Europa

Frankreich: "Gesundheitspass" als Demütigung – Philosoph warnt vor "schwelendem Bürgerkrieg"

Die Proteste Hunderttausender in Frankreich gegen Impfpflicht und Impfpass sind eine Überraschung. Das sagt der Philosoph Gaspard Koenig in einem Interview. Normalerweise wird laut ihm in den Ferien nicht demonstriert. Er warnt vor den Folgen der politischen Ignoranz gegenüber den Protesten.
Frankreich: "Gesundheitspass" als Demütigung – Philosoph warnt vor "schwelendem Bürgerkrieg"Quelle: Sputnik © Florence Gallez

"In Frankreich schwelt ein Bürgerkrieg" – so drastisch schätzt der französische Philosoph Gaspard Koenig die Lage in seinem Land ein. "Noch wird debattiert und protestiert." Koenig sagt das in einem Interview mit der Schweizer Wochenzeitschrift Die Weltwoche, das in der aktuellen Ausgabe vom 12. August veröffentlicht wurde. Er geht darin auf die Situation in Frankreich angesichts der zunehmenden Proteste gegen die Pariser Corona-Politik ein.

Koenig gilt als liberaler Philosoph und gründete 2013 die Denkfabrik "Génération Libre". Er hat Romane und Essays geschrieben und war eine Zeit lang auch Redenschreiber von Christine Lagarde, als diese französische Wirtschaftsministerin war. In Kürze erscheint sein letztes Buch "La fin de l'individu" auf Deutsch ("Das Ende des Individuums").

Er bezeichnet im Interview den in Frankreich durchgesetzten Impf- bzw. Gesundheitsausweis ("Passe sanitaire") als "Eselei".

"Man glaubt an ihn wie an einen Talisman. Wer geimpft ist, riskiert wenig, bleibt aber ansteckend. Trotzdem tut man so, als könnte man mit dem Ausweis die Verbreitung des Virus stoppen. Seine Einführung steht in keinem Verhältnis zu den Schäden, die er anrichtet."

Es gehe darum, das Verhalten der Menschen zu kontrollieren und zu regulieren sowie sie zu nötigen, sich impfen zu lassen, so Koenig. Diejenigen, die das nicht wollen, würden sich "noch stärker gegen dieses Gesetz auflehnen", das nicht durchsetzbar sei. Der Philosoph meint zu den Protesten: "In Frankreich schwelt ein Bürgerkrieg."

"Gesundheitspass" als Schlüssel in totalitäre Zukunft

Der Staat habe seine Aufgabe erfüllt, indem er das Angebot, sich impfen zu lassen, gemacht habe. Die Politik müsse die Bürger vor äußeren Bedrohungen schützen, aber nicht gegen ihren Willen vor sich selbst, betont Koenig. "Wer sich nicht impfen lässt, muss die Konsequenzen auf sich nehmen. Für die Jungen ist das Risiko vertretbar, das gilt auch für die ganze Gesellschaft, zumindest solange die Intensivstationen nicht überfüllt sind."

Eine Herdenimmunität sei erreichbar, "indem man das Virus zirkulieren lässt". Aus Sicht des Philosophen stellt der französische "Gesundheitspass" eine "Demütigung" dar.

"Er verweist auf eine totalitäre Zukunft und Gesellschaftsordnung, die ich ablehne. Ich will nicht meinen Pass zücken müssen, um ein Bier zu trinken."

Koenig widerspricht jenen, die darauf hoffen, dass die Maßnahmen nur vorübergehend für die Dauer der Pandemie seien: "Solche Maßnahmen werden nie rückgängig gemacht. Auch das juristische Arsenal der Terrorbekämpfung ist weiterhin in Kraft."

Zugleich meint er, dass "die Leidenschaft der Franzosen für die Freiheit lebt. Die Kundgebungen beweisen es". An diesen haben sich Berichten zufolge Hunderttausende beteiligt. Koenig macht darauf aufmerksam, dass Franzosen zumeist für mehr Geld und gegen Reformen protestieren – aber in der Regel nicht in den Sommerferien.

"Es geht um die Frage der Würde"

"Jetzt engagieren sich die Menschen für die Freiheit. 160.000 Demonstranten an mehreren Samstagen im Hochsommer sind sensationell. Das hat es noch nie gegeben."

Ein Drittel der Bürger Frankreichs unterstütze die Demonstrationen. "Wenn ich das sehe, bin ich stolz, Franzose zu sein", erklärt der Philosoph. Er wendet sich im Interview dagegen, die engagierten Bürger für verrückt zu erklären. Das sei "unerträglich", sagt er und verweist darauf, dass viele der Protestierenden bereits selbst geimpft seien, sich aber gegen den Impfausweis wenden.

"Es geht für sie um eine Frage der Würde", betont Koenig und warnt: "Wenn sie von der scheinbar moderaten, vernunftgesteuerten Regierung weiter als hinterwäldlerische Dummköpfe beleidigt werden, könnten sie sich radikalisieren." Noch werde debattiert und protestiert, hebt er hervor. Es gehe um die Frage der Grundrechte. "Dass die Franzosen gegen das Denunziantentum und die Überwachung protestieren, ist eine gute Nachricht."

Nach seinen Angaben ist der Philosoph selbst geimpft. Gegenwärtig ist er auf einem Pferd unterwegs durch Frankreich, spricht mit vielen Menschen in den Städten und Regionen des Landes. Er boykottiere dabei alle Orte und Veranstaltungen, sagt er, bei denen der Impfausweis vorgelegt werden muss. "Ich freue mich, die Restaurants zu besuchen, die sich nicht an die Kontrollpflicht halten und die Kellner zu Hilfspolizisten machen. So war es schon während des Lockdowns."

Gegen die Ignoranz der Politik

Als Ziel für die Proteste beschreibt er: "Es geht jetzt darum, diese heilsame, gesunde Bewegung des Widerstands auf intelligente Weise zu strukturieren." Koenig hat die liberale Bewegung "Simple" ins Leben gerufen, die sich vor allem gegen die Bürokratie in Staat und Gesellschaft wendet. Der Freiheitsdrang des Volkes werde von keiner Partei aufgenommen. "Alle Parteien vertreten das autoritäre, vertikale Modell. Keine will das Verhältnis zwischen Bürger und Staat neu gestalten."

Mit Blick auf seine Denkfabrik sowie seine Vergangenheit als Politikberater unter anderem für Lagarde sagt Koenig:

"Man kann Minister beraten – es geschieht nichts. Jetzt will ich mich nicht mehr auf die Ideen beschränken: Ich brauche Truppen."

Er setze darauf, dass die von ihm ins Leben gerufene Bewegung "Hunderttausende von Sympathisanten" findet, die sie unterstützen. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2022 sagt er: "Ich will, dass unsere Ideen umgesetzt werden. Wir werden sehen, wer sie verkörpern kann."

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