Europa

Marktöffnung mit kriminellen Methoden: Ehemaliger "Uber"-Lobbyist enthüllt Geschäftspraktiken

In ganz Europa leidet das etablierte Taxigewerbe unter der Billigkonkurrenz von Fahrdienstanbietern. Eine Vorreiterrolle beim Aufbrechen häufig genossenschaftlicher Strukturen spielte das US-Unternehmen "Uber". Mit welchen Methoden "Uber" vorgegangen ist, wurde kürzlich in der Schweiz publik. Auch das WEF spielte dabei eine Rolle.
Marktöffnung mit kriminellen Methoden: Ehemaliger "Uber"-Lobbyist enthüllt GeschäftspraktikenQuelle: www.globallookpress.com © Helmut Fohringer/ZUMAPRESS.com

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) haben auf eine Enthüllung in der Schweiz aufmerksam gemacht, die es in sich hat. Ein ehemaliger Cheflobbyist von "Uber" hat firmeninterne Unterlagen veröffentlicht, die als "Uber-Files" bekannt geworden sind – und nicht nur in der Schweiz für Diskussionsstoff sorgen. Aus den Papieren soll hervorgehen, wie Uber die schweizerischen Gesetze gezielt missachtet oder zugunsten des eigenen Profits manipuliert hat.

Der frühere Uber-Cheflobbyist Mark MacGann war für Europa zuständig, bis er von den zweifelhaften Methoden seines Arbeitgebers genug hatte. MacGann hat über 120.000 interne Uber-Dokumente an den britischen Guardian und das "Internationale Netzwerk investigativer Journalisten" (ICIJ) weitergeleitet. Gegenüber dem Schweizer Tagesanzeiger, der am 7. Januar seine Recherchen zu den Uber-Files veröffentlichte, bekannte MacGann:

"Wir haben den Menschen eine Lüge verkauft und wir haben die Demokratie massiv untergraben."

Aus den veröffentlichten Dokumenten soll hervorgehen, wie der kalifornische Technologiekonzern gewillt war, auch unter Missachtung aller in der EU und der Schweiz geltenden Regeln und rechtlichen Vorschriften den europäischen Markt zu erobern.

Befreiung von allen Sozialabgaben

Zum Uber-Geschäftsmodell gehörte es, die Fahrer nicht als Arbeitnehmer zu behandeln. Sich selbst betrachtet das Unternehmen als bloßen Vermittler. So sparte es sämtliche Sozialabgaben und prellte teilweise den Schweizer Staat um die ihm zustehenden Steuern.

So kannten die Uber-Mitarbeiter keinen bezahlten Urlaub und keinen Kündigungsschutz, auch keinerlei Einlagen in die  sogenannte Zweite Säule des schweizerischen Sozialversicherungssystems – kapitalgedeckte Zusatzversicherungen, die die umlagefinanzierten Leistungen der Ersten Säule ergänzen. Die DWN zitieren Roman Künzler, einen Sekretär der Gewerkschaft Unia, mit folgendem Kommentar zu den Praktiken bei Uber:

"Das ist schlicht und einfach der größte Schwarzarbeit-Skandal, den die Schweiz je gesehen hat. Das ging nur, weil sich alle haben blenden lassen von der trendigen Firma aus dem Silicon Valley."

Aus den geleakten Dokumenten geht außerdem hervor, dass das US-Unternehmen jahrelang die Nutzer seiner App überwacht hat und sogar nicht davor zurückgeschreckt sein soll, für Firmenzwecke Gewalt gegen Mitarbeiter einzusetzen. Die veröffentlichten Papiere demonstrieren offenbar zudem das Ausmaß und die Methoden des Lobbyismus, im vorliegenden Falle eben am Schweizer Bespiel, wie es sonst nicht häufig vorkommt.

Eigenes Lobby-Netzwerk

Um seine Markteroberung durchzusetzen und abzusichern, soll der kalifornische Konzern ein eigenes Netzwerk aufgebaut haben, das Kontakte zu Politikern, Beamten, Journalisten, Wissenschaftlern und sogar Polizisten aufbaute. Auf diese Weise sollte die öffentliche Meinung im Sinne der Firma beeinflusst werden – und Zustimmung zu einem Unternehmen erzielt werden, das von sämtlichen Sozialabgaben befreit sein sollte.

MacGann räumt ein, dass Uber 2013 in der Schweiz einfach seine Tätigkeit aufnahm, ohne sich um irgendwelche Regeln zu scheren und ohne um Erlaubnis zu fragen. In Zürich waren die ersten Uber-Fahrzeuge unterwegs – ohne Logo und ohne Leuchtschild auf dem Autodach. Bald folgten Genf, Basel und Lausanne. Heute soll Uber auch in Bern und Zug aktiv sein. Von seinen Fahrern verlangte Uber nicht einmal eine (Taxi-)Lizenz, sodass im Grunde jeder Autofahrer bei Uber als Chauffeur anheuern konnte. Dank Bestellung und Bezahlung via Smartphone fließen die Einnahmen direkt an den Konzern. Aufgrund dieser Praktiken konnte der US-Konzern günstigere Preise anbieten als traditionelle Taxiunternehmen, die qualifizierte Fahrer beschäftigen und Sozialabgaben und Steuern zahlen.

Regulierung abgewendet

Obwohl das Schweizer Bundesgericht im letzten Sommer zumindest für den Kanton Genf entschied, dass Uber-Fahrer tatsächlich Mitarbeiter sind, will der Konzern den Richterspruch nicht anerkennen. Denn das Uber-Geschäftsmodell – neben Internet-Lieferdiensten ein Paradebeispiel für die sogenannte digitale Plattform-Ökonomie – erfordert, sich über geltendes Recht und Sozialstandards hinwegzusetzen, wie MacGann laut DWN erklärte:

"Wir kannten die Regeln und wir wussten, dass wir kein erfolgreiches Business haben würden, wenn wir sie befolgen. Also haben wir sie einfach zur Seite geschoben."

Die Rechercheure des Tagesanzeiger sehen diese Haltung auf einer Linie mit dem Verhalten des früheren Uber-Geschäftsführers Travis Kalanick. Dieser habe die Schuld beim Taxigewerbe ausgemacht – und nicht bei Uber. 2014 soll Kalanick sinngemäß erklärt haben, die alten Strukturen zu zerstören und die Gesetze an die Bedürfnisse von Uber anzupassen.

Um die Rechtslage zu verändern, gab und gibt Uber offenbar viel Geld aus. Die DWN berichten, dass Uber allein im Juli 2014 für die Dienste einer Beratungsfirma 30.000 Schweizer Franken ausgegeben habe. Die Lobbyisten, die gut Wetter in der Schweizer Politik machen sollten, hätten teilweise Stundensätze von 500 Franken erhalten. Ein Erfolg habe sich für Uber noch im Sommer 2014 eingestellt, als nach intensiver Lobbyarbeit ein Gesetzesentwurf dahingehend entschärft wurde, dass nun nach Auffassung der Schweizer Regierung die neuen Internetplattformen nur minimale Auswirkungen haben würden und daher kein Handlungs-, d.h. Regulierungsbedarf in Bezug auf Uber und andere Anbieter bestünde.

Uber überwachte Politiker und spannte das WEF ein

Der kalifornische Fahrdienstanbieter soll gezielt sein Image als innovatives, junges Start-up-Unternehmen genutzt haben, um Kontakte und Einfluss auf Politiker aufzubauen. Falls Politiker einmal nicht positiv reagierten, soll Uber seine App dazu benutzt haben, die betreffenden Politiker zu überwachen, wie der Tagesanzeiger herausgefunden hat. In der App sei auch die Zahl der verfügbaren Autos manipuliert worden, bisweilen seien keine Wagen angezeigt worden, obwohl Fahrzeuge tatsächlich frei gewesen seien. Diese Methode habe die US-Firma auch dazu angewandt, um die Schweizer Polizei davon abzuhalten, die Dienste von Uber zu testen.

Schließlich macht sich der Konzern auch das World Economic Forum (WEF) in Davos zunutze. Laut MacGann sei Uber zwar kein offizielles Mitglied des WEF gewesen, doch hätten trotzdem alle Türen offen gestanden, weil die Kalifornier von den "mächtigsten Investoren der Welt unterstützt" worden seien. Die DWN zitieren MacGann mit folgender offener Bemerkung:

"Das WEF war eine einzigartige Möglichkeit, um sich direkt mit Entscheidungsträgern auszutauschen. Wir hatten keinerlei Hindernisse. Das WEF ist großartig für die Leute, die es sich leisten können, dorthin zu gehen, aber nicht so großartig und nicht so demokratisch für den Rest der Welt."

Zuvorkommend wurde Uber auch von der Schweizer Polizei behandelt, ohne dass der Konzern eigene Schritte zu unternehmen brauchte. Noch im November 2014 soll sich beim für die Westschweiz zuständigen Uber-Chef ein Brigadier der Genfer Polizei gemeldet haben, der für die Abteilung Personentransporte verantwortlich war. Bei einem nachfolgenden Treffen konnte Uber so Kontakte zu "Entscheidern der Schweizer Polizei aufbauen", wie die DWN resümieren.

Allein 2016 soll es in Basel und Zürich über einhundert Strafverfahren gegen Uber-Fahrer gegeben haben. Laut MacGann nahmen sich die Behörden die Fahrer vor, verschonten jedoch die Uber-Führungskräfte, die aktiv Vorschriften und Gesetze missachteten – und so die Arbeitsbedingungen für die Fahrer geschaffen hatten. Uber muss etwa 35 Millionen Franken nachzahlen, so der Tagesanzeiger. Die Gewerkschaft Unia gehe jedoch davon aus, dass Uber den Mitarbeitern und den Sozialversicherungen mehrere hundert Millionen Franken schuldet.

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