Europa

Merkel in Kiew zum Donbass-Konflikt: "Ukraine lehnt Gespräche mit Separatisten richtigerweise ab"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Sonntag mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij in Kiew getroffen. Sie hat der Ukraine versprochen, sich für die Verlängerung der Gastransite und den Aufbau erneuerbarer Energien einzusetzen. Russland hat sie mit Sanktionen gedroht.
Merkel in Kiew zum Donbass-Konflikt: "Ukraine lehnt Gespräche mit Separatisten richtigerweise ab"Quelle: Reuters

Zum ersten Mal seit 2018 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ukraine besucht. Es war auch das erste Treffen mit dem Präsidenten Wladimir Selenskij in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Die wichtigsten Themen der Gespräche waren die Zukunft der Ostseepipeline Nord Stream 2 und die Situation in der Konfliktregion Donbass.

Nach ihrer Ankunft gegen Mittag in Kiew legte die Kanzlerin zunächst Kränze nieder. Zuerst besuchte sie das Grab des unbekannten Soldaten, um an die Opfer des Zweiten Weltkriegs zu erinnern. Als Teilrepublik der Sowjetunion war die Ukraine vollständig von Hitler-Truppen besetzt, und auf dem ukrainischen Territorium fanden erbitterte Kämpfe statt.  

Anschließend erinnerte Merkel an der Gedenkstätte "Himmlische Hundertschaft" im Zentrum Kiews an die zivilen Opfer des Euromaidans. Die meisten von ihnen starben infolge von Schießereien am 18. und 20. Februar 2014. Diese Verbrechen sind bis heute nicht aufgeklärt, die Regierung in Kiew macht den gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch für sie verantwortlich.

Während ihres gemeinsamen Presseauftritts warnten Angela Merkel und Wladimir Selenskij Russland, die neue Ostseepipeline Nord Stream 2 als "politische Waffe" zu nutzen. "Ich habe (bei Gesprächen in Moskau) deutlich gemacht, dass wir uns für europäische Sanktionen einsetzen, wenn sich dieser Verdacht erhärtet, dass die Pipeline als Waffe eingesetzt wird", sagte Merkel.

Darauf hätten sich Deutschland und die USA im Rahmen eines Abkommens verständigt. Merkel betonte, dass die Vereinbarung für Deutschland "verpflichtend" sei. Selenskij wird Ende des Monats auch US-Präsident Joe Biden in Washington treffen, um das Projekt zu bekämpfen. Er erklärte weiterhin:

"Ich halte das für eine gefährliche Waffe nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa."

Die Ukraine befürchtet, dass sie nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 als Transitland für russische Gaslieferungen nach Europa keine Rolle mehr spielen wird. Ihr würden dann mindestens eine Milliarde Euro Einnahmen durch Transitgebühren verloren gehen.

Merkel machte deutlich, dass Deutschland die Ukraine bei der künftigen Nutzung des Durchleitungsnetzes unterstützen werde. So könnten die Leitungen etwa zum Transport von Wasserstoff genutzt werden. Für den Aufbau von erneuerbaren Energien versprach Merkel der Ukraine eine Milliarde Euro Unterstützung.

Bei einem Treffen mit Merkel am Freitag in Moskau machte der russische Präsident Wladimir Putin deutlich, dass die weitere Nutzung des ukrainischen Transitnetzes von der Nachfrage auf dem Markt abhängig sei. Den Transitvertrag bis 2024 werde Russland erfüllen. Die Menge des durch die Ukraine durchgeleiteten Gases nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Wurden 1998 noch 141 Milliarden Kubikmeter durch die Ukraine gepumpt, waren es 2020 noch knapp 56 Milliarden Kubikmeter.

Auch die stagnierende Donbass-Regulierung wurde besprochen. Merkel hat sich für einen neuen Ukraine-Gipfel mit Beteiligung der Staatschefs aus Russland, Frankreich und der Ukraine ausgesprochen: "Das würde uns Fortschritte bringen nach meiner Auffassung." Die Bilanz in den Versuchen für eine Lösung des Konflikts im Osten des Landes sei zwar nicht zufriedenstellend, gleichwohl habe der Friedensplan Ruhe gebracht. Allerdings sei diese Ruhe nicht dauerhaft und auch nicht nachhaltig. Sie wies darauf hin, dass etwa die geplanten Übergänge mit dem Rebellengebiet nicht gekommen seien.

Der ukrainische Präsident forderte weiteren Druck auf Russland und dankte Merkel für die Unterstützung. Im Hinblick auf den kommenden 30. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine am 24. August sagte sie, dass es wichtig sei, an diesen Tagen in der Ukraine zu sein und dass sie "ihre territoriale Souveränität zurückgewinnt".

Die Ukraine weigert sich seit Jahren, die Forderungen des Minsker Abkommens umzusetzen. Vom hohen Militär werden sogar Pläne für die Rückeroberungen der abtrünnigen Gebiete diskutiert. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln und Artilleriebeschuss an der Trennlinie, die Rebellenseite beklagt die gezielte Tötung ihrer Soldaten. In Moskau forderte Putin Merkel auf, in Kiew auf Selenskij einzuwirken, dass die Vereinbarungen umgesetzt werden.

Doch von Druck auf Kiew kann kaum die Rede sein. Im Unterschied zum Besuch in Moskau, wo die Kanzlerin beispielsweise von den russischen Behörden die Freilassung des Oppositionellen Alexei Nawalny forderte und die Probleme für deutsche NGOs in Russland beklagte, gab es in Kiew keine Kritik. Im Gegenteil, Merkel betonte, dass sie die Haltung Kiews gegenüber den Aufständischen für richtig hält:

"Russland ist in diesen Konflikt indirekt involviert und deswegen werden die Gespräche mit den nicht legitimierten Autoritäten der Separatisten richtigerweise von der Ukraine abgelehnt werden."

Die Journalisten fragten auch nach einer möglichen deutschen Unterstützung für den Aufbau der ukrainischen Kriegsflotte. Präsident Selenskij nutzte die Gelegenheit und warf Russland wiederum vor, die Halbinsel Krim als "einen Flugzeugträger im Herzen der Ukraine" zu nutzen. Angela Merkel lehnte jegliche Waffenlieferungen für die Ukraine kategorisch ab, versprach aber deutsche Beteiligung an Ausbildungsprogrammen für ukrainisches Militär im Rahmen der NATO.

Der Politexperte und Unternehmensberater Alexander Rahr nannte die aufeinanderfolgenden Besuche Merkels in Moskau und Kiew als Versuch, "einen Spagat vollzubringen". "Sie wird sich öffentlich nicht gegen die Ukraine stellen, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie spiele auf der Seite Russlands", schrieb er in einem Artikel auf Russlandkontrovers.

Klitschko wird nicht zu Merkel vorgelassen

Ukrainische Medien wiesen darauf hin, dass Kiews Oberbürgermeister Vitali Klitschko früher die Bundeskanzlerin auf dem Flughafen Kiew-Boryspil immer persönlich empfangen hat. Klitschko pflegt seit Jahren Kontakt zu Merkel und sieht sie als seine politische Ziehmutter. Dieses Mal wurde er jedoch vom Wachpersonal nicht vorgelassen, worauf er auf in einem Video, das er in den sozialen Medien postete, aufmerksam machte. Vor wenigen Tagen wurde Klitschko von Selenskij seines Amtes als Leiter der Kiew-Administration enthoben. Vertraute des Präsidenten lancieren Vorwürfe über angebliche Korruption bei Grundstücksverkäufen in Kiew, allerdings ohne Belege.

Eine Gruppe ukrainischer Journalisten hat in einem Brief an Angela Merkel die Verfolgung der Medien in der Ukraine beklagt. Im März wurden drei Fernsehkanäle auf Präsidentengeheiß geschlossen. Die USA und Großbritannien begrüßten die Entscheidung als Kampf gegen russische Desinformation. Während Merkels Aufenthalt im Marienpalast in Kiew versuchten die ehemaligen Mitarbeiter dieser Kanäle, ihr den Brief persönlich zu überreichen. Vor zwei Tagen wurden Vertreter weiterer Medien vom ukrainischen Sicherheitsrat sanktioniert. Ihnen droht jetzt die Schließung.

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