Europa

Straßburg: EU-Parlament stimmt für "Grünes Label" für Gas und Kernkraft

Am Mittwoch hat das Europaparlament das EU-Ökosiegel für Gas und Atomkraft mit einem Großteil der Stimmen befürwortet. 278 Abgeordnete lehnten den entsprechenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie ab, notwendig wären 353 Stimmen gewesen.
Straßburg: EU-Parlament stimmt für "Grünes Label" für Gas und KernkraftQuelle: www.globallookpress.com © Frank Hoermann / SVEN SIMON / Global Look Press

Einer Aufnahme der Energieträger Atom und Gas in den EU-Nachhaltigkeitskatalog steht praktisch nichts mehr im Wege, nachdem am Mittwoch 328 Abgeordneten einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission unterstützt hatten. Nur 278 votierten gegen den Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie.

Angesichts der EU-Ziele, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen und die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken, hält die Kommission das Klassifizierungssystem für entscheidend, um Investitionen in nachhaltige Energie zu lenken. Sie schätzt, dass zur Erreichung der für das Jahr 2030 anvisierten Ziele Investitionen in Höhe von rund 350 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich sein werden.

Konkret ging es bei dem Votum um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken soll. Auf diese Weise sollen Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflusst werden, mit dem Ziel, den Ausbau von klimafreundlichen vor klimaschädlichen Technologien zu fördern. Die Taxonomie kann unter anderem Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten in den jeweiligen Bereichen haben.

Im vergangenen Jahr wurde bereits in einem ersten Schritt entschieden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Sie regeln beispielsweise, dass der Personen- und Güterzugverkehr ohne direkte CO₂-Abgasemissionen als klimafreundlich eingestuft werden kann.

Unter dem Druck einiger Mitgliedsstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission Ende vergangenen Jahres zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Frankreich setzte sich dabei zugunsten von Atomkraft als Schlüsseltechnologie für eine CO₂-freie Wirtschaft ein, da es mit dem französischen Energiekonzern EDF auf Atomkraft setzt und die Technik gerne auch exportieren will. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.

Innerhalb der EU gibt es sehr abweichende Einstellungen. Steffen Hebestreit, ein Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz, sagte, dass "die deutsche Regierung an ihrer Position festhält und die Kernenergie als nicht nachhaltig betrachtet". Hebestreit weiter:

"Dennoch ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Taxonomie ein wichtiges Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele ist, denn es ist klar, dass Erdgas für uns eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist und die Aufnahme der Erdgasnutzung in den delegierten Rechtsakt trägt dem Rechnung."

Mitte Juni hatten die Abgeordneten der Umwelt- und Wirtschaftsausschüsse des Europäischen Parlaments, ENVI und ECON, gegen die Aufnahme von Investitionen in Atomkraft und Gas in die grüne Taxonomie der EU gestimmt. Während Kritiker auf Umweltproblemen bei beiden Technologien aufmerksam machen und bei Atomkraft zusätzlich noch die Sicherheitsrisiken anführen, verweisen Befürworter auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien.

Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann noch verhindert werden, wenn sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, gilt allerdings als geradezu ausgeschlossen.

Greenpeace kündigte umgehend an, einen formellen Antrag auf interne Überprüfung bei der Europäischen Kommission einzureichen und dann vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, falls das Ergebnis nicht schlüssig ist.

Die Jugendaktivistengruppe Fridays for Future erklärte, dass infolge der Entscheidung Milliarden von Euro in die Gasinfrastruktur und in Atomkraftwerke gepumpt werden könnten, wodurch dringend benötigte Mittel von erneuerbaren Alternativen abgezogen würden.

Dem Argument einiger Kritiker, dass die Taxonomie den russischen Gasverkauf ankurbeln und damit der eigenen Politik widersprechen würde, hielt die Europäische Kommission eine Art Zusage der ukrainischen Regierung gegenüber entgegen.

EU-Kommissarin Mairead McGuinness zitierte am Dienstag aus dem Brief des ukrainischen Energieministers:

"Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einbeziehung von Gas und Kernenergie in die Taxonomie ein wichtiges Element der Energiesicherheit in Europa ist, insbesondere im Hinblick auf den Ersatz von russischem Gas",

und fügte hinzu: "Ich denke nicht, dass wir diesen Brief infrage stellen sollten."

Mehr zum ThemaLänger als 15 Jahre: Ex-Ifo-Chef Sinn warnt vor lang andauerndem Wohlstandsverlust

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.