Europa

Aufruhr auf dem Balkan wegen der "Pandora Papers"

In den "Pandora Papers" werden auch zahlreiche Amtsträger aus dem Balkan aufgeführt, die jahrelang in "Offshore"-Destinationen ihr undeklariertes Vermögen verborgen haben. Vorerst werden vier Namen genannt – der Präsident von Montenegro, Milo Đukanović und sein Sohn Blažo, der derzeitige serbische Finanzminister Siniša Mali und Nikola Petrović, ein enger Mitarbeiter des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić.
Aufruhr auf dem Balkan wegen der "Pandora Papers"Quelle: www.globallookpress.com © Keystone Press Agency, Fotograf: Mykola Tys

von Marinko UČUR

Bislang standen Machthabern nahestehende Personen im Rampenlicht der Öffentlichkeit, vor allem in Montenegro, das lange als "Tabakparadies" galt, über das mit dem Segen und Wissen der Staatsspitze Tabakwaren geschmuggelt wurden. Die Medien schrieben einst, Milo Đukanović und seine Familienmitglieder hätten durch einen illegalen Zigarettenschmuggel einen enormen Gewinn erzielt, weshalb der italienische Staatsanwalt Giuseppe Scelsi 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen den Verdächtigten eingeleitet hat. Diese Ermittlungen führten jedoch nie zu Ergebnissen, die den montenegrinischen Führer zur Rechenschaft gezogen hätten.

Es ist festzuhalten, dass der bekannte kroatische Journalist Ivo Pukanić, Mitbegründer, Besitzer und Chefredakteur der Wochenzeitung Nacional aus Zagreb, 2008 ermordet wurde, weil er über den illegalen Handel mit Tabakprodukten geschrieben hatte. Wegen des nachgewiesenen Mordes wurden in Belgrad und Zagreb langwierige Prozesse geführt, und die Täter und Mittäter wurden zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die wahren Motive für den Mord sind jedoch bis heute nicht näher bekannt, obwohl die Ermittler zu einigen Hinweisen gekommen sind, die zum Schluss führen, dass Pukanić ermordet wurde, um seine Teilnahme an dem Prozess, der zu jenem Zeitpunkt von der italienischen Justiz in Bari vorbereitet wurde, zu verhindern.

In den Jahren danach wurde Milo Đukanović wegen korrupter Handlungen in Montenegro oft öffentlich angegriffen, doch gerichtlichen Ermittlungen entging er mit seiner gewandten "politischen Gymnastik". In der Öffentlichkeit wird er zunehmend als milliardenschwerer Präsident aus dem kleinen und armen Land Montenegro mit seinen knapp über 600.000 Einwohnern ins Gespräch gebracht.

Aber wie sich nun herausstellt, konnte die investigative Journalistin Vanja Ćalović von der NGO "MANS" aus Podgorica, die gegen Korruption und organisierte Kriminalität kämpft, während der Aktion "Pandora Papers" entdecken und nachweisen, dass Milo Đukanović in den vergangenen Jahren in Ausübung seiner staatlichen Ämter auch keinen Zeitaufwand scheute, um seinen enormen Reichtum zu verbergen.

Während ihrer Recherche verfolgte die Journalistin Vanja Ćalović Spuren, die zur Offshore-Agentur AlCoGaL führen, einer führenden Anwaltskanzlei mit Sitz in Panama und mit Vertretungen in allen wichtigen Offshore-Destinationen, einschließlich der Britischen Jungferninseln, über die die Geschäfte der Familie Đukanović abgewickelt wurden. In der Dokumentation dieses panamaischen Unternehmens fand MANS beglaubigte Kopien von Verträgen über die Errichtung von Trusts, die Milo und Blažo Đukanović am 21. Juni 2012 mit der auf den Britischen Jungferninseln registrierten Firma CM Skye 2 (PTC) Ltd. geschlossen hatten.

Dass es sich hierbei tatsächlich um den Präsidenten von Montenegro und seinen Sohn handelt, zeigen die beglaubigten Akten, die während der Errichtung des Trusts beigefügt wurden und die MANS und die Journalistin Ćalović erhalten haben: der Diplomatenpass von Milo Đukanović und eine Wasserrechnung, ausgestellt auf seine Adresse in Podgorica, die als Nachweis seines gewöhnlichen Wohnsitzes diente. Sein Sohn reichte einen montenegrinischen Personalausweis und eine Rechnung für die Anmietung einer Wohnung in London ein. Die "Pandora Papers" zeigen, dass beglaubigte Kopien von London in die Schweiz an CM Management (Suisse) SA gesandt wurden, die ihren Namen im März 2013 in LJ Management (Suisse) SA änderte, um die Namen ihrer Kommittenten zu verbergen.

MANS hat dank der Daten der Anwaltskanzlei Alemán, Coldero, Galindo & Lee (AlCoGaL) aus Panama, die sich mit der Registrierung von Unternehmen in zahlreichen Offshore-Destinationen befasst und deren Daten durchgesickert sind, herausgefunden, dass das Schweizer Unternehmen Đukanovićs geheime Geschäfte verschleiert. In der Zwischenzeit wurde die Verschleierung von Informationen und geheimen Geschäften über Panama, die Britischen Jungferninseln und Gibraltar weitergeführt, aber die montenegrinische Journalistin Vanja Ćalović hat sie alle aufgespürt und auf der offiziellen Webseite www.mans.co.me veröffentlicht.

Angesichts schwerer Anschuldigungen bezeichnete Präsident Đukanović die Behauptungen von MANS als eine "Show für die Öffentlichkeit" und "nur als eine weitere Reihe von Versuchen, den Präsidenten von Montenegro und Familienmitglieder zu diskreditieren, an denen MANS seit Jahren vergeblich arbeitet".

Đukanović, von dem behauptet wird, dass der Westen wegen seiner offenen antirussischen Haltung "ein Auge zudrückt", hat jedoch in gewisser Weise seine geschäftlichen Absichten enthüllt und behauptet, dass er 2012 – also zu einer Zeit, als er nicht mehr Präsident war – an der Schaffung einer Infrastruktur arbeitete, um gemeinsam mit seinem Sohn Geschäftstätigkeiten aufzunehmen. Zu dieser Zeit errichtete er den Victoria Trust, der – während er Eigentümer war – angeblich weder Geschäftstransaktionen tätigte, noch über ein offenes Bankkonto verfügte. Nachdem Đukanović im selben Jahr unerwartet das Amt des Premierministers wieder bekleidete, hat er sein gesamtes Eigentum am Victoria Trust an seinen Sohn Blažo Đukanović abgetreten.

Die vollständigen Ermittlungen und alle in den "Panama Papers" enthaltenen Behauptungen waren für die montenegrinische Opposition alarmierend genug, um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu fordern, das mehr Aufschluss über das Eigentum und den Reichtum von Đukanović, dem dienstältesten europäischen Herrscher, dessen Mandat 2023 auslaufen wird, bringen soll. Ob Voraussetzungen für seinen vorzeitigen Abtritt geschaffen wurden? Die Antwort auf diese Frage ist vielleicht in den "Panama Papers" zu finden.

Ein weiterer "wohlklingender" Name, der in den "Panama Papers" erwähnt wird, ist der derzeitige serbische Finanzminister Siniša Mali, ein enger Mitarbeiter vom Präsidenten Serbiens Aleksandar Vučić. Laut Dokumenten, die Journalisten des Serbischen Netzwerks zur Untersuchung von Kriminalität und Korruption (KRIK) im Rahmen dieses internationalen Projekts erhalten haben, hat Siniša Mali als Eigentümer zweier auf den Britischen Jungferninseln bestehenden Offshore-Gesellschaften an der Schwarzmeerküste im bulgarischen Ferienort "Heiliger Nikolaus" 23 Appartements gekauft, und ein weiteres Appartement kaufte er in seinem eigenen Namen, als er noch Bürgermeister von Belgrad war. Er hat die Immobilie nicht gemeldet, obwohl er verpflichtet war, sie bei der Agentur für Korruptionsprävention anzumelden.

Siniša Mali wies diese Anschuldigungen erwartungsgemäß zurück und behauptete, dass "das wahre Ziel dieser Anschuldigungen Präsident Vučić" sei und bot Journalisten die Schlüssel dieser Wohnungen an, sofern festgestellt werden soll, dass sie etwas mit ihm zu tun hätten.

Die Aktion "Panama Papers" sorgte jedoch zumindest für Unruhe bei den darin genannten Akteuren. Einige von ihnen könnten von ihren öffentlichen Ämtern entbunden werden, gegen andere könnten sogar gerichtliche Ermittlungen eingeleitet werden. Auf dem Balkan haben solche und ähnliche solide Aktionen jedoch bisher nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt, sodass davon ausgegangen wird, dass alles ohne größere Folgen verlaufen könnte.

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