ministerpräsidenten aller Parteien an die ökonomische Vernunft.
Weder zielführend noch ökonomisch sinnvoll: Debatte um antirussische Sanktionen im Bundestag

Jene Stimmen, die Sanktionen gegen Russland, wie sie seit 2014 in Kraft sind, als nicht sinnvoll oder zielführend erachten, mehren sich in Deutschland. Zuletzt hatten mehrere Ministerpräsidenten Ostdeutschlands betont, die Maßnahmen seien wirkungslos und schadeten den Unternehmen. Auch Sigmar Gabriel, Bundesaußenminister und früherer Wirtschaftsminister (SPD), verwies auf den Schaden insbesondere für die deutsche Wirtschaft.

Am Donnerstag wurde auf Initiative der Fraktion "Die Linke" über diese Frage im Bundestag debattiert. Der Antrag mit dem Titel "Entspannung mit Russland – Keine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland" verweist darauf, dass die Sanktionen in keinerlei Hinsicht konstruktiv waren und fordert die Bundesregierung auf, endlich auch das ukrainische und westliche Agieren als Faktoren im Ukrainekonflikt anzuerkennen.

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Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Sanktionen der EU gegen Russland 

weder zielführend noch ökonomisch sinnvoll sind und noch mehr Probleme verursachen als lösen.

Dominanz der Konfrontationslogik

Die Antragsteller betonen, dass "mit den Sanktionen der EU gegen Russland wie auch den russischen Gegenmaßnahmen" bewiesen sei, dass der geopolitische Konflikt dadurch nicht gelöst, sondern "durch das Sanktionsregime sogar verschärft" worden ist.

Die Sanktionen haben lediglich die Eskalationsspirale weitergedreht und sind ungeeignet, den Konflikt mit der Ukraine und das völkerrechtliche Problem der Krim zu lösen. Statt gemeinsam eine bessere Sicherheits- und Abrüstungspolitik für Europa und Russland zu formulieren und umzusetzen, dominiert seit 2014 die Konfrontationslogik.

Die Bundesregierung wird in dem Zusammenhang aufgefordert,

im Minsk-Prozess von der Ukraine und den Aufständischen nachdrücklich die Umsetzung der Verpflichtungen einfordern und dem Narrativ einer russischen Aggression als Ursache des Konflikts entgegen[zu]treten, das die NATO-Osterweiterung und das EU-Assoziationsabkommen ausblendet.

Stattdessen solle sich die Bundesregierung für einen vierten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates einsetzen, der die Rolle des Europarates in der umfassenden europäischen politischen Architektur bestimmen soll. Auch solle der Petersburger Dialog wieder politisch aufgewertet und als bilaterales Instrumentarium genutzt werden, um das Misstrauen zwischen Russland und Deutschland abzubauen und stattdessen in einen konstruktiven und kritischen Dialog zu treten.

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Altbekannte Vorwürfe statt inhaltlicher Debatte im Bundestag

Jedoch hielt sich die Debatte zunächst mit gegenseitigen Vorwürfen auf, statt inhaltliche Fragen anzugehen. So behauptete Elisabeth Motschmann (CDU), Russland trage die Hauptverantwortung für tägliche Tote in der Ukraine. Die Wirtschaftssanktionen seien daher das "einzig probate Mittel" gegen eine "Expansionspolitik Russlands". Die geborene Elisabeth Charlotte Baronesse von Düsterlohe ging nicht weiter auf die Expansionspolitik der NATO ein, sondern bald zu Beleidigungen der Antragsteller über, indem sie sich verwundert zeigte, dass sich die Linke überhaupt für Wirtschaft so sehr interessiere und diese zu belehren versuchte, dass nun eben die CDU-Fraktion "das Kapital nicht über Moral" stelle.

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Der SPD-Politiker Nils Schmid verzichtete größtenteils ebenfalls auf Inhaltliches und versuchte, den Antrag durch den Hinweis zu entwerten, dass die Linke derartige Anträge in immer kürzeren Intervallen stelle, um daraufhin selbst das Wort "Narrativ" in sehr kurzen Intervallen in seine Rede einfließen zu lassen. Die Linke habe nämlich "das russische Narrativ" einfach übernommen und, so lautet der Beziehungstipp von Schmid, zwischen wahren Partnern müsse es auch Differenzen geben.

Im Widerspruch dazu zitierte er jedoch seinen Parteikollegen, den Russlandbeauftragten der Bundesregierung, Gernot Erler (offizieller Titel: Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft), der auf die unterschiedlichen und möglicherweise unversöhnlichen Ansichten Russlands und des Westens verwiesen habe. Ohnehin, so Schmid, läge die Verantwortung für die Sanktionen bei der EU, nicht bei Deutschland.

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Der Abgeordnete Armin-Paul Hampel (AfD) erklärte die Sanktionspolitik für gescheitert - ebenso wie bereits die verfehlte Russlandpolitik, welche es einer Finanzmafia erlaubt habe, das Land unter dem Deckmantel der Reformen schamlos auszunehmen. Doch alledem und auch den Sanktionen zum Trotz habe die Ratingagentur Moody's erst kürzlich Russlands Bewertung angehoben.

Weiter kritisierte er die NATO-Osterweiterung und dass den deutschen Bürgern unter anderem die militärische Präambel des Assoziierungsgabkommens mit der Ukraine verheimlicht wurde. Frieden würde nicht durch Sanktionen erreicht, so der ehemalige Korrespondent, schließlich hätten auch die Politiker Egon Bahr und Willy Brandt nicht "Wandel durch Sanktionen", sondern "Wandel durch Annäherung" gepriesen.

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Für die FDP sprach Alexander Graf Lambsdorff, der angab, seine Partei sei für eine Entspannung mit Russland und betonte, dass Russland eine Weltmacht ist. Allerdings setzte den Abschuss der MH17, wozu es zwar keinen russischen Befehl gegeben habe, bei dem, laut Graf Lambsdorff, russische Waffen zum Einsatz gekommen seien, in Verbindung mit einem Plädoyer für einen "regelbasierten Umgang". Ohne Ironie erwähnte er in diesem Zusammenhang auch das Budapester Memorandum, auf Grundlage dessen sich unter anderem die USA als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht für die Integrität der Ukraine ausgesprochen hatten.

Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin meinte, dass bereits die Forderung der ostdeutschen Ministerpräsidenten nach einem Ende der Russland-Sanktionen den Genossen zu denken hätten geben sollen und dass man - obwohl es innerhalb der Ukraine Kräfte gebe, die auf einen "nicht zu gewinnenden Krieg setzen" - diesem Land dennoch zu "better governance" verhelfen solle. Man hat also anscheinend in Deutschland - auch ohne eigene Regierung - einen Bildungsauftrag. Jedoch blicke man mit Sorge auf die unterschiedliche Herangehensweise vonseiten der USA.

Der über die Landesliste NRW der AfD in den Bundestag gewählte Mario Mieruch, der als Fraktionsloser ans Rednerpult trat, betonte, dass die derzeitige Politik verschiedene Ziele verfehle, sowohl das der Glaubwürdigkeit mit einem Blick auf Guantanamo und Rüstungsgeschäfte, als auch das der Nachhaltigkeit, da man sich fragen müsse, wer den Markt anstelle der deutschen Firmen übernehmen wird.

Doch Volker Ulrich (CDU/CSU) bedient sich daraufhin der altbekannten Vorwürfe, Russland stehe hinter dem Konflikt im Donbass und halte sich als Mitglied des Europarats nicht an die Vorgaben der Meinungsfreiheit.

Fraktionskollege Thorsten Frei empörte sich über eine Reihe von Ereignissen, Putins Rede auf der Sicherheitskonferenz von 2007, den Georgienkrieg 2008, die Militärübung Zapad und die angebliche hybride Kriegsführung.

Nachdem auf diese Weise erneut - bewusst oder unbewusst - die Verantwortung des Westens für genau diese Punkte ausgeblendet wurde, wanderte der Antrag in den Auswärtigen Ausschuss. Das Schicksal früherer Vorstöße zum Abbau der Sanktionen lässt erahnen, was von dem Antrag übrig bleiben dürfte.

Plädoyer ostdeutscher Ministerpräsidenten von Union bis Linke bleibt unerhört

Ende Januar hatten sich auch die ostdeutschen Ministerpräsidenten für ein Ende der Russland-Sanktionen ausgesprochen.

Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) hatte nach einem Treffen mit seinen Kollegen ostdeutscher Länder die Sanktionen in Frage gestellt, die im Zuge des Ukrainekonflikts verhängt worden waren. Die Strafmaßnahmen der Europäischen Union hätten sich als wirkungslos erwiesen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte:

Wir sind ganz klar für den Abbau der wechselseitigen Sanktionen.

DerVorstoß der Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer für einen Abbau der gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen wurde jedoch zurückgewiesen. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte am Mittwoch in Berlin:

Die Sanktionen sind kein Selbstzweck, sondern sie sind eine Reaktion einerseits auf die weiterhin bestehende völkerrechtswidrige Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim und andererseits auf die russische Destabilisierung der Ost-Ukraine durch von Moskau unterstützte separatistische Kräfte.

Die EU-Sanktionen gegen Russland blieben so lange bestehen, "wie die Gründe für die Verhängung fortbestehen".

Cem Özdemir (Grüne) sagte der Berliner Zeitung:

Massive Verletzungen des Völkerrechts dürfen nicht einfach weggenickt werden, nur weil einzelne Landesregierungen die Auftragsbücher regionaler Unternehmen füllen möchten.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, ereiferte sich:

Die russische Intervention in der Ostukraine muss beendet werden. Erst dann können die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden", so seine Aussage in der Mitteldeutschen Zeitung zu dem Thema.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, erklärte dagegen der Berliner Zeitung (Mittwoch):

Wer ernsthaft glaubt, Russland mit Sanktionen in die Knie zwingen zu können, hat nichts, aber auch gar nichts begriffen.

Er befürworte den "Vorstoß der ostdeutschen Ministerpräsidenten von Union bis Linke". Während "Die Linke" und die AfD die Forderung der Ministerpräsidenten unterstützten, lehnte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diese ab.

Die Medien schwiegen weitgehend über die Bundestagsdebatte zu dem Thema. Dagegen hat die Funke-Mediengruppe dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrej Melnyk, das Wort erteilt. Seiner Ansicht nach käme ein Abbau der Sanktionen einem  "Verrat an der Ukraine" gleich und würde eine "Bankrotterklärung der künftigen Außenpolitik Deutschlands bedeuten", so Melnyk.

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