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Die Versenkung einer ukrainischen Gedenktafel im Meer – der erste russische Aufstand auf der Krim

Aus heutiger Sicht waren diese Ereignisse Vorboten des sogenannten Krim-Frühlings im Jahr 2014, in dessen Folge sich die Krim von der Ukraine abspaltete: Am 5. Juli 2008 hatten die Einwohner Sewastopols ukrainische Marinesoldaten in die Flucht geschlagen und die Tafel zu Ehren der ukrainischen Flotte zerstört.
Die Versenkung einer ukrainischen Gedenktafel im Meer – der erste russische Aufstand auf der Krim© Sevastopol.ru

Zum 13. Jahrestag der dramatischen Ereignisse am Grafski-Ufer hat der Youtube-Kanal Life Sewastopol ein Überwachungsvideo des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU veröffentlicht. Mithilfe dieses Videos waren die aktivsten Teilnehmer der Zusammenstöße mit Militär und Polizei für spätere gerichtliche Verfolgung identifiziert worden. Im Jahr 2008 und weitere sechs Jahre hatte die Halbinsel Krim noch der Ukraine gehört.

Das Video dokumentiert, wie eine aufgebrachte Menge Sewastopoler Bürger zuerst gegen die Anbringung der Gedenktafel zu Ehren des "90-jährigen Bestehens der ukrainischen Flotte" am Stadtufer protestiert und ukrainische Sicherheitskräfte und Militär zurückdrängt, um später die Tafel und weitere ukrainische Staatssymbole zu vernichten.

Das Video beginnt mit Protesten gegen die Installation der Tafel am späten Vormittag. Der Baubereich am Ufer ist vom Rest der Stadt durch Metallzäune und einen Militärkordon abgetrennt. Die Aktivisten skandieren "Okkupanten" und "Schande", singen die Hymne der Stadt und halten Schilder wie etwa "Okkupanten, es ist an der Zeit, uns die Krim und Sewastopol zurückzuholen".

Nur wenige Stunden später gelingt es mehreren Dutzend Personen, die Barriere zu durchbrechen und das Baugerüst mit Marinesoldaten darauf zu umzingeln. Nach einem heftigen Handgemenge fliehen Soldaten vom Gerüst, und die Menschen trennen die Tafel von der Ufermauer ab und schmeißen sie ins Meer. Der Kanal teilt in der Beschreibung mit, dass diese Tafel am selben Tag von Aktivisten aus dem Wasser geholt und an einer schlammigen Stelle in der Sewastopoler Bucht wieder versenkt wurde. Sie wurde danach nie gefunden.

Am Ende des Videos ist die Demolierung der restlichen ukrainischen Symbole am Promenadenufer zu sehen. Zuerst wird eine weitere Tafel mit einem Vorschlaghammer zerstört, wobei die Aktivisten einander den Hammer wie ein Staffelstab überreichen. Unter Jubel wird auch ein Blech-Banner zum 16-jährigen Bestehen der ukrainischen Flotte vernichtet.

Lokalen Medien zufolge mussten die höchsten Admiräle der ukrainischen Flotte dieser Aktion aus nächster Nähe zusehen. Geplant war eigentlich die feierliche Einweihung des erneuerten Stadtufers am 5. Juli unter Teilnahme des damaligen Präsidenten Wiktor Juschtschenko. Doch die Bürger der Stadt haben die Feierlichkeiten verhindert.

Was genau sollte in Sewastopol gefeiert werden? Es sollte an eine kurzzeitige Aktion erinnert werden, die eigentlich viel eher mit Kriegslist zu tun hatte als mit der Gründung einer Flotte. Am 28. April 1918 ordnete der damalige Befehlshaber der bolschewistischen Schwarzmeerflotte Admiral Michail Sablin vor dem Eintreffen der Deutschen an, die rote Fahne abzunehmen, um stattdessen die blau-gelbe Flagge der Ukrainischen Volksrepublik zu hissen. Diese war zuvor von den Deutschen bei den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk als Vertragspartei anerkannt worden.

Ziel des Admirals war es, eine militärische Konfrontation mit den Deutschen um jeden Preis zu vermeiden. Die meisten Schiffe weigerten sich jedoch, dem Befehl Folge zu leisten, und verließen den Hafen. Nur zwei Tage später, am 1. Mai 1918, ordnete Sablin nach fruchtlosen Verhandlungen mit den Deutschen an, dass die ukrainische Flagge durch die Andrejewski-Flagge ersetzt und der Rest der Flotte abgezogen wird.

Für zusätzlichen Zündstoff in der Stadt sorgte auch die Entscheidung der Regierung in Kiew, die Feierlichkeiten am 5. Juli stattfinden zu lassen, dem Geburtstag von Admiral Pawel Nachimow, dem legendären Verteidiger des russischen Sewastopol zu Zeiten des Krimkrieges Mitte des 19. Jahrhunderts. Außerdem beschloss die Marineführung die Installation der Tafel am Stadtrat vorbei. Die Proteste wurden deshalb von mehreren Abgeordneten angeführt.

Die Aktion endete zwar mit einem klaren Sieg der Protestler. Mehr noch, die Ergebnisse waren für den ukrainischen Staat recht deprimierend. Dennoch waren die Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär mit vielen Risiken verbunden. Am selben Tag wurden mehrere Teilnehmer festgenommen. Die Prozesse gegen insgesamt sieben Personen dauerten bis Ende Februar 2014. Beendet wurden sie erst wenige Wochen vor dem Austritt der Krim aus der Ukraine.

Die Ereignisse am 5. Juli 2008 zeigten eindrücklich, wie entschlossen die Einwohner der Hafenstadt mit Sonderstatus Sewastopol bereits vor dem Referendum am 16. März 2014 gegen die Ukrainisierung ihrer Stadt und der ganzen Halbinsel Krim kämpften. Angesichts der späteren geopolitischen Verschiebungen scheint der lokale Kampf um eine Gedenktafel ein durchaus wichtiges Stück Zeitgeschichte zu sein.

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